Man hätte meinen können, dass der Zusammenstoß des Kometen mit dem vierten Planeten der Sonne Sirius das Leben für hunderttausende von Jahren vernichtet hätte. Allerdings....
Einige Einzeller in den Meeren überlebten. Viele Pflanzen an geschützteren Stellen überlebten und begannen sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Von den Landtieren gingen die meisten zugrunde, bis auf 3 Formicidenvölker.
Einige Tausend Jahre später war die atmosphärische Radioaktivität fast wieder auf Null abgesunken. Es gab wiederum eine üppige Pflanzenwelt und in den Meeren lebten mehr verschiedene Bewohner, als vor dem Unglück. Die Radioaktivität hatte aber auch noch etwas anderes bewirkt: Mutationen.
Die Königin dachte intensiv über den Fluss nach. Von der Stammhöhle, deren Eingang in der Mitte einer Lichtung lag, auf deren felsigem Untergrund nur wenige Flechten und Moose wuchsen, gingen einige Pfade in alle Richtungen ab. Pheromone kennzeichneten die Straßen, auf denen ihre Untertanen ausschwärmten, um nach Nahrung zu suchen. Vom Höhleneingang ging es in mehreren Gesteins- und Erdebenen hinunter bis zu jener Gesteinsader, deren Härte alle anderen übertraf. Folgte man dieser Ader in der Waagrechten, so kam man nach einiger Zeit zu einer großen Erdspalte, durch die man neuerlich in die Vertikale überwechseln konnte, und in dieser Weise ging es noch einige Male weiter, bis man die große Erdhöhle erreichte, in der die Königin im Hauptnest residierte.
Hier hatte Licht am Baumkreis das Unglück überlebt. Nicht, dass jemand diesen Namen gekannt hätte. Schon allein das Wort „Namen“ würde ja eine Individualität bedeuten, von der Licht am Baumkreis keine Vorstellung hatte. Durch ihre telepathische Verbindung zu den Führungskräften und der empathischen Verbindung zu den sie betreuenden Pflegerinnen erfuhr sie regelmäßig was außerhalb ihrer Höhle vorging. Zuletzt konnte sie sich aus den einzelnen Berichten ein einigermaßen klares Bild der Umgebung machen.
Der Eingang zum Hauptnest lag auf einer felsigen Lichtung. Rundherum standen Bäume. Hinter den Bäumen mäandrierte ein Fluss und nur in Richtung der untergehenden Sonne gab es einen Übergang zum übrigen Land. Da der Weg dorthin von immer mehr Sammlern begangen wurde, die auf dem Rückweg auch noch schwer beladen auf die neu Ausschwärmenden trafen, war dieser Hauptweg ein Engpass in der weiteren Nahrungsversorgung. Sie musste einen Weg finden, den Fluss zu überqueren.
Als sie in den Gedanken einer ihrer Pflegerinnen etwas von einem verfaulenden Baum am Rande der Lichtung erkannte, sandte sie einen konkreten Gedanken an [Klick3]: „Besuche den verfaulenden Baum und berichte darüber.“
[Klick3] meldete sich wenig später: „Am Rande der Lichtung steht ein Baum, der sich in Richtung des Flusses neigt. Die Wurzeln sind teilweise ausgetrocknet. Vermutlich ist er krank.“
Licht am Baumkreis antwortet nach kurzer Überlegung: „Nimm dir 200 Sammler und entferne die Erde bei den Wurzeln in Richtung Fluss.“ Augenblicklich kam der zustimmende Gedanke und wurde ihr Befehl in die Tat umgesetzt.
2 Helligkeitsperioden später meldete [Klick3]: „Es wurde alle Erde entfernt.“
Licht am Baumkreis dachte einen kurzen Augenblick über die Selbständigkeit ihrer Klicks nach und fragte dann an: „Was ist mit dem Baum? Ist er umgefallen? Wo ragt er hin?“
„Ja, der Baum fiel um und ragt nun über den Fluss.“
„Dann überquere den Fluss über den Baum und berichte.“
„Ich habe die andere Seite des Flusses erreicht.“
„Kehre zurück und bringe alle Klicks mit.“
„Zustimmung.“
Wenig später trafen 6 Klicks bei ihrer Königin ein. Die Königin war bedeutend größer als ihre Klicks und ruhte auf einem abgeschliffenen Stück Holz in Form eines Ringes. Unter dem Ring waren geflochtene Körbe für die unablässig aus ihrem dritten Segment herauspurzelnden Eier angebracht, die von den Pflegerinnen in stetiger Folge entleert und getauscht wurden. Ein Korb war für die Exkremente bestimmt. Die Haupttätigkeit der Königin war – neben dem selbständigen Denken und der Führung der Klicks - die Nahrungsaufnahme und das Eierlegen. Sie hatte einen dreigeteilten, etwa 2m großen Laib, der durch einen Panzer von rostbrauner Farbe geschützt war. Aus dem Kopf ragten zwei gebogene und mit feinsten Härchen ausgestattete Fühler. Darunter wuchsen zwei zangenartige, weit kürzere Beißwerkzeuge und noch ein Stück tiefer ein tentakelartiger Rüssel. Dem mittleren Laib entwuchsen 3 Beinpaare, von denen Zwei als Lauf – und Eines als Greifwerkzeug ausgebildet war. Diese waren mehrfach untergliedert und mit dem Greifpaar konnte die oberste Formicide offensichtlich feinstmechanische Bewegungen ausführen. Der hintere Laib steckte zum Großteil in dem Holzring und war nur teilweise sichtbar.
