„Schau nicht so überrascht. Du bist eines meiner besten Pferde im Stall.
Und in leitender Funktion hast du nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht alles in Erfahrung zu bringen.
Die X4 sind keine normalen Wanzen. Sie sind ultraleichte, kompakte und nahezu unsichtbare GPS Sender. Sie können für ungefähr zwei Monate die exakten Positionsdaten aufzeichnen. Wenn sich die X4 um 5 Meter bewegen wird ein Datensatz mit Datum, Uhrzeit und Position gespeichert. So wird vermieden, dass der Speicher sich mit gleichbleibenden Positionsdaten unnötig vollfrisst. Es interessiert uns ja nicht, wenn unsere Zielperson acht Stunden im Bett verbringt. Anfang und Ende ist absolut ausreichend. Die X4 haben auch den Vorteil, dass man das Senden nicht erkennen kann, da sie das nur kurz vor Speicherüberlauf selbstständig machen. Erreicht der Speicher 80% der Kapazität wartet das Gerät bis es die Positionsdaten von mindestens 6 Satelliten erfasst. Somit kann es sicher sein, sich unter freien Himmel zu befinden. Zum einem sind dann nur sehr unwahrscheinlich Sendedetektoren im Einsatz, die vom Feind als Wanzenerkennung genutzt werden, und zum anderen genügt dann eine kleine Sendeleistung. Die Daten werden mit einem hardwarebasierten Code stark verschlüsselt und komprimiert. In den Tests dauerte die Übertragung weniger als zehn Sekunden. Und Simsalabim, wir haben dann das komplette Bewegungsprofil der Zielperson.
Zum anderen Teil deiner Frage. Wir vermuten, dass die Warlords, die die Drogenfelder kontrollieren, auch direkten Kontakt zu der hiesigen Terrororganisation haben. Wenn wir aufzeichnen können wo sich die Personen bewegen, werden wir im Idealfall früher oder später Schnittpunkte haben. Sehr vermutlich zeitlich versetzt, aber es sollte reichen um Treffpunkte oder sogar Wohnungen aufzuzeichnen. Punkte, die bei Folgeeinsätzen von unseren Leuten bewacht werden. Wir haben die Möglichkeit ein deutlich klareres Bild der Organisation zu erhalten. Wir werden zahlreiche Fotos bekommen und wenn ein großer Fisch ins Netz gehen sollte, wird es an diesem Platz eine unauffällige Verhaftung geben. Bei Gegenwehr kann es natürlich sehr unangenehm werden. Für beide Seiten.“
„Aber warum verfolgen wir die Kerle nicht mit unseren Satelliten und Drohnen? Ich habe Berichte gelesen, dass die Predator Drohne ein Foto von einem Apfel aus 10.000 Meter Höhen machen kann.“
„Das wissen auch unsere Zielpersonen. Daher treffen sie sich bei Nacht oder schlechtem Wetter. Sie wissen übrigens auch, wann gerade kein Satellit sein Auge auf sie gerichtet hat. Die Überflugpläne sind kein großes Geheimnis und lassen sich mathematisch errechnen. Daher sind wir auf diese manuelle Detektivarbeit angewiesen.
Noch etwas. Die Samen unseres Supermohns lassen wirklich tolle Pflanzen wachsen, haben aber absolut keinen opiumfähigen Stempel. Bis das allerdings auffällt, haben wir die notwendigen Daten. Die armen Kerle wissen dann zwar, dass man sie reingelegt hat, aber nicht warum. Die X4 werden sie nicht finden und wenn doch, haben sie keine Ahnung wozu die dienen.“
Peter wendete sich wieder zu Mike.
„Mike, wie ist es bei der zweiten Zielperson verlaufen?“
5
Als die BART in den Bahnhof des Civic Centers einfuhr, stand Ali Akbar von seinem Sitz auf. Die Zeitung klemmte er sich unter die linke Achsel. Nachdem der Zug angehalten hatte und er ausgestiegen war, warf er zuerst die Zeitung in den nächsten Mülleimer. Er wollte als Tourist erscheinen und Touristen lasen keine lokalen Zeitungen. Wenn er sich gleich mit Said treffen würde, wollte er das typische Bild abgeben, das man üblicherweise am Treffpunkt 37 vorfand.
Es war 08:15 Uhr am Morgen und der Berufsverkehr hatte die Stadt fest im Griff. Hupende Autos quälten sich durch die Straßenschluchten von Downtown San Fransisco. Er verließ die Market Street und bog in die Grove Street ein. Von hier waren es noch circa 25 Minuten bis zum Zielort. Er nahm eine direkte Fußverbindung, ohne Umwege. Mit der Digitalkamera um den Hals und der Baseballkappe gab er wirklich ein gutes Touristenbild ab. Er war auch nicht der einzige, der in diese Richtung lief und so konnte Ali in der Menge wie ein Fisch im Schwarm mit schwimmen.
