Reitschuster und das Phantom. Frank Röllig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Röllig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738001662
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raubte das Geld und war im Nu verschwunden. Soweit der Tathergang. Was ich herausgefunden habe, sage ich dir nach der Auswertung aller Spuren. Du siehst, wir sind noch zu Gange.“

      Stone wendete sich ab und verschwand in der Tankstelle.

      „Obermayr, wo ist denn die Mitarbeiterin?“, fragte Schaller. „Die ist im Rettungswagen. Das alles hat sie ziemlich mitgenommen. Das Rettungsteam hat ihr eine Infusion und ein Beruhigungsmittel verabreicht.“

      Schaller ging zum Rettungswagen, um sich über die körperliche Verfassung der Zeugin zu informieren. Als er für eine erste Befragung ein Okay bekam, ging er zu der Frau.

      „Guten Tag, Frau Lange. Mein Name ist Schaller von der Kriminalpolizei Krumbach. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen, wenn es Sie nicht zu sehr belastet?“ Schaller wollte sehr behutsam vorgehen, dabei aber sachlich bleiben – wie er es bei Reitschuster abgeschaut hatte.

      „Ja bitte, fragen Sie!“, antwortete sie mit einem schüchternen Lächeln. Ihre Augen waren vom vielen Weinen gerötet, das Augen-Make-up war ganz verschmiert.

      „Sie standen hinter der Kasse, als der Täter den Verkaufsraum betreten hat. Ist das soweit richtig?“

      „Soweit schon. Nur habe ich ihm den Rücken zugedreht, weil ich gerade Zigaretten aufgefüllt habe. Da sagte eine Stimme plötzlich: Geld raus oder ich puste dir das Hirn raus. Diese Worte werde ich wohl nie wieder vergessen.“ Sie begann zu weinen und Schaller reichte ihr ein Papiertaschentuch.

      „Was ist Ihnen noch aufgefallen, außer dem, was er sagte?“, hakte er nach.

      „Er hatte eine sehr dunkle, ja bedrohliche Stimme.“

      „Was hat er für Kleidung getragen?“ Sie überlegte kurz, ehe sie antwortete: „Er hatte eine schwarze Skimütze über seinen Kopf gezogen und ich habe nur diese dunklen, braunen Augen gesehen. Er trug einen schwarzen Overall und schwarze Lederhandschuhe.“

      Komischerweise merken sich Zeugen im Stress viele Dinge sofort. Andere kristallisieren sich erst später heraus, wenn sie wieder zur Ruhe gekommen sind oder danach gefragt werden. Das wusste Schaller aus einem Seminar für Befragungstechniken. „Was meinen Sie, wie er zu Ihnen in die Tankstelle gekommen ist?“

      „Das ist seltsam. Jetzt, da Sie danach fragen, fällt mir etwas auf. Ich habe weder vorher noch hinterher Schritte gehört, auch kein Motorengeräusch. Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht sagen, wie er sich bewegt hat oder geflüchtet ist.“ Schaller überlegte kurz, ob der Täter Frau Lange wirklich erschossen hätte.

      „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken und wünsche Ihnen alles erdenklich Gute. Ich hoffe, dass Sie den Schock so schnell wie möglich überwinden.“ Zum Abschied reichte er ihr seine Visitenkarte. „Sollte Ihnen noch etwas einfallen, melden Sie sich bitte bei mir. Auf Wiedersehen, Frau Lange.“ Sie tat ihm leid.

      Wie würde er sich wohl in einer solchen Situation verhalten?

      Die Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes luden Frau Lange in den Rettungswagen und fuhren mit ihr ins Kreiskrankenhaus nach Günzburg.

      Mehr gab es für Schaller erst einmal nicht zu tun. Er ging zu Stone, um seine Ermittlungsarbeit mit ihm abzugleichen. „Habt ihr noch etwas herausgefunden?“

      „Nein“, sagte Stone ein wenig betrübt. „Keine Fingerspuren, keine Fasern, nichts!“

      „Dann schlage ich vor, dass wir für heute Schluss machen. Was meinst du Stone, schließlich hast du den höchsten Dienstgrad.“

      „Ja, ich glaube, du hast recht. Der FC Augsburg hat auch verloren! Leute, lasst uns zusammenpacken.“

      Zweites Kapitel

      „Wir werten alles am Montag aus. Ich wünsche euch ein schönes Restwochenende.“ Jeder packte mit an und nach wenigen Minuten konnte die Tankstelle, respektive der Tatort wieder freigegeben werden. Schaller informierte den Eigentümer über den Sachverhalt. Er teilte ihm mit, dass er die Schlüssel im Kommissariat in Krumbach abholen könne.

      Das Wochenende verging ohne weitere Zwischenfälle.

