«Ma ngi ci tóopatoo yi!», meinte die Afrikanerin. Sie mühte sich damit ab, die Fesseln zu öffnen. Ein Handgelenk hatte sie bereits freibekommen, nun machte sie sich an das Zweite.
Dann rannten sie.
Beide!
Nicht unbedingt um ihr Leben, aber doch um die Bewahrung ihrer Jungfräulichkeit.
Er hatte es aus dem Augenwinkel heraus beobachtet. Sein Verstand arbeitete zu langsam. Zu spät kapierte er, der Jäger, was da geschah. Verflucht. Er hatte erwartet, dass die Afrikanerin um ihr Leben rannte. So schnell sie konnte. Und dass sie erst stehen blieb, wenn sie keine Luft mehr bekam ...
Er hatte sie unterschätzt ...
Er wollte losrennen. Wollte hinterher ... aber sie waren verdammt schnell im Wald verschwunden.
Florian fluchte. Er hatte einen Fehler gemacht, das war ihm klar. Und eine Menge Leute hatten ihm dabei zugeschaut. Mit Ruhm hatte er sich wahrlich nicht «bekleckert». Und das machte ihn wütend.
Hastig packte er sein Zeug zusammen ...
Hotel Resort
«Oh, verdammt, Florian!», schrie Natascha und ließ sich zurück in den Sessel fallen.
«Was ist?», fragte Dimitri und schaute überrascht auf den Bildschirm. Sehr schnell erkannte er was geschehen war: «Er hat sie doch nicht etwa laufen lassen?»
«Nein, sie ist geflohen. Mit ihrer Freundin!»
«Gott, was für ein Vollidiot!», schimpfte der Russe, nahm die Fernbedienung und wechselte den Kanal bis er schließlich die Bilder einer Drohne bekam, die über dem Wald flog. Das Hightech-Fluggerät hatte Mühe den beiden jungen Frauen zu folgen. Viel zu hoch musste die Drohne über dem Wald fliegen und das Fokussieren der Kamera brauchte zu lange: «Warum rennt er nicht hinterher?»
«Tut er doch!», sagte Natascha und zeigte auf den kleinen Schatten, der am Bildrand zu sehen war: «Da ist er doch, ... er geht ebenfalls auf die Lichtung.»
«Na dann hoffen wir, dass er sie einholt. Es ist ziemlich schwer jemanden im Wald zu finden, wenn er mal aus dem Blickfeld verschwunden ist!»
Natascha nickte stumm. Sie fieberte mit.
Herrje, war das aufregend ...
Glades of Prey
Verdammt! Hier ging die Sonne deutlich schneller unter. Sie schien am Tag zwar mehr und intensiver als in Europa, aber eben nicht so lange. Gerade im Wald würde es stockdunkel werden.
Durfte das wahr sein? Er fühlte sich wie ein vollkommener Versager. Wütend schaute er sich auf der Lichtung Glades of Prey um. Eine riesige Talschneise mitten durch die Insel. An ihrer schmalsten Stelle immerhin noch hundert Meter breit.
Verfluchte, beschissene Bananenstauden ... mehr sah er nicht. Irgendwo im Norden, vielleicht gut 300 Meter von ihm weg, schien ein See zu sein. Dahinter ein Berg und ein Wasserfall, den er bis dort hin, wo er stand, noch hören konnte.
Viel zu viel Zeit war vergangen. Es wurde bereits langsam aber sicher dunkel und Florian hatte die beiden Frauen längst aus den Augen verloren. Es machte keinen Sinn mehr sie zu verfolgen.
Denk nach! Denk nach!
In seinem Gehirn ratterten die Gedanken. Was sollte er tun? Einfach umdrehen und sich die Niederlage eingestehen? Nein, das konnte er nicht. Und wenn er bis zum Morgengrauen unterwegs war.
Er ging die Glades of Prey entlang. Ein wenig missmutig holte er eine kleine Banane von einer tiefer hängenden Staude. Die meisten hingen viel zu hoch, ein paar Pflanzen waren jedoch kleiner und die leckeren gelben Früchte erreichbar.
Er schälte sie und biss in das Fruchtfleisch. Die Schale war er zu Boden.
