Noch vor dem Frühstück am nächsten Morgen, die Sonne war bereits wieder aufgegangen, schwammen wir weit hinaus auf den See, den wir für uns ganz allein hatten, abgesehen von den gefiederten Bewohnern des nahen Schilfgürtels, die bereits auf Futtersuche unterwegs waren. Erst um 11.00 Uhr trennten wir uns von dieser Idylle, um kurz darauf in Royan auf die wartende Fähre zu gehen, die uns in einer halben Stunde über die Gironde brachte, allerdings für einen saftigen Preis von 219 FF, etwa 70,00 DM. Jetzt begann die Côte d’Argent, die Silberküste, fast schnurgerade und dünenreich; das Meer spült ständig neuen Sand heran, der sich zu einem fast 5 Kilometer breiten Dünensaum aufgetürmt hat. Dahinter haben die Flüsse und Bäche aus dem Inland, die sich, an dem Sandgebirge entlangwandernd mit Mühe einen Ausgang zum Meer suchen mussten, mehrere untereinander liegende Seen gebildet, durch natürliche Wasserwege und Kanäle miteinander verbunden, zusammen bringen sie es auf eine größere Wasseroberfläche als der Bodensee. An diesen klaren Gewässern mit ihren zum Teil schilfigen oder auch sandigen Ufern und einem großen Fischreichtum spielt sich der Hauptfremdenverkehr ab, weit mehr als am nahen kühlen und rauen Atlantik.
Das merkten wir sehr schnell, als wir durch schier endlose lichte Pinienwälder, die man vor etwa 200 Jahren zum Schutz gegen den Flugsand angepflanzt hatte, von einem restlos überlaufenen Ort zum anderen fuhren, bis wir schließlich an der weiten Bucht von Arcachon ankamen; auch hier keine Bleibe für Wohnmobile. Erst etwas weiter südlich im kleinen Örtchen
- Pyla s. Mer -
wurden wir nach einigem Suchen fündig; eine kleine Nebenstraße brachte uns unmittelbar an den rauschenden Atlantik, eingerahmt von windzerzausten Kiefern hatten wir einen freien Blick auf das weite Meer. In einem nahen kleinen „Salon de Thé“ gab es Muscheln satt in einer delikaten Weinsoße, dazu einen offenen leichten Blanc de Blancs, einen beliebten französischen Weißwein.
Die Nacht verlief allerdings etwas unruhig, in aller Herrgottsfrühe um 1.00 Uhr lautes Getöse durch die Sperrmüllabfuhr, und das am Samstagmorgen. Damit noch nicht genug, ab 5.00 Uhr wurden auf einem nahen Slip mit viel Geschrei Boote zu Wasser gelassen. Also ein wenig unausgeschlafen etwas früher als gewohnt aufgebrochen. Nur wenige Kilometer weiter südlich erreichten wir die mit stolzen 114 Metern höchste Düne Europas, die Dune du Pilat, die sich sehr imposant, in der Sonne hell strahlend, aus dunklem Kiefernwald erhebt. Ein von ihrem Grat aus gestarteter Drachenflieger schraubte sich langsam herab zum Strand, von dem wir uns jetzt entfernten, um die etwa 50 Kilometer im Landesinneren an der Garonne liegende größte Stadt Südwestfrankreichs, Bordeaux, zu besuchen, die trotz ihrer Entfernung zum Meer den nach Brest wichtigsten Hafen der Atlantikküste besitzt. Schon in der Antike war sie eine sehr betriebsame Hafenstadt, aus allen Epochen blieben Bauten erhalten, aus gallisch-römischer Zeit, aus dem Mittelalter, besonders aus den drei Jahrhunderten (1152 bis 1453), in denen die Stadt der englischen Krone gehörte; am eindrucksvollsten allerdings die Gebäude aus dem 18. Jahrhundert im prunkvollen Barock- oder klassizistischen Stil. Auf unserer privaten Sightseeingtour ließen wir uns langsam an den schönsten Sehenswürdigkeiten vorbeitreiben, wenn möglich Fotostopps einlegend. Das architektonische Prunkstück ist zweifellos das Grand Théâtre, das 1780 auf den Fundamenten eines gallisch-römischen Tempels entstand. Für die Hauptfassade wurden zwölf vor Ort gefundene korinthische Säulen verwandt; um den antiken Eindruck noch zu verstärken, schufen zeitgenössische Künstler zwölf annähernd klassische Statuen, neun Musen und drei Göttinnen, die sehr dekorativ das Gesims über dem Säuleneingang zieren.
