Von Heimspielen und Ponyhöfen. Wiebke Saathoff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wiebke Saathoff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737595810
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bei mir. Ich bin nicht ganz so jung wie Miley Cyrus und war noch niemals in New York. Bei der Suche nach dem Sturm der Liebe, nach entflammenden Herzen, nach dem Entzünden der Leidenschaft, fällt mir nur noch ein letzter Ausweg ein: das Internet. Es gibt für jeden etwas: für Singles mit Nivea, für Senioren ab 50, für die Elite, für hohe Ansprüche...Ich entscheide mich für die Singlebörse ohne Niveau: Fischkopf.

      Es fällt sofort auf, dass das Wichtigste an der ganzen Sache der Flirtspruch ist. Na klar, es heißt ja auch Singlebörse. Nur anstatt mit Aktien zu handeln, handelt man hier mit Singles. Der Marktwert wird durch den passenden Werbespruch herausgestellt. Dieser soll den potentiellen Käufer der Aktie Single aufmerksam machen. Diese Werbesprüche lassen sich wunderbar kategorisieren.

      Die Kategorie Standardspruch: Der Standardspruch wird immer dann verwendet, wenn Kreativität fehlt. Positiv ausgedrückt heißt das, der Verfasser dieser Zeilen ist bodenständig und verlässlich. Beispiele wären:

      Was soll ich hier schreiben?

      Ich bin ein Fischkopf, hol mich hier raus!

      Wenn du mich gefunden hast, kannst du mich behalten.

      Suche nicht, aber lass mich gern finden.

      Braucht man so was?

      Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle.

      Mann mit Hund sucht Frau mit Herz.

      Wobei dann auch meistens ein Hund mit auf dem Bild ist.

      Kategorie romantisch: Diese Kategorie stellt natürlich die romantische Seite des Verfassers zur Schau. Es könnte aber auch heißen, dass derjenige ein unzuverlässiger Nichtsnutz ist, oder einfach nur bescheuert!

      Beispiele wären:

      Ich hoffe, es hat nicht sehr wehgetan, als du vom Himmel gefallen bist!

      Bist du der Stern, den ich suche?

      Komm, ich nehm dich mit Richtung Sonnenuntergang!

      Kategorie pragmatisch: Weist auf Berufe wie Rechtsanwalt oder Verwaltungsfachangestellter im öffentlichen Dienst hin.

      Beispiel:

      Wenn du meine Ansichten teilst, dann würde ich dich gerne kennenlernen.

      Kategorie Lebensweisheit: Hier findet man jemanden, der Ahnung hat. Vom Leben, von der Liebe, von allem einfach. Achtung: Wer so viel weiß, ist oft gefährlich!

      Beispiel:

      Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.

      Kategorie pissig: Es offenbaren sich geschundene und traumatisierte Herzen! Nur in Betracht ziehen, wenn man selber Psychotherapeut ist!

      Beispiele:

      Lieber ein Zuckerpüppchen als ein keifiges dominantes Mannsweib!

      Eure Arroganz und Einbildung kotzt mich nur noch an!

      Kategorie Witz: Humor ist, wie jeder weiß, der richtige Weg zum Herzen jedes Liebesuchenden. Also, Hut ab, gefickt eingeschädelt!

      Beispiel:

      Doktor, die Pillen, die Sie mir verschrieben haben, sind wunderbar! Ich mach zwar immer noch in die Hose, aber jetzt macht es Spaß!

      Kategorie total lustig: Hier wird noch mal einer drauf gesetzt. Wenn Humor nicht reicht, dann doch bitte extreme humoring. Diese Kategorie weist die höchste Erfolgsquote auf! Also ist hierzu unbedingt anzuraten!

      Einige Beispiele:

      Das Leben ist wie ein Furz, wenn man es erzwingt kommt nur Scheiße raus.

      Ich poppe nicht Rum, ich trink den lieber!

      Leg dich hin, wir müssen reden!

      Ich bin alleinstehend, aber nachts lege ich mich hin!

      Liebe ist ne tolle Krankheit, da müssen gleich zwei ins Bett.

      Ich brauche keinen Sex, das Leben fickt mich jeden Tag!

      Lieber ne tolle Affäre als ne miese Beziehung!

