Tod im Maisfeld. Herbert Weyand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Herbert Weyand
Издательство: Bookwire
Серия: KHK Claudia Plum
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847622260
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bleibe ich übrig«, warf Kurt in die Runde.

      »Du hältst die Stellung. Ich habe das Gefühl, unsere Hütte wird noch wichtig. Einerseits warte ich auf das Ergebnis der Untersuchungen, die Griet in Den Haag durchführen lässt und andererseits gehen mir die Typen nicht aus dem Kopf, von denen du erzähltest. Dann ist da Raissa Stone ... die wird nichts unversucht lassen, dich auf ihre Seite zu ziehen.«

      »Sind wir wieder beim Thema«, stellte Kurt leicht genervt fest.

      »Nein, nein.« Claudia wehrte ab. »Das hat nichts mit unserer vorherigen Diskussion zu tun. Wenn du uns helfen willst, dann am besten hier.«

      »Ungern. Aber wenn es sein muss …«, er nickte zum Einverständnis, dabei wusste er nichts mit sich anzufangen. Im Garten gab es zurzeit nichts mehr zu tun und Lesen ... davon hatte er in der letzten Zeit zu viel.

      »Ich brauche euch nicht zu sagen, dass wir Schwierigkeiten, bis zu einer Suspendierung, bekommen können.« Claudia versuchte, die anderen zu warnen. »Im Büro bitte nur die allgemeinen Sachen zu unserem Fall … ihr erinnert euch an die Abhöraktion vor einem halben Jahr. Wir treffen uns regelmäßig hier und wenn wir es als Grillparty tarnen müssen. Maria … gleich hätte ich einen Termin mit dem Staatsanwalt bei uns im Büro. Den übernimmst du bitte.«

      »Gerne.« Maria stand auf, nahm ihre Tasche und winkte kurz. Auch Heinz verschwand null Komma nichts.

      »Ist das wirklich so ein Chaos bei euch oder gehst du auf Nummer sicher?« Kurt sah sie besorgt an. Ihre Wangen setzten gerade wieder ein wenig Fleisch an. Die Entbehrungen, die sie während ihrer Entführung erlitten hatte, standen in ihrem Gesicht.

      »Viel schlimmer«, antwortete sie müde. »Ich weiß nicht, wo ich anpacken soll. Die Zeit wird zeigen, ob Dengler das drauf hat, was er heute andeutete. Im Grunde kann mir nur ein Zufall helfen.«

      »Dein Job wäre nichts für mich. Im Dunkeln fischen und nicht zu wissen, wer wen am Haken hat. Da liebe ich meine Physik.«

      »Dafür mischst du aber immer kräftig mit«, sie lächelte.

      »Das ist anders. Ich muss es nicht tun … aber ich kann.«

      *

      Claudias Handy klingelte. Ärgerlich nahm sie es aus dem Beutel, den sie um die Hüfte trug. Sie trabte am Heiderand entlang. Der heutige Tag brachte nicht den Durchbruch. Wenn sie nachdachte, hatte er nichts gebracht, außer Ärger. Richtig betrachtet waren schon die letzten Monate nicht das Gelbe vom Ei. Sie gingen kaum im Büro dem Job nach. Fast immer unterwegs. Ehrlich gesagt konnte sie auf Flipcharts und ellenlange Gespräche verzichten. Im Grunde arbeiteten sie wie ein Sondereinsatzkommando. Flexibel und erfolglos. Sie lachte leicht. Das Team vom Bau oder so ähnlich. Es ging auf siebzehn Uhr zu. Seit einer halben Stunde Feierabend. Die Sonne zog langsam aber bestimmt zum Horizont. Der Herbst grüßte. Sie konnte dieser Jahreszeit nichts abgewinnen, dennoch faszinierte sie das Farbenspiel in Gold-, Braun- und Grüntönen, das die Natur hier verschwenderisch darbot. Der Himmel leuchtete rot und reflektierte die Wolken, die fast die Farben der Vegetation annahmen.

      »Ja.« Ihr Gegenüber sollte ruhig merken, dass sie sauer war.

      »Raissa. Stone hier.«

      »Woher haben Sie diese Nummer?«

      »Aus Ihren Unterlagen, die ich bekommen habe. Wo sind Sie?«

      »Irgendwo im Feld. Ich laufe mir den Frust herunter.«

      »Können wir uns sehen?«

      »Weshalb nicht?«

      »Wann und wo?«

      »Das kommt darauf an, wo Sie sind.«

      »Auf der Base.«

      »In zehn Minuten an der Kreuzung Waldstraße zur Panzerstraße.«

      »Welche Panzerstraße?«

      »Aus der Base und der Siedlung heraus die erste befestigte Straße rechts.« Sie vergaß, dass ein Fremder den umgangssprachlichen Namen der Straße nicht kannte. Die Bundeswehr baute in den achtziger Jahren eine Straße ins nirgendwo. Sie endete mitten im Feld. Wahrscheinlich lag damals Geld in der Schublade, das verbraten werden musste.

