Die Partisanen. Elle West. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elle West
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738084498
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zu, griff sich einen weiteren Koffer, zog sich seinen Mantel an und verließ das Hotelzimmer. Er hatte bei seiner Ankunft und der Buchung einen Namen angegeben, der vermutlich nicht existierte und alles in bar bezahlt. Der Namen, den er angegeben hatte, würde den Russen nur Rätsel aufgeben und sie nicht auf seine Spur führen. Um sich nicht durch die Potiers verraten zu lassen, veränderte er, noch während er mit dem Fahrstuhl hinunter zur Haupthalle fuhr, sein Äußeres. Er nahm den unechten Schnauzbart ab, ließ das falsche Gebiss in seiner Manteltasche verschwinden und entfernte das Toupet von seiner Glatze. Als er eingecheckt hatte, tat er so, als wäre sein linkes Bein verletzt gewesen und war auffällig gehumpelt. Auch hatte er eine unförmige Brille getragen, die er nicht gebrauchen konnte, da seine Augen hervorragend waren. Nun, wo er weder den unechten Bart, noch der restlichen Verkleidung ausgesetzt war, fühlte er sich wohler. Er fuhr sich mit der Hand über den kahl geschorenen Kopf und betrachtete sich in der Tür des Fahrstuhles. Er konnte nichts Deutliches ausmachen, nur ein braunes Gesicht und eine kräftige Schulterhaltung. Orlando blickte an die Decke des Lifts und wunderte sich erneut, dass man es versäumt hatte, Kameras zu installieren. Ihm selbst gereichte dies nun zum Vorteil, aber es wäre auch nicht viel umständlicher gewesen, hätte er seine Verkleidung schon im Hotelzimmer ablegen müssen.

      Als er aus dem Fahrstuhl trat und sich in die Lobby begab, wunderte er sich, dass die Zeit ihm noch nicht davon gelaufen war. Er hatte sich immerhin nicht selbst zur Eile angehalten und stattdessen alles mit innerlicher Ruhe und geübtem Routineverhalten erledigt. Nun setzte er sich in die Lobby, schlug eine englische Tageszeitung auf und blickte über den Rand hinweg auf die Eingangstüren.

      Es dauerte nicht lange und die russischen Begleiter Ristovas stürmten in die Halle. Die Männer hielten ihre Schusswaffen zwar nicht in den Händen, aber Orlando fand, dass es nicht zu übersehen war, dass sie welche besaßen. Er hörte einen Mann auf Russisch Anweisungen erteilen: „Ihr drei nehmt die Treppe! David und Georg, zum Hintereingang! Und ihr anderen durchsucht die Flure!“ Er selbst drückte den Knopf des Aufzuges und wartete, während seine Männer ausschwärmten.

      Orlando wartete geduldig, bis der Aufzug seine Türen öffnete und der Russe dahinter verschwand. Dann erst erhob er sich und verließ das Hotel. Eigentlich hatte er erwartet, vor dem Hotel auf weitere Russen zu treffen, aber offensichtlich hatten diese an ihre Vorbereitung zur Suche nicht allzu viel Zeit verschwendet. Es war nicht zu verkennen, dass keiner von ihnen mit einem Mordanschlag auf ihren Boss gerechnet hatte. Orlando hatte sie überrascht und durfte nun die Vorzüge seines Erfolges genießen.

      London war eine Stadt, die im Gegenteil zu seiner Heimat Santander, Spanien, stand. Während Santander den atlantischen Ozean und stetige Wärme zu bieten hatte, hatte London Kühle und die dreckige Themse. Orlando spottete nicht über diese Stadt, er genoss die Unterschiede vielmehr. Eines der Vorteile eines Kriminellen, war es, die Welt bereisen zu können. Orlando war den Kulturen und Sitten gegenüber stets tolerant und schickte sich an, die Sprache eines jeden Landes, das er bereiste, zu erlernen. So beherrschte er neben seiner Heimatsprache auch Französisch, Russisch, Deutsch, Englisch und Arabisch. Jedoch nicht alle gleich gut. Während es ihm leicht gefallen war, Russisch und Arabisch zu erlernen, hatte er sich besonders mit Deutsch und Französisch schwer getan und beherrschte Letztere noch immer nicht fließend. Vermutlich gab es dafür nicht einmal einen besonderen Grund, denn er drückte sich in jeder Sprache gleich gerne aus. Natürlich gab er dem Spanischen einen gewissen Vorzug, aber er war nicht annähernd so patriotisch, wie sein Vater es wünschte.

      In vielerlei Hinsicht entsprach Orlando nicht den Wünschen seines Vaters. Dieser hätte seinen durchaus sehr klugen Sohn gerne mit einer liebevollen, aber naiven Frau verheiratet gesehen, denn er schätzte die Familie überaus. Orlando hingegen konnte sich auch in ferner Zukunft keine Ehe vorstellen. Vielleicht lag es daran, dass er sein Leben genoss, wie es war, vielleicht konnte er sich auch nur nicht vorstellen, einer Frau zu begegnen, die ihm ebenbürtig war oder ihn sogar überragte. Orlando liebte Herausforderungen, nicht nur bei Frauen, und musste sich deshalb nicht selten den tadelnden Blick seiner Mutter aussetzen und ihre Vorwürfe anhören, er sei halsbrecherisch und zu mutig. Ihm machte es nichts aus, auch wenn er sich selbst nicht so sah. Eigentlich war ihm sehr an seinem Leben gelegen, da es Menschen gab, die davon abhängig waren. Sein Leben war aus vielen Perspektiven zu betrachten, doch es spielte in jeder Perspektive eine gewichtige Rolle.

