Der verborgene Erbe. Billy Remie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Billy Remie
Издательство: Bookwire
Серия: Legenden aus Nohva 5
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742739742
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zurechtzuweisen, doch Si`haas hob beschwichtigend eine Hand. »Es sollte ein Kompliment werden, beruhigt Euch. Ganz genau wie ich, wisst Ihr eben einfach, was zu tun ist, um zu bekommen, was Ihr wollt – oder es zu behalten. Aber mal ganz unter uns, Schavellen ging es nie um die Götter. Er mag sich als frommer Mann ausgeben und eng mit Eurer Kirche zusammenarbeiten, doch wie so viele andere auch, nutzt er den Glauben lediglich, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Um die Götter geht es ihm überhaupt nicht. Er denkt nur an Reichtum und Macht, und beides wird ihm von der Kirche verliehen. Deshalb bin ich heute wohl auch hier, nicht wahr? Die Gerüchte drangen bereits bis zu uns durch, Euch laufen die Leute davon. Ihr habt uns aus den Tiefen Wäldern verdrängen können, jedoch berichteten uns unsere Späher, dass die Rebellen den Toten Wald einnahmen. Und sie setzten Dargard immer mehr zu. Ihr habt Recht, wir können uns beide keinen Krieg mehr erlauben, jedoch scheint niemand bereit, die Waffen niederzulegen.«

      Rahff betrachtete Si`haas ärgerlich. »Weshalb seid Ihr eigentlich hier? Ihr redet und redet, doch es kommt nichts dabei herum. Warum hört Ihr mich an, wenn Euer Vater nicht dazu bereit war, an den Verhandlungstisch zu kommen?«

      »Warum seid nur Ihr hier, und keiner Eurer Verbündeten?«, konterte Si`haas. Sein wissendes, arrogantes Lächeln ließ Rahffs Wut heißkochen. »Ich bin hier, weil ich mit den Entscheidungen meines Vaters nicht einverstanden bin. Aber ich bin nicht bereit, klein bei zu geben, wenn es um unser Gold geht. Es ist unser gutes Recht, für die gefährliche Abschürfung und die Ware an sich einen Preis zu verlangen.«

      »Ich bin Euer König!«

      »Da habt Ihr recht«, lenkte Si`haas ein. »Und als unser König ist es Euer gutes Recht, Euch zu nehmen, was Euch zusteht. Doch das hab Ihr nie getan. Ihr habt Schavellen freie Hand gelassen, an unserem Gold wart Ihr jedoch nie interessiert. Ich bin nicht dumm, ich weiß, was Ihr erwartet – und weshalb die Kirche bei den Verhandlungen außen vorgelassen wird: Eure Herrschaft wurde auf dem Rücken der Kirche erbaut, wenn Ihr Euch gegen sie stellt, schmeißt sie Euch einfach ab.«

      Rahff musste gestehen, dass er die Klugheit des anderen Mannes bewunderte. Er stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und legte lächelnd die Fingerspitzen aneinander. »Es ist doch so, Si`haas. Im Grunde ist das, was unsere Götter predigen, genau das gleiche, was Euch Euer Gott predigt.«

      Si`haas schüttelte belustigt den Kopf. »Tun wir doch nicht so, als würden uns unsere Götter interessieren. Ich bin nicht gläubig. Seid Ihr es? Ich denke nicht.«

      »Nichtsdestotrotz sind unsere Völker gläubig, das dürfen wir nicht vergessen«, warf Rahff ein. »Und im Interesse unserer Bevölkerung, sollten wir die Gemeinsamkeiten betrachten, statt die Nichtigkeiten, die voneinander abweichen.«

      »Gemeinsamkeiten?« Si`haas schnaubte amüsiert. »Ihr meint die Frauenunterdrückung, die Verfolgung und Hinrichtung aller Hexen und Magieanwender, das strickte Verbot der gleichgeschlechtlichen Liebe und die Verschmähung unserer Bastarde?« Er lächelte wieder wissend, es wirkte etwas kühler als zuvor. »Ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt. Und mein Vater würde es sicher gerne hören, wäre der alte Mann nicht zu engstirnig, um zu reden. Aber so ist er nun einmal, er ist zu stur, um den Konflikt beizulegen. Glaubt mir, alles, was er will, ist kämpfen bis zum Sieg – oder bis zum Tod.«

      Rahff schüttelte frustriert den Kopf. Zu gerne hätte er auf die Tischplatte geschlagen, den Stuhl an der Wand zertrümmert, gegen die Wand geboxt, bis seine Knöchel blutig waren … Aber er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Die Wut verschlimmerte seinen Schwindel, er musste sich dringend hinlegen. Doch ohne ein Bündnis, würde er nie mehr Schlaf finden.

      »Deshalb wird er wohl in absehbarer Zeit abdanken, wenn Ihr versteht, was ich meine.«

      Hoffnungsvoll blickte Rahff wieder auf. Das gerissene Funkeln in Si`haas Gesicht schenkte ihm die Zuversicht, die er brauchte.

