Direkt nebenan ist die „Chinatown Ice Cream Factory“, wo es durchaus exotische Eissorten (z.B. red bean oder green tea oder ginger) zu probieren gibt. Ist allerdings, wie ich von früheren Versuchen weiß, nicht ganz mein Fall, weshalb es mich weiter durch die bunten Gassen zieht. Das Ziel: Lin’s Herbal Shop, um Schneelotus-Kapseln – gut gegen Erkältung – zu besorgen. Als ich mit meinem Tütchen voll der exotischen Arznei den Laden wieder verlasse, ist dies wieder einer der Momente, in denen ich unheimlich happy bin; begeistert, in New York zu sein. Weil es hier einfach alles gibt, man muss nur ein paar U-Bahn-Stationen fahren.
Ich schlendere weiter und betrete einen – wie es von außen schien – Krimskrams-Laden. Innen drin merke ich: Na, so ein Zufall – es ist ein Kochutensilien-Geschäft! Es gibt stapelweise Reisschälchen und Woks und Teekannen – und Küchentücher mit „Limoncello Positano”-Aufdruck! Aber zugegeben, Little Italy ist ja nur zwei Straßen weiter und vielleicht ist das der Ausgleich dafür, dass sich die asiatische Community in den letzten Jahren immer mehr von Little Italy unter den Nagel gerissen hat und man vor einiger Zeit im Zensus feststellen musste, dass kein einziger gebürtiger Italiener mehr in Little Italy wohnte.
Wie man vielleicht den anderen Posts schon entnehmen konnte, bin ich Süßspeisen nicht abgeneigt. Und da ich schon in der Nähe bin und mal wieder Lust auf ein Dessert der besonderen Art habe, mache ich mich auf den Weg zu Rice to Riches. Leider dauert der Weg dorthin dann doch etwas länger, denn – hätte ich doch mal auf den Kalender geschaut! – in den Straßen von Little Italy tobt das Festival de San Gennaro. Mit einem Wort: Grauenhaft. Und ich erwische es schon zum zweiten Mal. Die engen Straßen sind gesäumt von Fressständen, die nicht wirklich ansprechende, vor Fett triefende Speisen anbieten, dazu kommen Billig-Cocktail-Stände und Ramsch-Kosmetik. Eigentlich gibt es nur vielleicht 15 unterschiedliche Stände, aber die wiederholen sich und sind endlos aneinander gereiht. Dazwischen schieben sich die Menschenmassen Meter um Meter vorwärts.
Endlich habe ich es aber zu Rice to Riches geschafft und stehe in dem ulkigen Laden, der ein bisschen aussieht wie eine hippe Eisdiele. An den Wänden stehen lauter lustige Sprüche, in der Raummitte dominiert eine große Theke. Doch hinter der Glasscheibe gibt es nicht Eis, sondern zig Sorten Reisbrei: Kokos, cheesecake, Schoko-Haselnuss, Crème Brulée, Karamell, Tiramisu und so weiter und so fort. Ich wähle Kaffee-Mandel, in der Größe solo. Das ist die kleinste und reicht gut für zwei Leute, denn das Zeug ist määäächtig! Serviert wird das Ganze in kleinen Plastik-Tupperschüsselchen mit dazu passenden Löffeln, die man mit nach Hause nehmen darf. Da ich eigentlich noch zu satt bin, nehme ich alles to go. Draußen auf der Straße ein Blick auf die Karte, ein Blick auf die Uhr. Ach, ich könnte doch noch ein bisschen durch SoHo spazieren.
Um es vorweg zu nehmen: Samstagnachmittag ist NICHT der richtige Zeitpunkt dafür. Was für ein Gewusel. Man muss nur schauen, nicht über den Haufen gerannt zu werden und hat kaum Muse, sich die wunderschönen cast iron buildings mit den kunstvollen Feuerleitern genauer anzuschauen. Aber wo ich schon mal da bin, kann ich ja zur hiesigen Anthropologie-Filiale gehen. Ich liebe die Anthropologie-Geschäfte. Sie sind einzigartig. Es gibt Kleidung, Bücher und Wohnaccessoires. Regulär zu Preisen, die nicht meinem Geldbeutel entsprechen. Aber wofür gibt es denn die sale-Abteilung in jedem der Geschäfte im hintersten Eck? Eigentlich will ich „nur mal kucken”. Ähm ja…Nach einer Stunde trete ich mit einer großen weißen Einkaufstüte in der Hand wieder auf die Straße, meine Kreditkarte wimmert. Aber hey: Der Dollar steht gerade ganz gut und es gab 15% Rabatt für Anthro-Club-Members – was hätte ich tun sollen?!?!