      »Gut. Bis gleich.«

      Claudia rief Kurt an. »Ich treffe mich gleich mit der Stone.«

      »Wo?«

      »Waldstraße. Ich denke, wir sind dann zum Heideparkplatz.«

      »Wann soll ich dich anrufen?«

      »Lass‹ mir eine Stunde.« Während sie telefonierte, lief sie locker zum Treffpunkt, an dem ein dunkler unauffälliger Wagen wartete. Raissa stand neben dem Fahrzeug.

      »Hallo. Schön, dass sie dem Treffen zugestimmt haben.«

      »Ich hab‹ keine Lust«, bemerkte Claudia. »Aber was soll ich machen. Nehmen Sie mich mit und wir fahren zum Parkplatz?«

      »Gern.«

      Der Parkplatz war leer. Bis vor wenigen Tagen standen die Fahrzeuge bis in den späten Abend dort. Spaziergänger, Jogger und Liebespaare. Der Temperatursturz der letzten Tage hielt die Menschen zu Hause vor dem Kamin. Claudia musterte Raissa. Sie trug einen formlosen Jogginganzug, der so verknautscht und alt aussah, dass er wie ein Erbstück wirkte. Die Haare lagen fest am Kopf und sie zeigte sich ungeschminkt. Frisch gebadet oder geduscht. Nichts von alledem nahm ihr die Ausstrahlung und Faszination.

      »Und?«, fragte Raissa.

      »Was und?« Claudia beabsichtigte nicht, etwas preiszugeben.

      »Sind die Dinge, die ich ihnen vorausgesagt hatte, eingetreten?«

      »Das wissen Sie genauso gut wie ich.«

      »Sicherlich. Was haben Sie empfunden?«

      »Hören Sie Raissa. Ich bin nicht zu einer Psychoanalyse hier. Sie glauben nicht wirklich, dass ich Ihnen um den Hals falle, wenn Sie mein Leben von heute auf morgen verändern.«

      »Falls Sie von mir denken, ich halte Sie für blöd … nein. Ich habe größte Hochachtung vor Ihnen. Das ist mehr, als Sie von Ihren Vorgesetzten erwarten können.«

      »Also gut. Ich habe heute den Kontakt mit meinen Vorgesetzten gemieden, weil ich hoffte, über Sie Details zu bekommen. Welche Rolle spielen Sie tatsächlich?«

      Raissa ruckelte unruhig auf dem Fahrersitz und wandte den Kopf von Claudia ab, zur Windschutzscheibe. Dabei zog sie einen Kaugummi aus der Packung.

      »Was ich Ihrem Lebensgefährten über mich erzählte, ist richtig. Ich verbrachte fast mein ganzes Leben in Deutschland und arbeite bei der Army. Das verhinderte nicht, dass ich von einer unserer Agenturen rekrutiert wurde. Dazu bedurfte es keines besonderen Anlasses oder Ausbildung. Ich war jung und stolz darauf, zu den Auserwählten zu gehören. Im Verlaufe der Jahre führte ich drei Aufträge durch, die mir zeigten haben, dass ich nicht für eine solche Aufgabe geeignet bin. Meine Jugend war streng und ich stand unter dem Einfluss eines traumatischen Erlebnisses. Meine Hintermänner erwarteten, dass ich meinen Körper einsetzte. Das wurde mein Problem. In der Army entwickeln sie Abwehrmechanismen. Die Überzahl meiner Kollegen halten Frauen für Freiwild und tun sich keinen Zwang an. Sie werden innerlich hart und abweisend dem anderen Geschlecht gegenüber. Meine Sexualpartner suche ich mir selbst und weit weg, wo niemand weiß, was ich beruflich tue.« Sie wandte nachdenklich den Kopf zu Claudia. »Ich verliere mich. Meine Aufgaben für das ›Büro‹ erledigte ich. Eine eklige Angelegenheit, die mir zeigte, dass ich das nicht haben muss. Den jetzigen Auftrag übernahm ich, weil Kameradinnen und Kameraden an den Fronten dieser Welt betroffen sind.«

      »Ich möchte offen zu Ihnen sein«, begann Claudia vorsichtig, nachdem Raissa einige Zeit schwieg. »Mir fällt es schwer, Ihren Worten zu glauben. Unser Polizeiapparat und die Politik sind in Aufregung. In einer solchen Angelegenheit sind wir nicht prädestiniert, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Wir haben den BND, den Verfassungsschutz, das BKA und was sonst noch alles. Meine Kollegen und ich sind