      »Was bietet Ihr mir an, sollte ich widererwarten bald Lord von Gino werden?«

      Rahff wusste genau, was der junge Mann andeutete, und er hatte nicht den Wunsch, ihn an seinem Vorhaben zu hindern.

      »Behaltet Euer Gold, bis auf die Menge, die ich zuzüglich der Steuer erheben werde, und werdet dafür wieder ein Teil des Königreichs«, antwortete Rahff.

      »Und unser Glaube?«

      »Wir lassen Euch den Euren, und Ihr uns den unseren. In ihren Strafen und Regeln unterscheiden sich unsere Religionen ohnehin kaum. Glauben und glauben lassen. Respektieren wir einander, respektieren den Glauben des anderen und die Kultur des anderen.«

      »Als Teil des Königreichs wären wir dazu verpflichtet, Euch im Kampf gegen die Rebellion zu unterstützen, richtig?«

      »Das gehört zu Eurer Pflicht, gewiss. Aber bedenkt auch, dass ich ein Handelsbündnis mit dem Kaiserreich schloss, von dem auch Ihr wieder profitieren könnt.«

      »Es wäre mir also gestattet, mein Gold – außer jener Menge, die Euch als König zusteht – an den Kaiser zu verkaufen, oder gegen andere Ware einzutauschen?«

      »Gewiss, sofern der Handel über mich geht und die Krone einen Teil des Gewinns bekommt.«

      »So wie in früheren Zeiten also«, lächelte Si`haas. »Glücklicherweise wart Ihr diesbezüglich stets ein gerechter König, jedenfalls vor dem Krieg.«

      »In Zeiten des Konflikts werden die Steuern höher, damit ich in der Lage bin, die Truppen aufzurüsten, die für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen«, konterte Rahff.

      »Und was geschieht mit Schavellen, sollte ich mit einem Friedensabkommen einverstanden sein?«

      Vor dieser Frage hatte Rahff sich gefürchtet, doch er konnte die Antwort darauf nicht auf ein anderes Mal verschieben und Zeit schinden, denn in Si´haas Augen las er bereits, dass dieser sich nicht abweisen lassen würde.

      »Nun, Lord Schavellen ist und bleibt ein starker Verbündeter.«

      »Das ist eine unerfreuliche Antwort«, bemerkte Si`haas. »Ich dachte, Ihr würdet ein Bündnis mit mir vorziehen, und dafür Schavellen fallenlassen.«

      »Der Tag mag kommen, da ich ihn nicht mehr brauchen werde«, warf Rahff ein. »Dann können wir dieses Gespräch noch einmal führen. Ihr habt aber mein Wort, das Schavellen nie wieder in Euere Ländereien einfallen wird.«

      »Das ist keine Genugtuung.«

      »Mehr kann ich zurzeit nicht bieten.« Doch Rahff glaubte, es sei genug. Si`haas schien nicht auf Krieg aus zu sein, das machte Rahff Mut. »Es werden bessere Tage kommen, wenn wir die Rebellion zerschlagen haben. Genugtuung können wir uns dann immer noch verschaffen: Aber zunächst muss der Krieg beendet werden. Unsere Völker leiden, die Menschen hungern und sterben auf beiden Seiten. Unzählige Männer, deren Namen und Schicksale wir nicht einmal kennen, fallen für uns auf den Schlachtfeldern, weil Edelmänner wie wir wütend aufeinander sind. Es wurde genug Blut vergossen.«

      Si`haas lehnte sich zurück und starrte mit geschürzten Lippen in seinen Weinbecher, den er langsam drehte. Er wirkte tatsächlich so, als würde er darüber nachgrübeln.

      Lange nachgrübeln.

      »Nun denn«, Si`haas stellte den Becher halbgeleert auf dem Tisch ab und erhob sich plötzlich, »da ist eine Menge, worüber ich jetzt nachdenken muss.«

      »Gewiss.« Auch Rahff erhob sich, langsamer jedoch, ihm tat noch alles weh. Verdammter Blutdrache! »Ich lasse Euch zu Euren Gemächern bringen. Sicher seid Ihr nach der Reise hungrig und benötigt Ruhe.«

      Si`haas winkte überraschend ab. »Danke, aber ich hatte nicht vor, zu bleiben.«

      Überrascht sah Rahff ihm nach.

      Der junge Mann ging zur Tür, die für ihn von den Wachen geöffnet wurde, und drehte sich noch einmal erklärend zu Rahff um. »Ich kam her, um mir anzuhören, was Ihr zu sagen habt, vergebt mir, dass ich mir auch die andere Seite anhören möchte.«

      »Die andere Seite?«, wiederholte Rahff irritiert. Er verstand im ersten Moment wirklich nicht, wovon Si`haas da sprach.

      Er