Die Klicks waren ihrer Königin zum Verwechseln ähnlich, jedoch um einiges kleiner gebaut. Der vorhandene Genpool wies jedem Wesen in der Hierarchie unterhalb der Königin eine einheitliche Größe von rd. 1,50m zu. Jedes auf sich alleingestellt waren sie wenig selbständig und bedurften bei komplizierteren Aufgaben der ständigen Führung. Sie konnten jedoch ihre Fühler aneinander legen und dann mittels spezieller Rezeptoren ihre Gehirne miteinander verbinden. In diesem Fall wuchs die Intelligenz mit der Anzahl der verbundenen Klicks, wobei die Gesamtzahl an Verbindungen natürlich durch die rein körperlichen Möglichkeiten der Berührung eingeschränkt war. Die Klicks waren wiederum die Führer und Befehlsgeber der Sammler, Krieger und Pfleger. Die Verständigung erfolgte auf telepathischem Weg, wobei die mit nur geringer Intelligenz ausgestatteten Krieger und Sammler zusätzlich auch noch empathisch gelenkt wurden.
Die Nahrung der Formiciden bestand zum Großteil aus Pflanzen und Pflanzenstoffen. Zusätzlich wurde diese angereichert mit der honigartigen Absonderung einer Insektenart, mit der sie in lockerer Symbiose lebten.
Die Straßen von und zum Höhleneingang waren mittels Pheromone gekennzeichnet, welche die dritte und letzte Möglichkeit der Steuerung darstellten. Einfache Dinge, wie Straßenverkehr- und Richtung, Beutekennzeichnung, Müdigkeit, Freude oder Missgunst ließen sich sehr leicht und gut verständlich mittels Pheromone mitteilen. Für kompliziertere Kommunikation, wie das Zeigen bestimmter Regungen, Befindlichkeiten oder gar deren Begründung war die Empathie zuständig. Für effektive Gedanken bedurfte es der Telepathie, die aber hauptsächlich auf die Klicks, die Soldaten und die Pfleger beschränkt war.
Die Klicks waren eine Art Offiziere, deren Rangordnung allerdings gleich war. Für bestimmte Tätigkeiten gab es eine bestimmte Zahl von Klicks. Zur Lösung von sehr komplexen Dingen wurde eine oder auch mehrere Ebenen von Klicks hinzugefügt. [Klick3] bedeutete also nicht immer, dass es sich um den dritten Klick der ersten Befehlsebene handelte, es konnte genauso gut auch der dritte Klick der zweiten oder dritten Ebene sein. Zwischen der Königin und ihren Klicks war es aber noch nie zu einem Missverständnis gekommen. Es wussten immer alle, welche Befehlsebene gemeint war.
[Klick3] betrat als erster die Zentralhöhle. Nach ihm kamen die 5 anderen Befehlshaber der ersten Ebene auf ihren 4 Laufbeinen.
Die Königin bat sie, die Fühler zusammen zu legen, was bei 6 Klicks noch relativ leicht möglich war. Dann telepathierte sie an den nun bedeutend aufnahmefähigeren Verbund:
„Der umgestürzte Baum ist als zusätzliche Straße zu kennzeichnen. Ich ersuche um Vorschläge, wie wir weitere Übergänge schaffen können. Außerdem müssen wir den Baum befestigen, damit er uns bei der nächsten Überschwemmung nicht abhanden kommt.“
„Zustimmung.“
Die Klicks entfernten sich wieder, um die neuen Anordnungen umzusetzen und auszuforschen, wie weitere Flussübergänge zu bewerkstelligen wären.
Einige Jahre später befahl die Königin 6 Klicks zu sich: „Bewaffnet euch mit Stöcken und geht über die feste Verbindung in das weite Land. Wenn ihr eine Stelle seht, an welcher der Bau eines neuen Nests möglich wäre, so legt eure Fühler zusammen und überlegt gemeinsam, ob die Stelle wirklich gut geeignet sei. Sobald ihr euch einig seid, kehren 4 Klicks zurück