„Wir kommen wegen Mister Bakov“, begann Simon, nachdem er und Bramme sich gesetzt hatten.
Wilford runzelte die Stirn.
„Tut mit leid, aber einen Mister Bakov kenne ich nicht.“
Bramme legte ihm wortlos ein Foto von Bakov hin, und er beobachtete Wilford, wie dieser einen Blick darauf warf, unmerklich zusammenzuckte und sich sogleich wieder fing.
„Ach, den Herrn meinen Sie? Ja, der war vor einer Woche hier.“
„Was wollte er denn von Ihnen?“
„Mister Bakov erzählte mir, dass er in Kürze einen größeren Geldbetrag erwarte und dafür eine Anlage suche.“ Wilford zuckte mit den Achseln und wollte damit zum Ausdruck bringen, dass so etwas das Selbstverständlichste auf der Welt war und hier zum Tagesgeschäft gehörte. „Was ist mit ihm?“
„Mister Bakov ist ermordet worden. Man hat ihm zwei Kugeln verpasst und ihm den Schädel eingeschlagen.“
„Das ist ja entsetzlich!“, Wilford blickte zwischen Bramme und Simon unruhig hin und her, „Mister Bakov machte auf mich einen sehr sympathischen und gepflegten Eindruck. Und nun das!“
„Hat er Ihnen gesagt, woher das Geld kommt, oder hat er Ihnen einen Betrag genannt?“, fragte Bramme, ohne auf die Äußerungen Wilfords einzugehen.
„Weder noch! Woher wissen Sie eigentlich, dass er bei mir war?“
„Er hat das mal in einem Telefongespräch mit seiner Freundin erwähnt“, flunkerte Simon.
Wilford schien diese Antwort nicht zu befriedigen. Er schaute Simon erwartungsvoll an. Doch Simon reagierte nicht darauf, sondern stand auf und hielt ihm zum Abschied die Hand hin.
„Na ja, das wäre dann alles. Haben Sie vielen Dank, Mister Wilford.“
Als sie die ersten Stufen der Treppe hinunterstiegen und außer Hörweite waren, konnte Bramme nicht mehr an sich halten.
„Ich habe das ungute Gefühl, dass wir diesen Herrn heute nicht zum letzten Mal gesehen haben!“
„Da könntest du recht haben“, seufzte Simon unzufrieden, „der Kerl hat es faustdick hinter den Ohren.“
Sie betraten die Straße und hielten nach einem Taxi Ausschau. Zur gleichen Zeit trat Wilford in seinem Büro ans Fenster und sah den beiden hinterher. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, sein Mund war nur noch ein schmaler Strich. Kaum waren Simon und Bramme außer Sichtweite, griff er zum Telefon und wählte.
„Wilford hier. Ist Senor Socha da?“
Es dauerte einige Sekunden, dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht.
„Schön, Ihre Stimme zu hören, Don Felipe. Wir haben ein Problem. Stellen Sie sich vor, da waren eben zwei Typen hier und haben nach Robert Bakov gefragt.“
„Woher wussten die denn, dass Bakov bei Ihnen war?“
„Keine Ahnung. Angeblich hat er das seiner Freundin am Telefon erzählt, aber da der Mann gar keine Freundin hatte, war das gelogen.“
„Was waren denn das für Männer?“
„Der eine nannte sich George Simon, der andere Holger Bramme.“
„Was?“, schrie Felipe Socha in den Hörer und schien aus allen Wolken zu fallen.
„Kennen Sie die Burschen?“
„Nur den Namen nach. Simon ist Chef der DEA, der Amerikanischen Drogenabwehr. und Bramme ist ein mit allen Wassern gewaschener Drogenfahnder aus Deutschland.
„Verfluchter Mist!“
„Die beiden haben den mächtigsten Drogenring in Zentralasien zerschlagen, und dieser Deutsche ist, wenn man der Presse glauben darf, der Schrecken der Drogenszene“, klärte Socha den Anrufer auf.
