Zwischen Heinrich und Jeanniene. Wilhelm Kastberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Kastberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742775528
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mit ihr verbundenen Vorgesetzten den Ausgang gefunden hätten, grundlegend ab. Sie wollte von ihm, selbstverständlich nur bildlich gesprochen, auf Siegerpodeste feierlich gehoben werden. Ja, das wollte sie schon! Aber mehr nicht. Zum Hinuntersteigen benötigte sie keine Hilfe und seine schon gar nicht mehr. Das schaffte sie alleine noch sehr gut.

      Zudem war damals und auch noch heute Javier de Rossi mit der gutaussehenden Alice de Rossi, eine inzwischen berühmt gewordene Altistin, verheiratet. Das Ehepaar hatte auch noch zwei liebreizende Kinder im Gepäck. Heute dürften diese bereits dem Erwachsenenalter schon sehr nahe gekommen sein.

      Der edle Ritter Javier wollte damals ganz bestimmt nicht nur am Klavier die Stimmlagen von Alt auf Sopran einer Prüfung unterziehen. Eher wollte er die beiden Gesangfreudigen hinsichtlich ihrer verfügbaren und einsetzbaren Oktaven vergleichen. Selbstverständlich nur in Wahrung des guten Glaubens versteht sich.

      Womöglich reizte es ihn, auch abseits jeglichem musikalischen Bereichen, Tauschgeschäfte auf des Messers Schneide der Qualifizierten balancieren zu können. Auf solche gefährlichen und vor allem scharfen Balanceakte wollte sich die hochgefeierte Operndiva und Sopranistin Mariella Nadja Todorova keinesfalls begeben.

      Javier de Rossi war und ist noch immer in ihren Augen ein lieber Kerl. Ihm fehlte aber eine entsprechende charismatische Ausstrahlung. Emotional fehlte ihm sogar der Sexappeal, der zu mindestens Frauen magnetisch zum An- beziehungsweise zum Ausziehen veranlassen würde.

      Im Gegenteil, er trägt andauern, ob nun beim Mittag- oder Abendessen, wahrscheinlich auch beim Frühstück und in den finsteren Nachtstunden im Schlafzimmer, betont taktvoll seine streng musikalische Disziplin zur Schau. Darüber hinaus bewertet er das zu erreichende Ergebnis auch noch mit Noten. Erschreckend.

      Im Innersten seiner Gefühlswelt, wenn er zum Beispiel einmal die Noten der Partitur für den Bruchteil einer Zeit beiseitegelegt hatte, ist er in Wahrheit ein mit allen Wassern gewaschener Schürzenjäger, der gewiss nicht aus dem Zillertal entflohen ist.

      Mariella Nadja Todorova und der Dirigent sind auch im Wesen grundverschiedene Menschen. Er liebt die Musik und die Frauen über alles. Sie das Geld, die Juwelen und all den Reichtum, den sie nur für sich selbst verfügbar machen konnte.

      Diese Lebensphilosophie führt zu Problemen, wie man weiß.

      Damals in Argentinien umkreiste in ihrer Nähe ständig ein anderer männlicher Schatten, der auch bei Dunkelheit von ihr nicht zu weichen bereit gewesen war. Somit stand ihr nicht nur eine helfende Hand zur Verfügung. Oftmals waren es sogar beide, die mit beidseitigem Vergnügen stets bereit gewesen sind, die sing- und trinkfeste Operndiva, vorzüglich in schwachen Momenten auf den Pfad der sündhaften Begehrlichkeit zu lenken. Solche Augenblicke der Freude gab es gewiss mehrere, doch darüber schweigen sich die Chronisten bis heute aus. Lediglich in den Klatschbörsen diverser Schmuddel Lektüren könnten man bei Ausgrabungen ohne Weiteres fündig werden.

      Beim Stardirigenten und Musikdirektor Javier de Rossi musste sich bei dem Anblick der Geschehnisse zwangsläufig alles zurückziehen, wovon er überzeugt gewesen war, dieses ihr bieten zu können. Das war jedenfalls für das arme Musikgenie eine herbe Enttäuschung gewesen.

      Aber so schnell konnten die beiden auf hohem Niveau rivalisierenden Männer, die wegen ihrer Herzdame unabhängig voneinander eine schnöde Werbekampagne veranstalteten, gar nicht ein – beziehungsweise ausatmen, da musste auch schon der Vorhang fallen. Die stolze Mariella Nadja Todorova war vertraglich gezwungen, ihrem Manager Folge leisten. Sie musste umgehend zum nächsten Arrangement nach Nordamerika weiterreisen. Punkt und aus!

      Gerne wäre sie bei dem aufgeblasenen Pfau, wie ihn der Herr Musikdirektor mehrfach geheißen hatte, geblieben. Darüber dachte sie oft und sehr intensiv nach. Doch ihre rasant steil bergauf davoneilende Karriere trieb sie förmlich wie eine Wildgewordene vor sich her. Vielleicht war sie tief in ihrem Innersten schon wehrlos geworden.

