„Verzaubert sind Deine Pantoffeln ja, wahrscheinlich irgend eine Art von Verwesungszauber innen drin...“, setzte er noch eins drauf.
„Das ist nicht zum Spaßen, Bernie“ sagte der Gepiesackte, mit einer leichten Spur aufkeimenden Zorns in der Stimme.
Bernie aber war gerade richtig in Fahrt: „Ich könnt meine Oma fragen, ob sie Dir ein Wämschen nähen kann und ein Stöckchen hast ...“
„Bernie, hör auf damit!“ rief Peter, mit gerötetem Kopf und jetzt wirklich etwas wütend, das war dann doch ernst zu nehmen.
„Ist ja schon gut Peter, was ist denn los?“ fragte Bernie, der seinen Freund gar nicht so kannte.
„Es ist nur ...“, „ich wünschte mir ...“, druckste Peter, während er dabei verlegen mit einem Fuß hin und her wackelte, herum. Offensichtlich fiel es ihm schwer, darüber zu reden.
„Vielleicht holst Du erst mal noch` n Fläschchen Wein aus dem Keller?“ schlug Bernie vor. Mit einem guten Gläschen Wein vor sich, fiel Peter das Reden leichter, das wußte er aus mannigfacher Erfahrung.
Während Peter, der diesen Vorschlag sogleich freudig annahm, unten im Weinkeller eine geeignete Flasche in den verstaubten Regalen suchte und sich dabei viel Zeit ließ, in der Hoffnung Bernie hätte seine nervige Frage vergessen, bis er wieder in der Küche erschien, überlegte sich dieser in der Zwischenzeit, was Peter wohl haben könnte. „Vielleicht hat er Komplexe, weil er so groß ist und wünscht sich, er wäre kleiner, so klein vielleicht, wie der Muck in dem Märchen?“ dachte er sich. „Hm, ist wohl doch zu abwegig“.
Aber genau so war es! Nach dem zweiten oder dritten Glas Wein rückte Peter endlich raus mit der Sprache. „Die Menschen starren einen immer so an, wenn man so groß ist wie ich. Immer fall ich auf. Ich kann mich nicht einfach in der Menge verstecken, weißt Du“, erzählte er.
„Und das würde ich manchmal echt gern, wenn ich mal wieder so ungeschickt war!“ erklärte Peter, kleine Tränen in den großen, gutmütigen Augen.
„Aber so schlimm ist es doch wirklich nicht, was Du so anstellst, Peter“ tröstete er ihn, wobei er kurz den abstürzenden Ballon und das verdutzte Gesicht des darin befindlichen Mannes vor sich sah, „und Du machst es ja nicht mit Absicht...“, ergänzte er laut - „... nur mit Wein“, dachte er still bei sich und hätte sich zur Strafe fast verschluckt.
Es war schon später am Abend, als sich Bernie darauf zurück besann, warum er sich überhaupt mit Peter getroffen hatte. Vor lauter armer Muppel und „kleiner Muck“ - Syndrom hatten sie doch fast vergessen, das der Märchenwald und die vielleicht darin wandelnden Wesen ihr eigentliches Thema hätten sein sollen.
Peter steckte sich eine von seinen stinkenden Qualmstengeln an. Das war ein sicheres Zeichen dafür, das ihm bereits wieder der Wein zu Kopf stieg. Auch Bernie selbst merkte langsam, wie er zunehmend beschwipster wurde.
„Das kann nur ein Zauberer gewesen sein, den Du da gesehen hast Bernie, hicks. Ich ka.., ich kenne die aus meinem Computerspiel! Die sehn da immer so aus. Genauso wie der! Alle immer mit gaaaanz langem Bart!“.
„Und er hat mir zugewunken! Aber wenn er echt war, warum hat er dann nicht mit mir geredet?“ meinte Bernie nachdenklich, die in Falten gerunzelte Stirn knapp über seinem Weinglas balancierend.
„Vielleicht war es doch ein bißchen zu warm für deinen Kopf, Bernie, hicks, ....?“.
„Du meinst, ich hätte vielleicht doch hazulliniert, äh halluzifiert oder wie das heißt, hicks?“
„Möglich wär’s wohl ...“. So debattierten die Beiden noch eine geraume Zeit lang und kamen doch zu keinem rechten Ergebnis.
Aus dem klitzekleinen Fläschen, das sich die Beiden gerne noch gönnen wollten, wurden dann doch noch ein paar mehr und die Diskussion verlor letztlich etwas an Qualität, sodass hier nicht alles wiedergegeben werden soll. Wir blenden uns daher zu etwas späterer Stunde erneut ein, in der sich die Unterhaltung auf ein noch ein wenig tieferes Niveau hinab begeben hatte: „Hicks, Bernie, altes Warzenschwein, hicks...“, lallte Peter mit glasigen Augen „ich sag Dir was wirklich geil wäre, hicks ...“. Bernie, der sonst selten mehr als zwei, drei Gläschen trank, mit dem Wein- erprobten Peter nicht mithalten konnte, schielte seinen Freund fragend an.