      Reitschuster und Jasmin sprachen über Gott und die Welt, wie es frisch Verliebte zu tun pflegen. Ab und zu berührten sich ihre Hände wie zufällig. Hier und da ein kurzer Blick in die Augen, ein Lächeln, mehr nicht. Beide spürten, dass sich hier etwas ganz Einzigartiges entwickeln könnte. Sie blieben auf Abstand, wollten nichts überstürzen oder gar zerstören. So wie es war, war es himmlisch!

      Reitschuster spürte es tief in seinem Innern. Er war in diesem Moment glücklich, mit sich und der Welt zufrieden. Zur nächtlichen Zeit schlug Reitschuster vor, ins Haus zu gehen. Jasmin stimmte zu. Er schürte den Kamin an. Bald verteilte sich eine wohlige Wärme im ganzen Raum. Später kuschelte sie sich an ihn. Sie unterhielten sich bis spät in die Nacht. Dann küssten sie sich zärtlich. Reitschuster schaute ihr in die smaragdgrünen Augen. Dann streichelte er sie zärtlich und zog sie langsam aus. Sie liebten sich die restliche Nacht, bis sie erschöpft, aber glücklich auf dem Sofa einschliefen.

      Am folgenden Sonntag hatte Reitschuster ein üppiges Frühstück angerichtet. Er weckte Jasmin mit romantischer Musik: „That’s amore“ von Dean Martin. Sie schlug die Augen auf. Reitschuster beugte sich über sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie schaute ihn an, umarmte ihn zärtlich und gab ihm einen langen Kuss. Nach dem Frühstück liebten sie sich erneut, als wenn es kein Morgen gäbe.

      „Bis später mein Schatz“, hauchte er ihr ins Ohr. Dafür erhielt er ein zufriedenes Schnaufen. An diesem Montag fuhr Reitschuster – wie gewohnt – ohne Frühstück ins Präsidium nach Krumbach.

      Kann man es jemandem ansehen, dass er frisch verliebt ist? Er hatte keine Ahnung und es war ihm auch egal. Alles war ihm egal: Am liebsten wäre er direkt zu Staatsanwalt Dr. Hieber gelaufen – er vertrat interimsweise Polizeirat Miele, der sich nach einem schweren Sturz vom Fahrrad noch auf Reha befand – und hätte ihn um Urlaub gebeten. Ja, für Reitschuster begann der Frühling dieses Jahr schon im Spätherbst. Pünktlich um

      8:00 Uhr betrat er seine Abteilung. Dort wurde er wie immer zuerst von seiner Assistentin Wimmer begrüßt.

      „Guten Morgen, Herr Reitschuster. Hatten Sie ein schönes Wochenende?“ Diesmal war er es, der rot anlief. Mit einem Kloß im Hals erwiderte er den wohlgemeinten Gruß: „Hallo Frau Wimmer. Das wünsche ich Ihnen auch. Gibt es schon Kaffee?“

      „Freilich, Herr Reitschuster. Wenn Sie möchten, gibt’s auch a Brez’n mit Butter“, strahlte sie ihren Chef an.

      „Eine gute Idee, Frau Wimmer. Bis gleich!“ Reitschuster ging in sein Büro. Heute hätte er Bäume ausreißen können. Gegen 8:10 Uhr trat Schaller ein.

      „Guten Morgen Frau Wimmer, freue mich, Sie zu sehen. Kaffee mit Zucker und einen Spritzer Milch, bitte!“ Dabei zwinkerte er ihr zu. Sie kannte mittlerweile seine Kaffeegelüste und entgegnete: „Ins Büro vom Chef?“

      „Ja bitte, wir werden uns eh etwas einfallen lassen müssen. Denn schließlich gehöre ich nun zum festen Stamm. Erst recht nach dem Herbstsonnenfall.“

      Ganz schön selbstbewusst, dieser Jungspund, dachte Frau Wimmer. „Bringe ich Ihnen gleich. Auch eine Butterbrez’n?“

      „Nein danke! Die Linie, Sie wissen schon. Weißmehl macht dick.“ Dabei deutete er auf seinen Bauch. Schaller war leger gekleidet, hielt die Günzburger Zeitung unter dem Arm, als er Reitschusters Büro betrat. Jetzt glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen. Wo waren da die Tugenden? Angemessene Kleidung, gebührendes Verhalten? Erst recht jetzt, da Schaller sich selbst Mühe gab, ein seriöses Erscheinungsbild zu bieten.

      Was er da sah, war ein Vorgesetzter mit Dreitagebart, ohne Krawatte, die Beine lässig über den Schreibtisch gekreuzt. „Hallo Bär! Hattest du ein schönes Wochenende?“, fragte Schaller mit einem breiten Grinsen.

      „Nun, sagen wir mal, dass es sehr schön war. Du weißt, ein Kavalier schweigt