Auf dem harmonisch von schönen klassizistischen Bauten umgebenen Place de la Bourse (Börsenplatz) legten wir dank Parkplatz und freiem kleinen Tisch in einem Straßencafé bei mit knackigem Salat, Schinken und Käse belegten Baguettes und erfrischenden Getränken eine Imbisspause ein, um uns danach der schönsten Kirche von Bordeaux, der Kathedrale St. André auf dem Place de Rohan näher zu widmen. Ihr ältester Teil ist das Langhaus, das bereits aus dem 12. Jahrhundert stammt, Querschiff und Chor entstanden in der Hochgotik im 15. Jahrhundert. An beiden Eingängen findet man kunstvolle Steinmetzarbeiten, sehr hübsch auch die Skulpturen, die den Chorumgang schmücken. Etwas abseits im Grünen erhebt sich der Glockenturm, nach seinem erzbischöflichen Erbauer Tour Pey Berland genannt. Auf der anderen Seite des Platzes ist in dem pompösen ehemaligen erzbischöflichen Palast aus dem 18. Jahrhundert das Rathaus (Hotel de Ville) untergebracht. Vorbei an dem wuchtigen dreitürmigen Tor Porte de las Grosse-Cloche, bei einem kleinen Schlenker nach rechts noch die sehenswerte spätgotische Kirche St-Michel mit ihrem ebenfalls frei stehenden 114 Meter hohen Glockenturm mitnehmend, erreichten wir die imposante, zu Beginn des 19. Jahrhunderts erbaute Brücke Pont de Pierre, die uns an das Ostufer der Garonne brachte. Da es wegen des starken Verkehrsaufkommens nur langsam voranging, konnten wir in aller Ruhe einen umfassenden Blick über die ausgedehnten Hafenanlagen werfen.
Allmählich verließen wir die Stadt und tauchten ein in ein wunderschönes Weinanbaugebiet, wohl das größte, was es auf der Welt gibt, die Hälfte aller französischen Weine stammt aus dieser Gegend. Mitten durch akkurat angelegte, zum teil hügelige Weinfelder, vorbei an hochherrschaftlichen Châteaus, überwiegend schlossähnlichen Weingütern, zuletzt am östlichen Ufer der Gironde entlang, und zwar wieder in nördlicher Richtung, trudelten wir schließlich im idyllischen Fährhafen
- Blaye -
ein mit seiner Zitadelle aus dem 17. Jahrhundert und einer imposanten gotischen Burg; ein hübscher Kontrast zu den verwitterten Festungsmauern, die den Ortskern umrunden, leuchtend rote Rosenpracht. Ein idealer Übernachtungsplatz direkt am Ufer der Gironde war schnell gefunden; zwischen den vorgelagerten kleinen grünen Inseln zogen noch einige Segler ruhig ihre Bahn, die leicht geblähten schneeweißen Segel leuchteten in der Dämmerung. Dieses Mal waren wir wieder zu fünft, d.h. vier Wohnmobile ließen sich noch in der Nähe nieder; in einiger Entfernung hatten sechs Caravane eine Art Wagenburg gebildet; kurz nach unserer Ankunft wurden wir von ihren Insassen umlagert, alt und jung, Männlein und Weiblein; es handelte sich um französische Nomaden, Zigeunern vergleichbar, unisono in bewunderndem Ton „Tabér, Tabér“ rufend. Erst allmählich dämmerte uns, dass es sich um die französische Aussprache des Herstellers unseres Mobis handelte, der Firma Tabbert, durch eleganten Schriftzug oberhalb der Frontscheibe und an den Seiten zu erkennen. Ihre Wohnwagen hatten sie über dieselbe Firma bezogen und standen jetzt zum ersten Mal einem Wohnmobil der von ihnen bevorzugten Marke gegenüber. Neugierig fragten sie nach allen Einzelheiten, Hände und Füße zu Hilfe nehmend; „très bon“ war ihre einhellige Meinung, eine bessere Beurteilung konnten wir uns nicht wünschen. Befriedigt zogen sie von dannen und wir uns zu einem leckeren Abendessen aus dem übervollen Kühlschrank zurück, dazu ein paar Gläschen wohlschmeckender roter Landwein, natürlich aus französischem Anbau, eine flackernde Kerze auf dem Tisch und ein hell leuchtender Mond am sternenübersäten Himmel, konnte das Leben schöner sein?!
Am Sonntagmorgen, heiter mit einigen Wölkchen, ging es weiter durch herrliche weite Weinfelder, dann wieder am Ufer der Gironde entlang, durch enge verwitterte Dörfer, sehr hübsch Talmont mit mächtiger Festungsmauer; danach ins Landesinnere abbiegend über Saintes, eine reizvolle alte Stadt; am Fluss Charente steht ein fast 2.000 Jahre alter Triumphbogen als eindrucksvolle römische Hinterlassenschaft, die Reste eines Amphitheaters zeugen noch von gewaltiger Größe. Spontan entschlossen wir uns, noch einmal an