Caribbean Dreams. Hermann Mezger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Mezger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737592482
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Das hätte ich mir denken können! – Nein, den Mann kenne ich nicht.“

      Sie wandte sich ab und begann, Gläser zu spülen.

      „Schauen Sie sich das Foto doch erst einmal an“, schlug Stevenson genervt vor und konnte die Frau immerhin dazu bewegen, sich das Foto über die Schulter hinweg anzusehen.

      „Nein, den Mann habe ich noch nie gesehen“, sagte sie bestimmt und drehte sich wieder um.

      „Hören Sie, schöne Frau!“, Hall wurde nun eindeutig ungemütlicher, „der Mann war hier Stammgast. Dafür gibt es Zeugen. Und wenn Sie das nicht augenblicklich zugeben, lasse ich Ihren Laden so auseinander nehmen, dass Sie ihn nicht wiedererkennen.“

      Die drei Mädchen am Tresen zogen sich verängstigt zurück. Auch die Bardame schien plötzlich kalte Füße zu bekommen. Einen Moment zierte sie sich noch, dann gab sie sich einen Ruck.

      „Doch, der Mann war öfter hier. Angeblich soll er bei der NASA ein großes Tier gewesen sein. Den Mädchen hat er erzählt, dass er es versäumt hätte, seine Erfindungen patentieren zu lassen, und als er in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sei, habe man ihn einfach auf die Straße gesetzt. Das Space Center habe ihn ausgepresst wie eine Zitrone, um ihn danach als wertlose Schale wieder auszuspucken. Hier in Texas, so hat er jedenfalls gesagt, zählten ohnehin nur Siegertypen mit einem prall gefüllten Bankkonto.“

      „Warum haben Sie sich denn auf den Fahndungsaufruf hin nicht gemeldet?“, wollte Hall wissen.

      „Junger Mann!“, die Frau hinter der Bar wirkte, als sei dies die dümmste Frage, die ihr je gestellt worden war, so dumm, dass sie am Verstand des Fragestellers zweifeln musste.

      „Wenn ich jeden Furz, der hier abgeht und die Luft verpestet, der Polizei melden würde, dann müssten Sie mir in Ihrem Büro ein Bett aufstellen.“

      „Hier geht es um keinen Furz, sondern um Mord!“

      „Sie wollen damit doch hoffentlich nicht sagen, dass Einstein ermordet worden ist!“

      Der genervte Gesichtsausdruck der Dame mutierte zu echter Betroffenheit.

      „Aber das wissen Sie doch bereits. Man hat ihn ja nicht weit von hier tot aus dem Wasser gefischt.“

      „Dieser Tote soll Einstein gewesen sein?“

      Hall ging nicht weiter darauf ein, sondern überlegte die nächste Frage.

      „War Einstein immer alleine hier?“

      „Ja. – Nein, warten Sie! Als er das letzte Mal hier war, bekam er Besuch von drei Herren.“

      „Wann war das?“, fragte Stevenson neugierig und zog ein Notizbuch aus der Jackentasche.

      „Vor etwa zwei Monaten.“

      „Wie haben die Herren denn ausgesehen?“

      „Wie Mexikaner, untersetzt, Schnurrbärtchen, Pomade in den Haaren, Goldkettchen und so“, antwortete sie und kicherte dabei.

      Stevenson ließ den Stift sinken und tauschte Blicke mit Hall. Diese klischeehafte Beschreibung hätte ihm auch ein Blinder geben können.

      „Kommen Sie morgen in mein Büro. Wir werden versuchen, von den Herren Phantombilder anzufertigen.“

      „Das ist unmöglich!“, protestierte sie. „Höchstens von dem, der das große Wort geführt hat.“

      „Wissen Sie, worum es ging?“

      „Ich nicht, aber meine Mädchen“, sie nickte in Richtung Hintertür, „sie haben aufgeschnappt, dass die Männer Einstein angeheuert haben.“

      „Als was?“

      „Kein Ahnung! Ich weiß nur, dass sie ihm ein Flugticket in die Karibik und einen ordentlichen Vorschuss zugesteckt haben.“

      „Die Männer müssen Einstein demnach gekannt haben“, überlegte Hall laut, „wohin sollte denn die Reise genau gehen?“

      „Wie schon gesagt, in die Karibik. Mehr weiß ich nicht! Der Vorschuss war aber immerhin so hoch, dass Einstein alle seine Schulden bei mir bezahlen konnte. Fast zweitausend Dollar.“

      „Holy shit!“, entfuhr es Stevenson, der dafür prompt einen strafenden Blick von seinem Begleiter einfing.