Vielleicht rutschte einer der Frauen aus ...
Er musste lachen bei dem Gedanken. Wurde aber gleich wieder ernst. Das war kein beschissener Comic von Tom und Jerry. Das war eine Menschenjagd.
Es wurde immer dunkler. Viel zu rasch. Langsam ging er Richtung See. Und dann sah er zwei Frauen. Waren das die Russinnen?
Er zielte mit dem Gewehr auf die Brünette. Direkt auf ihren Po. Hastig schaute er auf die Entfernungsangabe des digitalen Messgerätes. Zu weit für einen zielsicheren Schuss ...
Verdammt ... sie schauten hinüber zu ihm ...
Die beiden Russinnen rannten los. Anders als Florian erwartet hatte, liefen sie nicht links oder rechts am See entlang, sondern vom See weg. Schräg an ihm vorbei.
Er rannte hinterher ...
Höhle der Amazonen
«Herrje, wo bleibt denn Irina und die Inderin?», fragte Olga genervt und schaute aus der Höhle: «Es wird langsam dunkel und sie sind noch nicht zurück!»
«Vielleicht hättest du früher daran denken sollen Decken mitzunehmen. Du wusstest, dass es hier in der Höhle kalt wird.»
«Meine Güte, musst du immer jammern?», fragte Olga sauer.
«Vielleicht ist sie geflohen?»
«Die Inderin? Nein, da ist sie nicht tough genug. Und Irina weiß, was sie tut! Im Gegensatz du dir!»
Jana schaute ihre Kameradin böse an. Sie hatte sich mit Olga eigentlich immer gut verstanden, aber seit sie auf dem Flug hierher gewesen waren, litt sie unter Größenwahn. Sie war noch nie einfach gewesen. Aber nie derart kampfeslustig und machtgeil. Dabei hatte alles so gut angefangen. Die Idee war gut. Dimitri, ihr Boss, hatte ihnen das Angebot gemacht. Eine Jagd auf einer Insel. Was für eine geile Idee ...
Februar 2016, Moskau (Russland)
«Du meinst das nicht ernst, oder?», fragte Irina und zog sich die seidenen Strümpfe aus.
Dimitri betrachtete den Körper der vierundzwanzigjährigen Russin, die sich in diesem Moment auf die Show vorbereitete. Er hatte sie schon gevögelt. Direkt bei der Bewerbung. Genauso wie ihre beiden Freundinnen: «Ich meine das völlig ernst!»
«Eine Insel irgendwo im Indischen Ozean wo Frauen gejagt werden und du möchtest, dass wir dort mitmachen, Boss?»
«Rede ich Suaheli?», fragte Dimitri: «Herrje, es gibt eine Menge Kohle.»
«Also ich bin dabei!», meinte Olga.
Irina grinste: «Das war klar! Aber wenn, dann machen wir alle drei mit. Was ist mit dir Jana?»
Jana war unsicher: «Wir müssen auf dieser Insel uns einfach verstecken und uns nicht erwischen lassen?»
«Ganz genau!», sagte Dimitri.
«Nun gut. Ich wollte schon immer mal auf eine tropische Insel!», sagte Jana und ihre Unsicherheit schwand: «Und wir bekommen wirklich so viel Geld?»
«Ja, verdammt!», sagte ihr Boss und drehte seine Rolex einmal am Handgelenk herum. Sie saß viel zu locker.
Alle drei stimmten zu.
Glades of Prey
Florian war verdammt schnell. Die Chance seine Niederlage von zuvor wieder gut zu machen und zu punkten, beflügelten ihn.
Sekunde um Sekunde verringerte er den Abstand. Kurz bevor die Lichtung endete kniete er nieder. Im Wald hatte er vermutlich keine Chance. Sie würden viel zu schnell in der Dunkelheit verschwinden ...
Florian zielte.
Florian wusste, dass er jetzt sofort schießen musste. Doch er war die letzten Meter gerannt. Sein Puls raste und bei jedem Atemzug bewegte sich auch der Lauf des Gewehres.
Konzentrier dich, Junge ... halt den Atem an ...
Aber das war gar nicht so leicht. Jedes Lungenbläschen schrie förmlich nach frischem Sauerstoff