»Nee, klar.« Nina nickte übertrieben. »Hatte ich vergessen. Du guckst seine Sendung ja nur wegen deiner Nichte.«
»Ich streite doch überhaupt nicht ab, dass ich Marc Feldmann hübsch finde. Aber erstens ist er hinter seiner netten Fassade ein absolutes Arschloch und zweitens weißt du ganz genau, dass ich überhaupt nicht auf Promis stehe.« Ich pustete gedankenverloren in den Schaum. »Denn Promis sind Idioten.«
Nina lehnte ihren Kopf gegen die kühlen Kacheln, als würde die Unterhaltung ihr Kopfschmerzen bereiten. »Willst du meine Theorie zu diesem ganzen Debakel hören?«
»Nein«, brummte ich.
»Gut, dann hör zu«, antwortete Nina ungerührt. »Du bist nur deshalb so beleidigend geworden, weil du Angst hast, mit einem Mann wie Marc Feldmann zusammen zu arbeiten. Dann müsstest du dich nämlich damit auseinandersetzen, dass du genauso bist wie wir alle.«
»Wer wir?«
»Wir Frauen. Wir denken an Männer. Sie denken währenddessen an Autos oder Fußball. Das ist eine traurige Realität, aber du wirst ihr nicht entkommen, indem du vor jedem Kerl wegrennst, in den du dich verlieben könntest.«
Ich schnaubte so heftig, dass ein Schaumflöckchen durch die Luft flog. »Das war soviel Unsinn auf einmal, dass ich überhaupt nicht weiß, wo ich anfangen soll. Erstens sind Frauen nicht wirklich so, sondern nur in Hollywoodfilmen.«
»Träum weiter.«
»Und zweitens habe ich mich in den letzten Jahren auf mehr Männer eingelassen als du.«
»Ja, für eine Nacht. Aber du hast dir nur die ausgesucht, bei denen du sicher warst, dass du keine tieferen Gefühle für sie entwickeln würdest.«
»Blödsinn!«
»Und jetzt ruinierst du dein Verhältnis zu Marc Feldmann, damit er sich nicht für dich interessierst. Aber du kannst dein zweites X-Chromosom nicht betrügen. Während ihr streitet, stellst du ihn dir nackt vor, stimmt‘s?«
Mist, sie kannte mich einfach viel zu gut. Aber Moment mal, war das nicht eher typisch Mann in ihrem konservativ-verzerrten Geschlechterbild? »Ha«, machte ich triumphierend. »Da müsste ich mir ja wohl eher vorstellen, wie unsere Kinder aussehen und welches Kleid ich zu unserer Hochzeit tragen würde.«
»Das eine schließt das andere nicht aus.«
Manchmal konnte Ninas Art ganz schön nerven. Sie hatte diese blöde Gewissheit, dass sie mich besser kannte als ich mich selbst. Nur, weil wir seit der ersten Klasse beste Freundinnen waren, hieß das ja nicht, dass sie in mich hineinsehen konnte wie in eine Glasflasche.
Gleich würde sie wieder mit der alten Leier anfangen, dass ich keinen Mann an mich heranließ, weil mein Vater uns verlassen hatte und bla, bla, bla.
»Ich muss jetzt aus der Wanne raus, sonst veschrumpel‘ ich noch«, sagte ich so würdevoll wie möglich – aber Nina lächelte nur wissend.
»Klar, Themenwechsel«, nickte sie. »Soll mir Recht sein. Du bist ja doch unbelehrbar. Es ist mittlerweile halb elf. Was hältst du davon, wenn du die Sache ruhen lässt und wir uns noch einen Film ansehen?«
Ich sah sie dankbar an. »Das ist der beste Vorschlag des Tages.«
»Aber schlag jetzt bloß nicht irgend so einen Robert Redford-Mist vor«, warnte sie mich. »Ich will was Unterhaltsames.«
»Keine Angst.« Ich schüttelte den Kopf. »Heute brauche ich auch was Lustiges.«
Nina reichte mir meinen Bademantel. »Mach dich bloß nicht verrückt mit der Sache mit deinem Chef«, sagte sie dann, endlich wieder so mitfühlend wie ich es liebte. »Es ist erst Freitag. Du hast das ganze Wochenende frei und kannst dich in Ruhe von dem Schreck erholen. Es ist nur ein Job. Lass dich davon nicht so einwickeln.«
Ich nickte. Wie hatte ich es nur all die Jahre ohne Nina ausgehalten? Sie hatte in Hamburg studiert, ich in Berlin. Gott sei Dank hatte das Schicksal es gut mit mir gemeint und Nina eine Lehrerstelle an einer Problemschule in Neukölln angeboten. Jetzt war sie in meiner Nähe, um auf ihre Art die Welt zu retten. Und mich auch. Bevor sie hierher gezogen war, hatte ich mich in Berlin verdammt einsam gefühlt. Eine Welle der Dankbarkeit überschwemmte mich.
