Er war allein.
Ruhelos strampelte er die Decke von seinen Beinen und stand auf. Die Vorhänge wehten im warmen Wind eines hellen, sonnigen Morgen. Keine Spur vom Unwetter aus seinem Traum, es hatte kein Donnergrollen und keine Blitze in der Nacht gegeben, höchstens ein lauwarmes Lüftchen, das durch die offenen Balkontüren geweht kam und seinen vom unruhigen Schlaf gequälten Leib liebkost hatte.
Es musste schon spät am Morgen sein, denn der Wind trug das Klirren von Metall das auf Metall schlug, und die dumpfen Schläge von Schwertern, die auf Schilde trafen, durch die Vorhänge in sein Schlafgemach. Wie jeden Morgen übten die Truppen des wahren Erbens unerbittlich innerhalb der Mauern der Festung für die bevorstehenden Kämpfe.
Desiderius ließ alles wie es war, die geschlossenen Vorhänge und das zerwühlte, schweißnasse Bett. Wie in seinem Traum, warf er sich nur seinen schweren Morgenmantel über, der eigens für seine Statur angefertigt worden war, und eilte aus dem Raum.
Er ignorierte die freundlichen Begrüßungen und Verbeugungen der Dienstmägde, die ihm entgegenkamen, während sie ihren Pflichten nachgingen. Hier und dort brachten sie saubere Laken, Tücher und Kleidung in die Zimmer, die nun unter Eagles Herrschaft standen. Kein Diener, keine Dienstmagd und keine Wache oder Soldat beklagte sich je über die Arbeit auf der Festung, alle begegneten ihren Befreiern und Rettern mit Dankbarkeit und Demut. Desiderius wusste nicht recht, mit so viel Wohlgefallen umzugehen, ebenso wenig wie Cohen, weshalb sie es größtenteils ignorierten. Sie waren nicht arrogant, nur unsicher in Angesicht solch großer Dankbarkeit, die sie ihrer Meinung nach nicht verdienten. Die Bediensteten und Soldaten schienen ihre Bescheidenheit mit Humor und weiterem Wohlgefallen hinzunehmen. Was aus alledem nur einen Teufelskreis machte.
Vom gewöhnlich zugänglichen Gewölbe, indem sich die Speisekammern befanden, die Unmengen Wein und Getreide beherbergten, gelangte Desiderius in den selten besuchten Teil der Festung, tief im Felsen. Er hing eine Fackel ab und suchte den Weg, der ihm im Traum von dem Schatten gezeigt worden war.
In einem der Bibliotheksräume fand er, wie jeden Morgen, Eagle.
Der junge Rothaarige lag halb auf einem schiefen Tisch mitten in Büchern und Schriften, und schnarchte leise vor sich hin. Der Erbe las sich gern in den Schlaf, gerne auch mitten am Tisch. Desiderius vermutete, dass Eagle in seinem Bett noch keinen Schlaf fand. Verübeln konnte er es ihm nicht, immerhin litt Eagle noch darunter, dass er seine eigene Mutter hatte töten müssen. Verschlimmert wurde Eagles Verlust dadurch, dass niemand auf der Festung das Mitgefühl aufgebracht hatte, ein Begräbnis für seine Mutter zu halten, weshalb Eagle sie allein fernab der Mauern im Gebirge begraben hatte. Cohen war der einzige gewesen, der Eagle an jenem Tag nachgelaufen und ihm beigestanden hatte. So sehr Desiderius Eagle auch liebte, er wollte nicht der Frau die letzte Ehre erweisen, die einen Großteil der Schuld daran trug, dass er seine Heimat hatte verlassen müssen.
Als Desiderius an Eagle vorbeiging, strich er ihm flüchtig über den roten Haarschopf, dann ging er weiter, ohne seinen Herrscher zu wecken.
Es war nicht schwierig, die Stelle aus dem Traum zu finden, Desiderius kannte den Weg. Doch das Licht seiner Fackel traf auf eine Mauer, statt auf eine Tür. Nichts deutete darauf hin, dass hinter dieser Wand ein Gang oder ein Raum verborgen sein könnte. Alles war nur ein Traum gewesen.
Frustriert starrte er die Wand an, als könnte er sie mit Blicken durchbohren oder gar zum Einsturz bringen, doch er bezweifelte, dass dort hinter etwas zu finden wäre.
Ein Geräusch lenkte seine Gedanken von der Mauer und seinem Traum ab. Sein Kopf ruckte herum, als er das leise Plätschern hörte, das wie ein lockendes Flüstern durch die stillen Flure des Gewölbes hallte.
Lächelnd wandte er sich von der Mauer ab und nahm die Fackel mit, um dem verlockenden Geräusch zu folgen. Er ging ein Stück tiefer ins Gewölbe, sah das Flackern anderer Lichtquellen aus einem offenen Raum in den dunklen Gang flimmern.
