Und wer küsst mich?. Ellen Sander. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ellen Sander
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847691662
Скачать книгу
Friseure sind ja schwul. Ich bin Hetero«, erwähnte er einmal.

      Das sagte er doch nicht nur so, oder?

      »Die Schauspielerin Demi Moore hat jetzt diesen um viele Jahre jüngeren Mann geheiratet. Ich finde das klasse.«

      War das eine Botschaft? Und bei meinem letzten Besuch meinte er:

      »Ich würde ja nie etwas mit einer Kundin anfangen. Wenn, dann müsste die Initiative auf jeden Fall von der Kundin ausgehen.«

      Ich stehe ja manchmal auf der Leitung, aber der Fall war klar: Er will was von mir. Das konnte ich nicht falsch interpretieren, oder? Meine Initiative war gefragt, nicht wahr?

      »Pooooockopockpockpockpock«, scholl es aus meinem Telefonhörer.

      »Ach, Frau Braaatbäcker, das verrückte Huhn ist wieder dran! Wie geht es dir, Chrissie?«

      »Hm, nicht so gut«, kam die traurige Antwort.

      »Nicht? Ist es mit deinem Hamburger nicht so gut gelaufen?«

      »Nein, gar nicht.«

      »Chrissie, Maus. Was ist passiert?«

      »Freitagabend war es noch so schön. Ich hatte gekocht und wir haben gekuschelt und waren richtig ein bisschen verliebt. Samstag bekam er dann eine SMS nach der anderen von seiner Ex. Und dann ist er mittags ohne jede weitere Erklärung abgefahren.«

      »Zu seiner Ex?«

      »Wahrscheinlich.«

      »Ach Chrissie. Nicht traurig sein. Du weißt doch: Liebeskummer lohnt sich nicht my Darling. Schade um die Tränen in der Nacht.«

      »Komm mir nicht mit deinen alten Schlagern. Da werde ich erst recht deprimiert.«

      »Würde denn ein Sekt helfen? Was hältst du davon, wenn wir uns gleich im Prosecco treffen?«

      »Ins Prosecco. Da kannst du mit deinen Gucci-Girls hin gehen.«

      »Jetzt sein nicht so hart. Dann gehen wir halt in die Friesenstube und du kriegst ein Bier!«

      »Ne, dann doch lieber ins Prosecco. Da gibt es sicher auch Bier.«

      »In einer halben Stunde?«

      »In 30 Minuten!«

      Mann, was haben wir uns einen gezischt. Chrissie und ich hatten den Abend beide gutes Sitzfleisch und den dazugehörigen Durst.

      »Ella«, lallte Chrissie, »warum liebt misch keina?«

      »Aber Chrischie«, lallte ich mich Chrissies Sprachstil anpassend zurück, »ich liebe disch doch!«

      »Wirklich?«

      »Aber ja. Wenn du ein Mann wärst, du wärst genau mein Typ.«

      »So wie isch bin? Kom-pro-misch-los?«

      »Chrischie, in einer Beziehung muhsss jeder Kompromisssse eingehen. Du könntest zum Beispiel deinen Kleidungsstil für misch überdenken.«

      Aus meiner Sicht ist Chrissie von allem etwas zu viel: etwas zu blond, etwas zu braun gebrannt, etwas zu stark geschminkt, etwas zu offenherzig dekolletiert und sie zeigt etwas zu viel Bein. Dafür findet Chrissie mich umgekehrt natürlich schrecklich konservativ.

      »Kommt überhaupst nischt in Frage. Du musssst misch nehmen, wie isch bin. Oder gar nischt. Hallooooo! Bringen Ssie mir noch’en Bier.«, rief sie der Bedienung zu.

      »Und mir einen Kaffee, bitte.«

      »Kaffee?« fragte Chrissie ungläubig. »Ella, wasn mit dir loss?«

      »Ich habe gerade meinen Friseur entdeckt. Ich brauche einen klaren Kopf.«

      »Ella, auf welchem Tripp bissst du denn? Der Junge isss mindestens 10 Jahre jünger alsss duh.«

      »Er ist volljährig und ich mache mich somit nicht strafbar«, entgegnete ich schmunzelnd.