Zur Sicherheit entschließe ich mich trotzdem, nun schnurstracks heimzufahren. In der subway spielt ein Duo traumhaft schöne Saxofon-Balladen. Na also, hatte ich doch Recht mit dem gestrigen Eintrag!
Go east
Heute wollte ich es nun aber wirklich ruhig angehen lassen. Nachdem ich die vergangene Nacht dank Sturm und Regen (und offenem Fenster und der damit verbundenen Frage „Sifft gleich alles rein?!“ Nein zum Glück ging’s…) kaum geschlafen hatte, blieb ich erst einmal im Bett. Sonntagmorgenfaulenzen. Einfach so. Und das in New York. Denn ich habe keinen (so großen) Zeitdruck mehr, alles abhecheln zu müssen, sondern darf auch einfach mal faul sein. Ich stelle den Blogeintrag zum Vortag fertig, frühstücke den Rest meines Rice-to-Riches-Reisbreis, dusche ausgiebig und wasche Haare (immer dieses Chlor – Igitt! In Deutschland geht man im Schwimmbad unter die Dusche, um sich das Chlor runter zu waschen, hier duscht man damit) und schaue dann mal nach den ersten Hochrechnungen der Wahl. Schon lustig, in Deutschland habe ich mit der Wahl in den USA mitgefiebert. Nun bin ich in den USA und verfolge nur die deutsche Politik. Wobei ich gestehen muss, dass ich kaum etwas von dem mitbekomme, was in der Welt vor sich geht. Bin also schon gut amerikanisiert. Ausgerechnet ich, die sonst immer alle zehn Minuten zig Nachrichtenseiten gecheckt hat. Aber es ist auch mal ganz schön nach dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß” zu leben.
Doch den kompletten Tag vertrödeln möchte ich dann doch nicht, dazu ist das Wetter nach der stürmischen Nacht auch wieder viel zu schön. Ich möchte mir eine CD einer bestimmten Künstlerin, auf die ich erst kürzlich aufmerksam geworden bin, kaufen und laut Google gibt es im East Village einen Laden, der günstig – was hier halt so günstig ist – gebrauchte CDs verscherbelt. Das klingt doch gut. Also heißt es am Sonntag „go east“. Ich fahre bis zu St. Mark’s Place und laufe die gleichnamige Straße entlang. Und ja, also so irgendwie, auch beim dritten oder vierten Besuch in dem Viertel: „Irgendwie ist es nicht ganz so meines“, denke ich, als ich an den winzig anmutenden Geschäftchen und Cafés vorbeilaufe. Irgendwie zu kaputt, zu rau. Irgendwann stoße ich auf die 1st Avenue. Hm. Komisch. Ich glaube, ich bin zu weit. Also Handy raus, Google-Maps-App an. Ich muss dran vorbei gerannt sein. Also nochmal retour und dieses Mal gründlich schauen, 20 St. Mark’s Place ist die Adresse von Sounds. Und dann – ach so, ja sag das doch gleich: Man muss da erst ganz viele Stufen hochlaufen und dann kann man oberhalb ein Geschäft erahnen. Vielleicht bin ich ja doch schon eine New Yorkerin, als die ich den Blick gar nicht mehr hebe. Durch die alte Tür betrete ich einen staubig anmutenden dunklen Laden und werde freundlich von einem jungen Kerl, der Kopfhörer umhängen hat und wie auf einem Art DJ-Podest steht, begrüßt. Ich bin die einzige Kundin. Artig stelle ich meine Handtasche in das Regal am Eingang, wie mir von einem Schild geheißen wird und schicke fortan sekündlich Stoßgebete in den Himmel, dass sie nachher noch da ist. Im Geschäft läuft Country-Musik. Nicht ganz die Stilrichtung, die ich hier erwartet hätte. Passt irgendwie nicht zur Gegend, der Verkäufer passt irgendwie auch nicht zum Laden, aber wir sind in New York und vielleicht passt das deshalb doch alles ganz wunderbar. Ich schaue die Platten durch. Das, was ich eigentlich suche, ist nicht dabei, aber zwei andere CDs wechseln den Besitzer. Ich verlasse mit schwarzen Fingern (der Laden ist definitiv staubig!) und neuer Musik das Geschäft.
Da es schon wieder früher Nachmittag ist und etwas zu essen mir und meinem Magen gelegen käme, laufe ich um die Ecke zu Veselka. Veselka ist ein Restaurant, das sich der ukrainischen Küche verschrieben hat. Passt also bestens zu meinem „Ost”-Tag. Ich wollte schon vor ein oder zwei Jahren hierher, damals war aber alles restlos überfüllt, sodass ich im gegenüberliegenden Starbucks gelandet bin. Das soll mir heute nicht passieren und ich kann sogar noch im Freien ein Plätzchen ergattern. Ich entscheide mich für die vegetarian plate, einem Allerlei aus Käse-