Drei Minuten vor der ausgemachten Uhrzeit setzte sich Ali auf eine Parkbank im Alamo Square. Ein Baum gab ihm etwas Schatten. Eigentlich schade, er saß viel lieber in der Sonne. Die Tage hier waren doch meistens nebelig und trüb. Ali nutzte gerne jede Minute Sonnenlicht aus.
Sein Blick schweifte zu den „Painted Ladies“, die im 19. Jahrhundert im viktorianischen Stil erbauten Reihenhäuser. Jedes dieser Häuser leuchtete in einer anderen Farbe. Im Hintergrund erkannte man die angeblich erdbebensichere Transamerica Pyramide. Ali musste zugeben, dass dies ein schöner Fleck und er gerne hier war. Er blickte durch seine Digitalkamera, machte aber kein Foto. Er wollte ja keinerlei Spuren hinterlassen.
Wenige Augenblicke später setzte sich Said neben ihn. Er musste ihn beobachtet haben, ansonsten wäre es doch ein zu perfektes Timing gewesen.
Im Gegensatz zu Ali hatte Said eine deutlich dunklere Hautfarbe. Seine dunklen glatten Haare kämmte er sich mit Gel nach hinten. Sein sonnengegerbtes Gesicht wies auf der rechten Backe einige kleine Narben auf, die man auf der perfekt rasierten Haut gut ausmachen konnte. Da Said etwa einen Kopf größer war, schaute er leicht nach unten.
Ali brach als erster das Schweigen.
„Hast du heute die Zeitung gelesen? Die Amerikaner zweifeln langsam an dem sinnlosen Krieg.“
„Ja, habe ich. Und ich denke, wir haben nun den perfekten Zeitpunkt für unsere weiteren Aufgaben erreicht. Mit einem klaren Signal wird die Stimmung im Volk komplett kippen und der Abzug der Truppen aus unserer Heimat ist nur noch eine Frage von Wochen.“
Nachdem Ali ein nicht komplett überzeugtes Gesicht zeigte, fuhr Said fort.
„Wenn jetzt keiner etwas unternimmt, wird der Abzug auf unbestimmte Zeit hinausgezögert werden. Die Stimmung für und gegen einen militärischen Einsatz in unserem Land wird sich bald die Waagschale halten. Aber letztendlich wird es zu keinem radikalen Stimmungswechsel kommen. Mit einem klaren Zeichen jedoch wird das amerikanische Volk unsere Forderungen verstehen und unterstützen.“
Endlich zeigten Alis Augen das Funkeln, das Said schon bei vielen Ansprachen gesehen hatte. Das Funkeln, das ein Ziel widerspiegelte. Ein Ziel welches Said nun aufzeigen konnte.
„Unser Warten wird nun endlich belohnt. Ich stehe in Verbindung mit einem mächtigen Mann. Er hat mich beauftragt, dem amerikanischen Volk eine Lektion zu erteilen.“
Said machte eine kurze Pause und sah Ali nun fest in die Augen.
„In dieser Mission werde ich eine zentrale Rolle spielen, Ali Akbar. Ich habe unserem Freund aber auch gesagt, dass ich es nur mit fähigen Leuten schaffen kann. Ich habe gesagt, ich will unbedingt dich dabei haben, da ich dir blind vertrauen kann.“
Bei dem letzten Satz legt Said eine Hand auf Alis Schulter.
„Kann ich auf dich zählen, Ali?“
„Selbstverständlich, mein Bruder. Ich werde dich nicht enttäuschen.“
Said hatte mit keiner anderen Antwort gerechnet. Trotzdem nutzte er den theatralischen Effekt aus, um Ali sicher auf seine Seite zu holen. Noch hätte er aussteigen können. Ab jetzt aber waren die Weichen gestellt. Der „Point of no return“ war für Ali überschritten.
„Ali, ich gebe dir gleich einen Zettel auf dem unser Ziel steht. Es handelt sich um ein Objekt. Nachdem du es gelesen hast, will ich, dass du ihn aufisst. Es ist nicht viel zu lesen, aber sollte uns jemand belauschen, würden wir unser Ziel nicht verraten.
Zuvor aber gebe ich dir deinen Auftrag.
Finde eine Möglichkeit das Objekt zu zerstören. Bedenke alle Möglichkeiten. Plane den Auftrag äußerst sorgfältig. Nutze das Internet um dich über alle Daten und Fakten zu informieren.“