Diese Meldung schlägt wie eine Bombe ein. Es ist klar, die Einladung gilt für die Boxen des Jon Franklin Racing Teams, das ist sie sich als Amerikanerin, welche vorgibt, wie eine Argentinierin zu denken, schuldig. Vor der Box gibt es einen Volksauflauf. Die Polizei wird aufgeboten, es müssen zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Die Leute ohne direkte Einladung der JFRT-Box werden gebeten, sich zu entfernen. Danach wird es ruhiger. Die Reporter beginnen das Team abzuschirmen. Madonna gehört allein ihnen. Bob sucht verzweifelt nach Madonna-CDs. Durch die strickte Begrenzung der Besucherzahl kann das Mechanikerteam einigermassen ruhig arbeiten. Sie müssen ihre zwei Boliden startklar zu machen. Heute ist man nicht auf die Masse der Besucher angewiesen, heute zählt die Qualität. Bis zum Trainingsbeginn ist alles vorbereitet, der Star kann kommen.
Ungeachtet des Rummels gehen die Boliden als drittes Team auf die Strecke und drehen ihre ersten Runden. Die Zeiten sind nicht berauschend, sie liegen aber sicher innerhalb der 107-Prozent-Limite. Die ersten Dreher verlaufen glimpflich. Mick und Ted kommen rein und Mark gibt den Mechaniker seine Entscheidungen, welche er nach den kurzen Gesprächen mit den Fahrern getroffen hat, bekannt. Die Mechaniker beginnen einige Einstellungen zu verändern. Jeff betrachtet auf dem Computer die Ausdrucke des Motors und verändert ebenfalls einige Werte.
Die Mechaniker geben soeben das Zeichen, dass alles soweit erledigt ist, als ein Reporter ruft: «Sie kommt!»
Es ist schon erstaunlich, wie eine Person mit ihrer Persönlichkeit die Aufmerksamkeit auf sich lenken kann. Innert Sekunden sind alle andern Personen nur noch Statisten. Madonna entsteigt nicht dem schwarzen Mercedes, nein, sie entschwebt ihm. In ihrem Evita-Kostüm schreitet sie der Boxenstrasse entlang. Die Bodyguards, unterstützt von der Polizei, verschaffen ihr einen Durchgang durch die Menschenmenge, welche sich plötzlich nicht mehr für das Training interessiert.
Andi bekommt weiche Knie. Er ist eigentlich kein grosser Madonna-Fan, trotzdem ist er nervös wie ein Schuljunge bei seinem ersten Date.
Wird sie ihn auch begrüssen? Immerhin ist er ja der Gastgeber, denkt er für sich. An die Fotografen hat sich Andi inzwischen schon gewöhnt. Die letzten zwei Tage ist er so oft fotografiert worden, wie bisher in seinem ganzen Leben, aber was jetzt vor der Boxe abläuft, so etwas hat er wirklich noch nie erlebt, die Reporter sind kaum noch zu halten. Inzwischen verschaffen sich die Bodyguards eine Gasse durch den Sperrring, um die JFRT-Boxe zu erreichen. Jetzt steht Andi Madonna direkt gegenüber und sie schreitet direkt auf ihn zu.
«Hallo Andi, schön dich kennen zu lernen!», flötet sie und eh Andi etwas sagen kann, fällt sie ihm um den Hals und küsst ihn, als ob sie sich schon jahrelang kennen würden. Andi wird es ganz heiss, denn ihre betörende Figur ist durch das leichte Kostüm deutlich zu spüren. Der Kuss dauert für Andi eine Ewigkeit und noch immer macht Madonna keine Anstalten, die Umarmung zu lösen und er kann sich doch nicht zurückziehen, trotzdem ist ihm die Sache peinlich, pausenlos klicken die Fotoapparate und surren die Kameras.
«Heisser Body», stellt Madonna fest und streicht Andi über seine muskulöse Schulter. Nun sieht Andi in ihre strahlenden Augen, welche in begeistert mustern. Er scheint ihr zu gefallen. Eine Situation, welche Andi erröten lässt.
«Ich heisse sie im Namen des ganzen Teams herzlich willkommen!», erklärt Andi etwas steif, aber immerhin scheint er seine Fassung langsam wieder zu finden und erwidert dabei ihr charmantes Lächeln.
Nicht jedes Teammitglied wird so stürmisch begrüsst wie Andi, was besonders Bob nicht verstehen kann, denn ihm schenkt die Diva kaum ein Lächeln. Am schwersten ist es für die beiden Piloten, den sie sollten eigentlich raus, das Training läuft, wenn auch praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn, auch die hartgesottenen Rennjournalisten interessiert zur Zeit nur Madonna. Sie öffnet ihre Handtasche und schminkt sich ihre Lippen so richtig knallig rot. Danach beugt sie sich zu Mick herunter und gibt ihm einen Kuss auf den Helm, dass ein schöner Kussmund zurückbleibt. Jetzt signiert sie noch mit dem Lippenstift. Bei der ganzen Prozedur beugt sie sich soweit nach unten, dass die Fotografen, welche das Glück haben, am richtigen Ort zu stehen, ein tiefer Einblick bis weit über die Brustwarzen hinaus erhalten. Das Schauspiel wiederholt sich bei Ted.