„Solange sie uns die Konkurrenz vom Leib halten, habe ich nichts gegen sie.“
„Es sieht leider ganz so aus, als hätten sie nun uns im Visier“, befürchtete Socha.
„Sind Sie nervös?“, fragte Wilford gereizt, vernahm aber nur das tiefe Schnaufen seines Gesprächspartners.
„Die haben gar nichts in der Hand, glauben Sie mir!“, tröstete Wilford seinen Gesprächspartner, „deshalb gibt es auch nicht den geringsten Grund, nervös zu sein.“
„Ich bin nicht nervös, aber ich würde mich nicht wundern, wenn die beiden Halunken eines Tages vor meiner Tür stünden. Trotzdem vielen Dank für Ihren Anruf.“
„Sie brauchen mir nicht zu danken. Wir sehen uns ja in Kürze! Bis bald, mein Bester!“
7. Kapitel
Ein großer Strauß dunkelroter Rosen stand auf dem Frühstückstisch der Geschwister Hoofnagel. Die Blumen dufteten nicht nur herrlich und brachten etwas Glanz in die Wohnung, sondern wirkten sich auch auf Amelies und Garys Gemütslage positiv aus.
Während sich Amelie Kaffee einschenkte, ließ sie die Rosen nicht einen Augenblick aus den Augen, und die Tasse in ihrer Hand wäre um ein Haar übergelaufen. Gary, der in die Zeitung vertieft war, tat indessen so, als bemerkte er das nicht. Schließlich blickte er auf, schaute erst den Rosenstrauß an und dann seine Schwester.
„Nun sag schon, von wem sind denn die Rosen?“, fragte er verschmitzt lächelnd.
„Dreimal darfst du raten“, antwortete Amelie und nippte an der Tasse.
„Da kommt doch nur Mister Simon in Frage. Auf den musst du gestern Abend einen gewaltigen Eindruck gemacht haben.“
„Sieht fast so aus.“
„Das wäre der richtige Mann für dich!“, stellte Gary breit grinsend fest und beobachtete seine Schwester dabei aufmerksam.
„Wenn der Mann ein Viertel weniger wiegen würde, könnte er mir tatsächlich gefallen.“
„Sag doch gleich, dass du in ihn verknallt bist. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an.“
Amelie tat so, als habe sie das gar nicht gehört.
„Was hast du heute vor?“, fragte sie ihn stattdessen.
„Heute gehe ich mit Sheriff Stevenson zur Howie-Shipping-Company und schaue mir endlich den beschädigten Frachter an.“
„Dieses Problem hätte ich längst auf eine andere Art und Weise gelöst“, bemerkte Amelie und warf ihm einen kessen Blick zu.
„Wie denn?“ Gary hob fragend die Augenbrauen.
„Ich wäre da nachts mal über den Zaun geklettert“, sagte sie achselzuckend.
„Spinnst du?“, konterte ihr Bruder und bestrich nebenbei eine Scheibe Toastbrot mit Marmelade, „du willst wohl, dass ich die Wasserleichenstatistik von Sheriff Stevenson bereichere?!“
„Nein, das will ich auf keinen Fall“, sagte sie lachend, „du hättest dich ja auch mit einem Werft-Arbeiter anfreunden können. Der hätte dir gegen ein Honorar bestimmt ein paar Fotos von dem Frachter besorgt.“
„Schon besser! Ein wirklich kluger Vorschlag! Zum Glück bin ich jetzt nicht mehr darauf angewiesen.“
Eine Stunde später fuhr Sheriff Stevenson mit dem Streifenwagen bis zu der geschlossenen Schranke, die zum Werksgelände der Howie-Shipping-Company führte. Gary Hoofnagel, der neben ihm saß, freute sich unbändig, dass er endlich Zutritt zu dem havarierten Frachter bekam. Die Schranke blieb jedoch verschlossen, und der Pförtner in Uniform schob nur die Scheibe seines Häuschens zur Seite.
„Zu wem wollen Sie?“, fragte er, ohne sich die Mühe einer Begrüßung zu machen.
„Zu dem Frachtschiff Caribbean Dreams“, rief Hoofnagel ihm zu.