      Während Orlando sich von der Themse entfernte und auf die Londoner Innenstadt zuhielt, fragte er sich, wie sein Vater reagieren würde, wenn er ihm mitteilte, erneut in den Irak reisen zu wollen. Wahrscheinlich würde er sich nun nicht mehr erzürnen, da er plante mit der amerikanischen Mafia in Verhandlung zu treten. Orlando hoffte nur, sein Vater wolle nicht mit ihm reisen, denn er selbst hatte im Irak viele Dinge zu erledigen, von denen seine Eltern nichts wussten.

      Während Orlando sich einem eher herunter gekommenen Viertel von London näherte, kreisten seine Gedanken um seine Familie. Er hatte vier Schwestern und einst hatte er auch einen Bruder gehabt, doch dieser war in jungen Kinderjahren an einer Lungenentzündung gestorben. Seither behandelte Alejandró seinen nun einzigen Sohn mit übertriebener Strenge. Orlando entzog sich seinem festen Griff jedoch immer wieder. Er liebte seine Familie und war bereit, beinahe alles für ihr Wohlergehen zu opfern. Allerdings ließ er sich nicht niemals in seiner Persönlichkeit einschränken, nur um seinen Vater zu gehorchen. Und sein individuelles Moralempfinden ließ er niemals durch seine Handlungen in Zweifel ziehen. Die Moral und das Ehrgefühl seines Vaters waren jedoch sehr unterschiedlich zu seinen eigenen. Orlando gab sich ihm zuliebe stets zurückhaltender und naiver als er war. Er verriet seinem Vater nicht, welche Geschäfte er ohne sein Wissen abwickelte, und verheimlichte ihm, einen großen Teil seines wahren Ichs. Er wollte seinen Vater nicht belasten und keinen Streit zwischen ihm und seiner Mutter heraufbeschwören. Würde er die meiste Zeit in seinem Elternhaus verbringen, hätte er ein solches Versteckspiel allerdings nicht lange ausgehalten, aber durch seine vielen Reisen und sein eigenes Haus in der Heimat, wich er ihnen einfach aus, wenn es ihm zuviel wurde. Dennoch hatte man als Erbe eines spanischen Dons einige Aufgaben zu erfüllen, denen man sich nicht entziehen konnte. So musste Orlando in der Heimat stets auf sein Auftreten achten, da er seinen Vater unter keinen Umständen blamieren durfte. Der Zusammenhalt einer spanischen Familie war groß und die Kinder hatten sich stets ihren Eltern unterzuordnen, auch wenn sie, wie Orlando, bereits die Volljährigkeit überschritten hatten. Orlando hatte als Junge gehofft, dass sich der Griff seines Vaters lockern würde, wenn er erst mal ein erwachsener Mann wäre. Nun, wo er bereits 29 war, wusste er, dass sich sein Vater diesbezüglich vermutlich niemals ändern würde.

      Während er seinen Gedanken nachgegangen war, hatte er kaum bemerkt, dass er bereits sein Ziel erreicht hatte. Er schüttelte über sich selbst den Kopf. Würde man ihn verfolgen, er hätte es nicht bemerkt, da er zu sehr mit der eigenen Familie beschäftigt gewesen war.

      Orlando trat in den Hausflur und wartete dort einige Minuten. Vielleicht hatte man ihn tatsächlich verfolgt. Er wollte nur sicher gehen, dass er nicht wegen seiner Unvorsicht bestraft würde und damit vielleicht auch noch seinen Bekannten in Gefahr brächte. Als nach etwa zehn Minuten noch immer niemand im Treppenhaus auftauchte, ging Orlando die Treppen bis zum vierten Stock hinauf.

      Das Treppenhaus stank sowohl nach Rauch, als auch nach Fäkalien. Orlando hätte niemals in einem solchen Haus leben können, denn dazu liebte er den Luxus wohl doch zu sehr. Zwar hatte er nichts dagegen in der Wildnis unter dem freien Himmelszelt zu nächtigen und sich sein Essen in der Natur selbst zu besorgen, aber dies erschien ihm vergleichsweise ebenfalls ein großer Luxus zu sein, den er schätzte. In einem stinkenden Haus wie diesem jedoch, wurde er sich eingesperrt und schmutzig vorkommen und dies war auf Dauer nicht zu ertragen.

      Orlando klopfte drei Mal kurz hintereinander und klingelte danach fünf Mal in kurzen Abständen. Dies tat er nicht, weil er aufdringlich war, sondern damit der Bewohner der kleinen Wohnung wusste, dass ein Verbündeter vor der Tür stand.

      Es dauerte nicht lange und die Tür wurde von einem kleinen, dicken Mann geöffnet. „Kenne ich Sie?“, fragte der Mann unfreundlich und auf Arabisch. Es wirkte misstrauisch. Seine Augen huschten nervös hin und her, als erwarte er, dass sein Gegenüber nicht alleine gekommen war, wenngleich er bereits durch dessen Statur eingeschüchtert war.

      Orlando lächelte. „Du wohl nicht.“,