      Demgegenüber stand zweifellos ihr Können und was noch ausschlaggebender für sie gewesen sein dürfte, sie wollte unter gar keinen Umständen auf Glitzer und Gloria sowie auf den Applaus, der in Strömen aus dem Publikum kam, verzichten. Überdies, und das schien das Wesentlichste gewesen zu sein, musste sie ihre Vertragsverpflichtungen erfüllen. Daran war nicht einmal leise zu rütteln.

      Die Rückseite der Medaille war ebenso glasklar. Der offenbar schwerreiche Mann, der sich ihr gegenüber Santino nannte, konnte aus geschäftlichen Gründen auch nicht so mir nichts dir nichts all seine vorgeschobenen Errungenschaften aufgeben. Angeblich hätte er frühestens erst in zwei Jahren das Land verlassen können.

      Mariella Nadja Todorova fühlte sich damals wie eine Zerrissene, wie aus der Literatur von Shakespeare. Oder erdachte das jemand anderer? Wurscht. Dieses Dilemma, das auf sie zukommen hätte können, wollte sie nicht erleben. Jeder unbeteiligte Außenstehende wird das wohl auch verstehen.

      Das war sozusagen die Vorgeschichte einer ausgeschlagenen Liebeserklärung einerseits und einer durchaus stattgefundenen Liebelei, die womöglich eine Zeit lang von Schmetterlingen im Bauch der Dame begleitet worden war. Wer weiß das schon!

      Nur Javier de Rossi hätte damals in Argentinien vermutlich diesen arroganten, salonlöwenauftretenden Playboy leicht durchschauen können, wenn er mehr von seiner Zeit dafür investiert hätte. Die Zeit nahm er sich nicht. Auch wollte er seine Nase nicht zum Herumschnüffeln in private Angelegenheiten allenfalls entehren. So blieb er in all den Jahren bei seiner angetrauten Altistin Alice. Gelegentlich wühlte er halt mit mehr oder manches Mal mit deutlich weniger Erfolg in den unter Naturschutz befindlichen Gärten von Sopranistinnen. Diesen Zauber der Soprannaturgewalten suchte er leidenschaftlich zu ergründen. Weil Alt hatte er ja zuhause.

      Doch eines kann mit Gewissheit behauptet werden und wahrscheinlich sogar von einer unbestimmten Nachhaltigkeit geprägt worden sein: Javier de Rossi erlitt durch den Abweisungsantrag von Mariella Nadja Todorova in seinem gespaltenen Doppel-Ich-System tiefschürfende seelische Verletzungen. Zum Glück begnügte sich sein EGO letztlich mit einigen Kratzspuren, die allerdings bis heute kein Psychiater zur Gänze ausradieren konnte.

      Daher war der gute Mann ständig bemüht, in seinen konzertanten Interpretationen Szenen unter Zuhilfenahme von staccato düstre Pläne zu schmieden. Er hoffte innig, dass es ihm eines Tages gelingen möge, dem seinerzeitigen Getue zwischen dem aufgeblasenen Pfau und der Sängerin, einen Streichcode zu verpassen, der dann hoffentlich die übriggebliebenen Kratzer endgültig beseitigen würde. Bestimmt würde er das bei Gelegenheit mit den Tönen der Dichtkunst, samt dem eingeschmuggelten staccato bewusst in Szene setzen.

      Alice und Javier de Rossi wussten vermutlich als eine der wenigen lebende Zeitgenossen stets Bescheid, wo sich die zwei ehemaligen Turteltäubchen aufhalten. Alle beide sind zurzeit in Europa. Allerdings in verschiedenen Staaten der Europäischen Union. Diese Details waren ohnehin nicht ausschlaggebend für die Erstellung eines Masterplanes.

      Alice und Javier de Rossi hatten ja schließlich ihre Kontakte zu der liebreizenden Opernsängerin Mariella Nadja Todorova, auch nach ihrem plötzlichen Karriereende, niemals vernachlässigt, geschweige denn je unterbrochen. Es gab neben dem regen E-Mail-Verkehr im Lauf der Jahre auch ungezählte Telefonate. Insbesondere wurden gegenseitige Glückwünsche, zum Beispiel zu Geburtstagen, ausgetauscht. Manches Mal wurden sogar wunderschöne Weihnachts- und Neujahrskarten verschickt. Darüber hinaus musste Alice de Rossi auftragsgemäß ein Familiengeheimnis, das einzig und allein Mariella Nadja Todorova betraf, hüten wie ihren Augapfel.

      Die in verschiedenen Melderegistern eingetragenen Wohnadressen des männlichen Pedanten kannte aber nur Javier. Er bewahrte ebenso dieses Geheimnis und offenbarte es nicht einmal vor seiner Ehefrau.

      Die beiden Männer hatten hin und wieder Geschäftliches miteinander zu besprechen. Was genau, das weiß vermutlich nur Jedermanns-Teufel. Weil der war ja auch zweimal dabei. In den vergangenen zwei Jahren wurde hierfür ein spezielles Restaurant in Salzburg als Treffpunkt ausgewählt.

      Wenn Javier die geheimsten aller Klatschereien, die rund um den aufgeblasenen Pfau sogar unterhalb der letzten Schublade gehandelt worden waren, voll und ganz Beachtung schenken würde, dann, ja dann müsste