Als sie den Ersatzwagen sieht, zieht sie ihr Kostüm etwas hoch und zeigt sehr viel Bein, dann zwängt sich barfuss in das enge Cockpit.
«Ich darf doch?», fragt sie unschuldig, wartet aber die Antwort gar nicht ab. Wieder gibt es für die Reporter traumhafte Aussichten. Ein Sujet, wie man es nur alle zehn Jahre vor die Linsen bekommt.
«Interessieren sie sich für technische Details?», fragt Andi, «hoffentlich nicht, den ich weiss praktisch noch gar nichts.»
«Wenn sich ein schöner Mann um mich kümmert, reicht das», stellt sie fest und geht zur Boxenmauer, «Darf ich?»
Ohne die Antwort abzuwarten hält sie die Tafel raus. Dann nimmt sie die Tafel noch einmal kurz rein und schreibt mit Kreide, Viel Glück, Madonna! darunter malt sie ein grosses Herz.
Die nächste Viertelstunde wird keine einzige gute Zeit erreicht, alle fahren viel zu langsam an den Boxen vorbei, dass es für eine gute Runde reichen würde.
Andi und Neil ziehen sich mit Madonna in die Vip-Lounge der Grand Prix Strecke zurück. Diese ist vom Rennleiter zur Benutzung angeboten worden. Nun kann das Training störungsfrei, wenn auch ohne grosse Beachtung durch die Presse, zu Ende gebracht werden. Andi hat vom Training nichts mehr mitbekommen, auch wenn man in der VIP-Lounge bestens informiert wird, Madonna lenkt ihn zu stark ab.
Nach einer Stunde verabschiedet sich Madonna. Andi ist erleichtert, nun wird es an den Boxen ruhiger. Endlich kann er sich bei Mark Nelson erkundigen, wie das Training gelaufen ist.
«Alle Wagen sind heil aus dem Training gekommen, das ist das Wichtigste. Der fünfzehnte Platz von Mick ist in Ordnung. Die Zeit von Ted dagegen ist eine grosse Enttäuschung, er kommt mit der rutschigen Strecke nicht zurecht. Er liegt sogar noch zwölfhundertstel über der 107% Marke auf dem letzten Platz. Es wird für ihn sehr hart werden, sich für das Rennen zu qualifizieren.
Gegen sechs Uhr trifft Andi mit Neil und den beiden Fahrern im Hotel ein. Er hat einige Probleme durch die Halle zu kommen. Dutzende von Mikrofone werden ihm entgegengestreckt. Wenigstens bricht er jetzt, wenn er Auskunft gibt keinen Vertag mehr. Er hat keine Zeit, denn nach einem Schnellimbiss will er sofort zu den Mechanikern an die Boxe.
Im Zimmer schaut Andi die zahlreichen Faxe durch. Da ist einiges in Bewegung geraten. Die verschiedenen Banken geben ihre aktuellen Kontostände durch, Reporter fragen nach Interviewterminen, Lieferanten von Teilen fragen an, ob die Bestellungen noch gelten und das Montagewerk in der Nähe von Miami fragt an, wie es weiter geht. Am meisten freut ihn aber der Fax von seinem Vater:
Lieber Andi!
Ich bin stolz auf Dich. In fast allen europäischen Zeitungen gibt es einen Artikel über Dich. Du bist jetzt schon bekannter, als ich es je war. Die Reporter sind sehr neugierig, wenn Dir auch die Meisten nicht viel Kredit einräumen. Sie erwarten das Ende des Teams noch vor Saisonmitte. Warten wir's ab.
Bei den Bankgeschäften läuft es gut. Es sind noch einige Aktiven vorhanden. Wenn Du nach Europa kommst, können wir uns treffen und ich werde Dir alles genau erklären lassen. Jetzt ist alles so organisiert, dass kein Geld ausbezahlt wird. Die Leute, welche Geld zugute haben sind informiert, dass es wegen dem Besitzerwechsel etwas länger dauert.
Nun hängt alles von Dir ab. Das Team braucht Erfolge.
Viel Glück, Dein stolzer Papa.
Ein Lächeln huscht über Andis Gesicht. Er freut sich echt über diesen Fax. Was wird Papa erst Morgen denken, wenn er mit Madonna auf dem gleichen Bild zu sehen ist?
Er ruft Neil in seinem Zimmer an: «Hallo Neil, kannst du Ordnung in die vielen Faxe bringen. Ich verstehe nichts davon.»
«Kein Problem, ich schau vorbei.»
Eine