»Habe ich dir schon mal gesagt, dass ich ohne dich vollkommen aufgeschmissen wäre?«
»Ja«, grinste sie. »Aber ich höre es immer wieder gern.«
Kapitel 3 – Ein gefährlicher Deal
Ich war ein Nervenbündel, als ich mich am Montag auf den Weg zu Volkers Büro machte. Seine Assistentin hatte gesagt, dass ich am besten sofort vorbeikommen sollte, als ich sie nach einem Termin gefragt hatte. Das war ein sicheres Zeichen dafür, dass Volker meinen Gang nach Canossa erwartete.
Ich klopfte zaghaft an seiner Tür und setzte mich mit einem kleinen »Hallo« auf den Stuhl, der seinem Schreibtisch gegenüber stand.
Volker musterte mich, dann hielt er mir eine Haribo-Tüte hin. »Gummibärchen?«, fragte er und sah nicht so aus, als ob er mich feuern wollte. Ich griff dankbar in die Tüte und sah ihn abwartend an. »Ich glaube nicht, dass wir über Freitag groß reden müssen«, eröffnete er ohne Umschweife das Gespräch. »Das ist ziemlich schief gelaufen, würde ich sagen.«
»Es tut mir leid«, sagte ich und meinte es auch wirklich ehrlich. »Ich war einfach schockiert.«
»Marc Feldmann ist ein guter Moderator.«
»Für Quiz-Sendungen«, entfuhr es mir heftiger, als ich es plante. Dabei hatte Nina mir am Wochenende immer wieder eingebläut, dass ich bei diesem Gespräch erst Nachdenken und dann Reden sollte.
Auf Volkers Stirn bildete sich eine steile Falte und ich duckte mich instinktiv in meinem Stuhl. Aber dann musste er lachen und ich wusste wieder, warum er trotz allem mein Lieblingschef war. Volker war fast fünfzig, hatte ein paar Jahre bei CBS in den Vereinigten Staaten gearbeitet und kannte sich in der Nachrichtenbranche aus wie keine Zweiter. Auch wenn er jetzt hier als Geschäftsführer arbeitete und vor allem die Interessen des Senders vertrat, wusste ich doch ganz genau, dass er meinen journalistischen Ehrgeiz zu schätzen wusste.
Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.
»Ich habe da eine gute Idee, die dir ganz bestimmt nicht gefallen wird«, sagte er schließlich.
»Ich bin ganz Ohr«, erwiderte ich misstrauisch.
»Du stehst du so auf diesen Mystery-Kram, oder?«
»Blödsinn, die Tribute von Panem haben nichts mit Mystery zu tun«, protestierte ich.
Er lachte wieder. »Egal, egal.« Dann verstellte er seine Stimme. »Becca Martens, ich binde dein Schicksal an das von Marc Feldmann.«
Na, toll. Sofort sah ich einen halbnackten Marc Feldmann vor meinem inneren Auge auftauchen, der mit Seilen an mich gefesselt war und seinen Körper an meinen presste. Ich räusperte mich und schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich denke mal, das wirst du mir noch genauer erklären, oder?«
»Pass auf.« Volker war jetzt wieder Ernst. »Natürlich ist es ein Risiko, das ich mit Feldmann als Nachrichtenmoderator eingehe. Ich kann deinen Einwand bis zu einem gewissen Grad verstehen. Aber Tatsache ist, dass ein Moderator nur so gut ist wie sein leitender Redakteur.« Er zeigte auf mich. »Schritt eins: Du bringst Feldmann durch seine ersten Sendungen und beweist mir damit deine Loyalität. Schritt zwei: Ich mache dich zur Leiterin der Abendnachrichten.«
Ich hatte nach meinem Wutanfall am Freitagabend mit Schlimmerem gerechnet. Volker gab mir also noch eine Chance – das war das Wichtigste. Ich nickte. »Okay.«