      Mein Friseur übte eine solche Anziehungskraft auf mich aus, dass ich den Blick nicht von ihm abwenden konnte, nachdem ich ihn zur Tür reinkommen gesehen habe. Automatisch lächelte ich ihn an. Und an der Art wie er zurück lächelte wusste ich, dass die Stunde meiner Initiative gekommen war. Nur wenig später fanden wir uns in meinem Wagen wieder. In dieser Nacht habe ich mit ihm meinen eigenen Rekord im Dauerknutschen gebrochen: Fünf Stunden – bis die Scheiben beschlugen. Wie in alten Zeiten.

      Es klingelte an der Tür und ich musste das Telefonat mit Kiki beenden:

      »Du, ich muss auflegen. Es hat an der Tür geklingelt. Das wird Chrissie sein. Sie zeigt mir, wie diese Partnerbörse im Internet funktioniert.«

      »Dann viel Spaß. Ciao, Ella!«

      »Ciao, Kiki!«

      Noch mit dem Hörer in der Hand machte ich die Tür auf.

      »Hallo Chrissielein. Komm rein!«

      »Hi. Hast du den PC schon angeschmissen?«

      »Jawohl. Alles startklar.«

      »Deinem plötzlichen Interesse für die Partnerbörse entnehme ich, dass es mit deinem Friseur nicht gut lief, oder?«

      »An mir soll es nicht liegen, aber er hat sich seit dem Abend nicht mehr gemeldet. Schade eigentlich. Er kann wirklich fantastisch küssen.«

      Gut, dass ich die Nacht nicht gleich mit ihm ins Bett gegangen bin. Jetzt fühlte ich mich wenigstens nur ein ganz kleines bisschen schlecht.

      »Wahrscheinlich hat er kalte Füße bekommen«, sagte Chrissie. »Der ist mit einer älteren Frau wie dir einfach überfordert.«

      »Danke für ältere Frau«, sagte ich gespielt beleidigt.

      »Und außerdem bist du seine Kundin«, meinte Chrissie ergänzend.

      »Jetzt nicht mehr. Du kennst nicht zufällig einen guten Friseur?«

      Als hätte sie das nicht gehört meinte Chrissie nur:

      »So, zeig mal her, Ella. Wo ist denn dein Internet Provider?«

      »Mein WAS?«

      »Wie gehst du ins Internet?«

      »Ach so. Hier, man braucht nur diese Taste am Laptop zu drücken und automatisch wird der Internetzugang aufgebaut.«

      »Praktisch. Jetzt brauchst du nur die Adresse einzutippen: www.find_mich.de. Na bitte, da sind wir schon. Hier kannst du nun dein eigenes Profil anlegen.«

      »Mein Profil?«

      »Deinen Namen und Beschreibung zu deiner Person. Wie willst du denn heißen?«

      »Ich kann mir einen Namen aussuchen? Hm ... Wie heißt du denn?«, wollte ich von Chrissie wissen.

      »Lullaby2004.«

      »Lullaby heißt doch übersetzt Schlaflied, richtig? Chrissielein, das kann MANN aber auch falsch verstehen. Ist doch kein Wunder, wenn die Männer nur auf einen Abstecher bei dir vorbei kommen.«

      Ups, das war nicht nett. Ich konnte nur hoffen, dass Chrissie die Doppeldeutigkeit meiner Worte nicht bemerkt hat. Aua, sie hat! Chrissie guckte mich schief von der Seite an, konnte sich dann aber ein Grinsen nicht verkneifen:

      »Ella, das ist geschmacklos!«

      »Äh ... «, stammelte ich und versuchte sie mit einer anderen Frage abzulenken: »Und warum hast du die Zahl im Namen? Warum Lullaby2004.«

      »Weil ich nicht die Einzige bin, die sich hier so nennt. Also, wie willst du heißen? Konservative1?«

      »Ha, ha! Wirklich komisch. Nein, ich will was mit Stil. Einen Frauennamen mit Klasse. Marie Claire!«

      »Marie Claire? Das hört sich an wie eine Damenbinde. Der Name hat keine Klasse, der ist einfach nur langweilig. Aber bitte. Wahrscheinlich brauchst du noch nicht mal eine Nummer dahinter zu setzen. Tatsächlich. Du bist