      „Sie haben uns sehr geholfen, Madame. Hier haben Sie meine Karte. Ich erwarte Sie morgen früh Punkt zehn Uhr in meinem Büro“, sagte Stevenson und schritt wortlos zum Ausgang. Hall folgte ihm.

      6. Kapitel

      Bramme blickte neugierig aus dem Flugzeugfenster, als sie sich im Landeanflug auf George Town, Grand Cayman, befanden. Das Meer da unten schimmerte je nach Wassertiefe sand-, oder türkisfarben und in allen Blautönen von aquamarin über azur bis zu indigoblau. Als die Insel in Sicht kam, war es ihm, als landeten sie geradewegs im Paradies. Stolze Segelboote und protzige Motorjachten kreuzten vor der Küste. Kurz bevor die Maschine aufsetzte, überflogen sie einen bis auf den letzten Anlegeplatz besetzten Jachthafen. Prächtige, schneeweiße Villen, großzügig angelegte und gepflegte Gärten, in allen Regenbogenfarben blühende Stauden und Blumen, Schwimmbecken, von satten Grünflächen und Palmen eingerahmt, ließen ihn aus dem Staunen nicht herauskommen. Als er seine Wahrnehmungen George Simon mitteilte, winkte der angewidert ab.

      „Außer der Natur ist hier alles mit Geld an dem Blut klebt, geschaffen worden. Mit Geld, das aus dem Waffen-, Drogen-, und Menschenhandel stammt. Das Meer um die Insel herum müsste eigentlich blutrot gefärbt sein. Und die Villen dürften nicht schneeweiß, sondern sie müssten pechschwarz sein, denn sie wurden mit Schwarzgeld finanziert, das von Steuerhinterziehern, Betrügern und Erbschleichern kommt.“ Simon redete sich den Frust von der Seele, gegen diese Machenschaften nichts unternehmen zu können.

      Bramme musste Simons Worte erst einmal verdauen, während Simon selbst derweil in einem Werbeprospekt über die Cayman Islands blätterte.

      „Hier steht es doch schwarz auf weiß:“, schimpfte Simon weiter, „die Cayman Islands sind Weltmeister im Off-shore-Banking. Weltmeister im Geldwaschen wäre zutreffender!“

      „Ist es denn wirklich so schlimm?“

      „Schlimm ist gar kein Ausdruck. Hier werden in einigen hundert Briefkastenfirmen Milliarden gewaschen, und von jeder Summe zweigen diese Gauner zwanzig Prozent Provision für sich ab. Steuerfrei wohlgemerkt!“

      „Zwanzig Prozent? Ist das nicht etwas übertrieben?“

      „Keineswegs! Ab einer bestimmten Summe ist das der übliche Provisionssatz. Wenn einer nur mit ein paar läppischen Millionen ankommt, zahlt er sogar noch mehr.“

      „Einen sogenannten Mindermengenzuschlag also“, stellte Bramme ironisch fest und fügte hinzu: „So leicht möchte ich mein Geld auch mal verdienen.“

      „Nichts ist leichter als das. Zur Gründung einer Briefkastenfirma brauchst du nur eintausend Dollar.“

      Als sie wenig später in einem Taxi durch die Stadt fuhren, an den protzigen Villen, Parks und Hochhäusern vorbei, platzte es aus Bramme heraus: „Hier stinkt es tatsächlich nach Geld!“

      Der Taxifahrer hielt vor einem modernen Bürogebäude. Simon bezahlte und sie stiegen aus. Ihre Blicke schweiften über die weiße Marmorfassade und blieben schließlich an einem blank geputzten Messingschild hängen. WILFORD CONSULTING stand dort auf der hochglanzpolierten Tafel.

      Sie hatten die Kanzlei noch kaum betreten, da kam auch schon eine adrette Sekretärin auf sie zu und führte sie in ein kleines Konferenzzimmer. Ledersessel, ein Tisch mit einer fein gemaserten Platte aus Edelholz, ein teurer Teppich und an der Wand ein modernes Gemälde. Bramme wäre nicht überrascht gewesen, wenn man ihm gesagt hätte, dass es von Picasso höchstpersönlich stammte.

      „Guten Tag, meine Herren, bitte nehmen Sie Platz“, sagte Wilford zur Begrüßung, „Was kann ich für Sie tun?“

      In Wilfords Adern