      Nach monatelangem Verhandeln bieten sich mir am Ende folgende Optionen:

      Option 1: Nickname kommdoch59, 59, 2 Kinder, Hobbys Trecker und Rollenspiele, für ihn ist ein geringer Schulabschluss kein Problem

      Option 2: Urostfriese, 63, ohne Bild, kommt aus Leer. Er mag ehrlich, treu, natürlich, Schlager und ist geschieden. Er mag nicht Raucher, Alkis und Lügner.

      oder Aktienpaket 3: Hotlover, Alter undefiniert, arbeitet bei einem Autohersteller im Schichtdienst und hört Heavy Metal, mag Heavy Metal. Und Golf GTI.

      So, liebes Herzblatt, nun müssen Sie Sich entscheiden, nehmen Sie den perversen alternden Lustbold, den trockenen Alkoholiker oder den VW Boy auf dem Highway to hell?

      Ich stelle fest, dass bei dieser Auswahl das Schützenfest in Loppersum eine gute Alternative ist. Da kann man sich die Männer schön saufen, und wenn das nicht klappt, dann kann man da immerhin eins: saufen. Und Miley Cyrus hören.

      Bäng! Bumm! Krawumm!

      Seit ein paar Wochen hatte ich meine erste eigene WG, zum ersten Mal war ich in einer fremden Stadt gelandet, hatte mich losgerissen aus meinem Heimatdorf Loppersum, um in der Großstadt Oldenburg mein Glück zu suchen. Und wir reden hier von Oldenburg in Oldenburg, nicht von Oldenburg im Kreis Ostholstein!

      Noch ahnte ich nicht, welche Gefahren eine Metropole dieses Ausmaßes in sich birgt, voller Zuversicht schlenderte ich mit meiner Mitbewohnerin Katrin und jugendlicher Dorfnaivität durch die Straßen der Stadt. In Loppersum gab es sehr wenig zu Schlendern, Loppersum hatte zu seinen Glanzzeiten eine Post, einen Edekaladen und den kulturellen Treff "bei Enno", von denen nur noch die wichtigste Institution übrig gebelieben ist - Enno's abgeranzter Generationentreff.

      Hier konnte man auch 20 Jahre später so feiern wie früher, natürlich wechselte die Häkelgardine ihre Farbe von strahlend weiß zu popelgelb und der Linoleumfußboden verschwand an einigen oft betretenen Stelle, gerade zum Eingangsbereich der Raucher- und Hartschnapsabteilung, aber ansonsten konnte man hier die Utopie widerlegen, dass früher alles besser war. Die perfekt in Szene gesetzte Inszenierung des Stillstandes anhand der verstaubten Inneneinrichtung ließ dem Betrachter keine Zweifel, dass früher alles genauso scheiße war wie jetzt. Oldenburg dagegen stellte sich sehr modern dar, es gab einen Mc Donalds und ein H&M, mittlerweile auch sogar Burger King! Hamma!

      Nach stundenlangem Geschlendere begaben wir uns also zur Hauptbushalte "am Lappan". Die war zwar ein wenig größer als die in Loppersum, allerdings hingen hier auch eine ganze Menge Fast-Jugendliche rum. Das kannte ich aus meiner Heimat, wo sich die Jugend rebellisch den Dorfregeln entzog, indem sie nicht "bei Enno" einkehrte, sondern ihren Jägermeister schön an der Bushalte leerte. Es gab mir ein heimeliges Gefühl.

      Aber nicht lange. Ein kleines zartes blondes Mädchen mit Pferdeschwanz und rosa Hello-Kitty-Haarspange gesellte sich zu uns. Ihr fragendes Gesicht zeigte an, dass sie an einem Gespräch mit mir interessiert war. Vielleicht hatte es ihre Mutter verloren oder es wusste nicht, in welche Buslinie es einsteigen sollte. Sie fing an zu sprechen: "Ey, Alte, willste was auf die Fresse?!"

      Ich musste ganz schön lange überlegen, um diese Frage beantworten zu können. Eins auf die Fresse oder nicht....eine schwierige Entscheidung. Nachdem ich in mich gegangen war, merkte ich doch, dass ich lieber nichts auf die Fresse wollte. Dennoch es war trotzdem nett von ihr, sich anzubieten und da ich nicht unhöflich sein wollte erwiderte ich: "Willst du was auf die Fresse?"

      Sie wollte nicht, das merkte ich daran, dass sie einfach ging. Schade. Aber sie war nicht das einzige Mädel, was Interesse an uns zeigte. Ein dunkelhaariges, etwas größeres Modell trat hervor und verpasste meiner Mitbewohnerin, übrigens im ersten Semester interkulturelle Pädagogik, einen freundschaftlichen Kick in den Hintern.

      Katrin