„Weißt Du was man können müßte, hicks?“ meinte Peter. „Waaaas?“ brachte Bernie mühsam hervor.
„Man müßte zzzaubern können!“ sagte Peter entschlossen und erhob sich kurz von seinem Stuhl, um dieser Aussage mittels seiner puren, schwankenden Körpermasse den nötigen Nachdruck zu verleihen.
Sofort erinnerte sich Bernie an seinen größten Wunsch aus Kindheitstagen zurück. Ja, zaubern können, wer wollte das nicht gern? Er hatte es selbst oft genug versucht, aber er konnte es nicht den Gestalten gleichtun, die er aus den Büchern kannte: Aladin mit der Wunderlampe, Merlin, Gandalf, Dumbledore und wie sie alle hießen und der Phantasie von Barden, Märchenerzählern und Dichtern entsprungen waren. Aber sie lebten damals mit ihm, sie berieten ihn in schwierigen Situationen, sie lachten und weinten mit ihm, sie waren sein Trost, seine Hoffnung, seine Liebe. Doch dann, unmerklich fast, niedergezwungen, verbannt und vertrieben von den kleinen Grausamkeiten des Alltags, waren sie eines Tages verschwunden gewesen. Als er sie am meisten brauchte. Als er am einsamsten war. Da merkte er, wieviel Kraft sie ihm gegeben hatten. Er konnte nicht zaubern, aber diese Phantasiegestalten waren selbst wie ein mächtiger Zauber. Er wollte sie wiederhaben, sie zu neuem Leben erwecken. So hatte er die alten Bücher erneut hervorgeholt und gelesen und hatte sich diese Quelle wieder erschlossen. Allerdings hatten diese Bücher auch eine Art Nebenwirkung, wie sie unter Umständen auch gute, heilende Medikamente sonst manchmal haben: Er fing an zu phantasieren, auch er könne mit genügend Willenskraft zaubern, wenn er nur zu hundert Prozent davon überzeugt wäre, das ihm dies gelänge. „Ich denke, also bin ich!“. Wenn so etwas möglich ist, dieses Leben, diese Existenz als selbstverantwortliches Staubkorn in dieser riesigen Galaxie, dachte er sich, dann sollte es eigentlich auch möglich sein zu zaubern. Überrascht war er gewesen, als er gelesen hatte, dass er diese Vorstellung mit fast einem Drittel seiner Landsleute teilte. Doch so sehr er sich auch anstrengte, beispielsweise Nachts ein Licht an seine Zimmerdecke zu zaubern, oder ein Streichholz mittels geistiger Kräfte zum Schweben zu bringen, nichts geschah. Natürlich war er, zusätzlich motiviert durch die belebende Wirkung des Weines, bezüglich Peters spontaner Aussage sofort Feuer und Flamme.
Und er war nicht die einzige Person im Raum, die Peters Wunsch gehört hatte.
„Ich kann zzaubern, hicks ...“, tottelte Bernie und erhob sich ebenfalls kurz von seinem Stuhl. Der Wunsch, als Vater des Gedankens, half ihm hoch.
„Sicher ... , Du kannst zzzzaubern, hicks. Der große Zzzzzauberer Bernie, ha ha, Ha!“ lachte Peter.
„Doch wirklich, ich kkkann zaubern, wart’s nur ab ich zeig‘ s Dir ...“ und er schwang seine langen Arme geheimnisvoll durch die Luft, wobei er Peter fast auf die Nase getroffen hätte.
„Was zzzauberst Du denn, Bernie?“ fragte Peter, jetzt doch mit leichter Unsicherheit in der Stimme.
„Ich, hicks – ich, hicks, ich laß Dich jetzt ssschweben!“ lallte Bernie. Er versuchte Peter anzufixieren wie ein Schlangenbeschwörer ein potentielles Opfer seines unbeugsamen Willens.
„Hebus Peterius!“ beschwor er mit fuchtelnden Armen, wobei er eine der leeren Weinflaschen vom Tisch fegte. Scheppernd fiel sie zu Boden, ohne dabei zu zerbrechen.
„Ha, ha, ich schwebe ja gar nicht, hicks“, freute sich Peter.
„Wwwar nur die fal..., die fal..., die verkehrte Zzzauberformel ...“, tat Bernie geheimnisvoll „wwwarte, gleich ha, hab ich’ s ...“, lallte er.
„Bist Du doooooof!“
„Aber jetzzzzztt...“. Bernie nahm einen dritten Anlauf. Die unsichtbare Person im Raum