Der Duft von schweren Blüten wehte ihm entgegen und ließ ihn augenblicklich zielstrebiger vorangehen.
Als Eagle ihnen die unterirdischen Bäder gezeigt hatte, hatten ihre Augen geleuchtet. Das klare, warme Wasser hatte sehr zu Desiderius‘ Genesung beigetragen. Heute brauchte er die Wasserbecken nur noch für vergnüglichere Dinge.
Leise bog er in den Raum ein. Runde Säulen umschlossen das im Boden eingelassene Becken, dessen klares Wasser leichte Wellen schlug. In der Mitte des Beckens befand sich eine Statue, drei Nachtschattenkatzen aus weißen Marmor saßen aufrecht auf einem Podest in einem Kreis, aus deren Münder flossen Wasserfälle, die für stetigen Zufluss frischen Wassers aus dem Gebirge sorgten, ein Abfluss unterhalb der Wasseroberfläche spülte das dreckige Wasser zurück in den Felsen, wo es durch den Berg gefiltert wurde.
Langsam schritt Desiderius am Rand des Beckens entlang, verborgen hinter den schmalen Deckensäulen, der Mosaikfußboden unter seinen Füßen fühlte sich durch den Wasserdampf warm und feucht an. Eine Dienstmagd trat ein und kippte zwei volle Krüge mit heißem Wasser in das Becken. Sie bemerkte ihn nicht, ebenso wenig wie der badende Mann.
»Das war nicht nötig, aber danke«, hörte Desiderius ihn sagen.
Die Dienstmagd lächelte und machte einen vornehmen Knickst. »Stets zu Diensten, Herr.« Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie Desiderius, der gegenüber von ihr halb hinter einer Säule versteckt zu ihr blickte.
Noch bevor sie auf ihn aufmerksam machen konnte, schüttelte er streng den Kopf.
Sie kämpfte mit einem amüsierten Lächeln, als sie sich zurückzog. Glücklicherweise hatte der Badende keine Augen mehr für sie gehabt, und ihre Belustigung nicht bemerkt.
Angeregt beobachtete Desiderius den Rücken des jungen Mannes, der sich allein im Raum glaubte.
Er stand am Beckenrand, mit dem Rücken zur Statue, und rieb seine Arme und Schultern mit duftendem Blütenöl ein, das aus Erfahrung seine Haut seidenzart werden ließ.
Desiderius` Atem ging schwerer, je weiter er zusah. Während die Hände des anderen Mannes an dem geschmeidigen Körper hinabwanderten und das glänzende Öl auf Brust und Bauch verteilten, glitten auch Desiderius‘ Hände an sich hinab, zu dem Fleisch zwischen seinen Beinen, das unter dem Morgenmantel rasch an Härte gewann. Gebannt sah er dabei zu, wie der andere selbst in tiefere Körperregion gelangte und stöhnend den Kopf in den Nacken legte.
Mit einem lüsternen Lächeln ließ Desiderius den Morgenmantel am Rand des Beckens zu Boden fallen und stieg leise in das Wasser.
Cohen zuckte heftig zusammen, als er sich an dessen feuchten Rücken drängte.
»Ich bin es«, hauchte Desiderius ihm rau ins Ohr. Er umschlang Cohen von hinten, sofort lehnte sich der Körper seines Liebhabers an seine Brust und schmiegte sich wie eine glitschige Schlange an ihn, die herrlich nach Lilien duftete.
Der Geruch berauschte die Sinne beider Männer gleicher Maßen.
Trotzdem griff Cohen noch vor dem Austausch von Zärtlichkeiten rasch nach der schwarzen Augenklappe, die direkt neben ihnen am Beckenrand lag, und die für gewöhnlich seine zugenähte leere Augenhöhle und die schräg darüber laufende tiefe Narbe verdeckte.
Es gelang Desiderius, ihn daran zu hindern. Er umfing Cohens Handgelenk und zwang den ausgestreckten Arm zurück, während er versicherte: »Die brauchst du nicht.«
Das Zögern in Cohens Gliedmaßen war deutlich zu spüren und mit bloßem Auge zu erkennen, aber als Desiderius ihm seine Härte in den Rücken stupste, war Cohen bereit, die Augenklappe zu vergessen.
Desiderius führte seine Hände an Cohens eingeölter Brust hinab über das Spiel der strammen Bauchmuskeln bis zwischen seine Beine, wo er Cohens Finger durch seine ersetzte.
»Lass mich dir helfen«, hauchte er ihm heiser vor Lust zu und knabberte an seinem Ohrläppchen.
Cohen ergab sich mit einem leisen Keuchen. Er legte den Kopf schief und fuhr mit den nassen Fingern in Desiderius‘