»Wie ihr den Kurzfassungen entnehmen könnt, stehen wir vor mehreren Herausforderungen. Ich möchte, dass wir uns auf folgende Bereiche konzentrieren«, sagte er in vertrauensvoller Art.
Erstens möchte ich, dass jemand mit der Frau des Wildhüters des Ngorongoro Kraters spricht. Ich möchte nicht nur wissen, was sie gesehen, sondern auch was sie genau gefühlt, gespürt hat. Womöglich hat sie selber auch eine Idee, worum es sich gehandelt haben könnte. Wer übernimmt das?«, fragte er.
James Woods meldete sich, denn er hatte länger in Kenia als Kryptologe gearbeitet. Er kannte sich mit der ostafrikanischen Mentalität aus und war auch ein paar Mal in Tansania. Wenn einige seiner Kollegen jeweils den Kopf über afrikanische Gepflogenheiten, oder besser gesagt, Unarten schüttelten, dann sagte er nur drei Wörter »This is Africa!«. Er hatte schon im Voraus gehofft, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen.
»Ich werde Na-Soma kontaktieren«, sagte er mit einem gewissen Stolz, denn er hatte schon vor der Besprechung ihren Namen herausgesucht.
»Danke«, sagte Lavoisier anerkennend.
»Zweitens möchte ich, dass sich jemand den Taucher in Belize vornimmt. Er ist ein erfahrener Ex Navy Seal. Die wurden trainiert, auf kleinste Details zu achten. Wer übernimmt das?
John Melling meldete sich, und das erstaunte niemanden im Team, denn Mellings Hobby war neben Fallschirmspringen das Tiefseetauchen.
»In Ordnung John«, sagte Lavoisier.
»Drittens möchte ich eine elektronische Überwachung der Kommunikationsgeräte aller »Sun«-Reporter in London. Ich will wissen, ob einer von ihnen in unserem Zusammenhang Kontakt zu Edward Bakon hatte. Vor allen will ich wissen, wer auch noch versucht, sie zu kontaktieren«.
Zwei IT-Spezialisten nickten und gaben damit zu verstehen, dass sie sich darum kümmern würden.
»Viertens möchte ich einen Bericht über Magnetfeldanomalien in Tansania, in Belize und in Stonehenge zum besagten Zeitpunkt.
»Helen, kannst du das mit den Jungs der NASA und der ESA prüfen? Als Astrophysikerin bist du sicher die geeignete Person«, sagte er.
Helen Moody nickte nur unmerklich, aber das war ihre Art, sich mit etwas einverstanden zu erklären.
»Fünftens möchte ich wissen, was die wichtigsten Verschwörungstheoretiker auf ihren Plattformen verlauten lassen. Am besten nimmt jemand Kontakt mit Albert Greenspan auf«.
Lavoisier wusste, dass dies ein Fall für Robert Bruce war. Er wollte ihm den Fall aber nicht aufdrängen, sondern wartete ab. Alle schauten Bruce an und warteten, ob er sich melden würde.
»Okay, Okay Leute, ich mach das schon«, sagte er wenig begeistert. Denn das letzte Mal wurde er von Greenspan so richtig über den Tisch gezogen und der Lächerlichkeit preisgegeben.
»Danke, Bruce, sag ihm, du hast einen Tipp aus Rom bekommen. Die Katholiken sollen an was dran sein. Danach wird er dich sicher sofort empfangen«.
Lavoisier musste selber schmunzeln, wenn er daran dachte, Greenspan auf eine falsche Fährte zu locken.
»Sechstens möchte ich wissen, ob solche Ereignisse auch schon in der Vergangenheit vorgekommen sind. Wenn ja, wo und wann«.
Die restlichen Teammitglieder nahmen sich dieser Aufgabe an. Lavoisier fasste die Aufträge zusammen und vereinbarte mit dem Team am morgigen Tag Punkt 8:00 Uhr die nächste Besprechung. Da möchte er Ergebnisse sehen. Die Teammitglieder wollten aufstehen und den Raum verlassen. Lavoisier aber erklärte allen, dass er sie nun nochmals bitten möchte, den Fernsehbeitrag von Edward Bakon anzuschauen.
»Wir brauchen jeden Hinweis, der uns hilft, die andere Person zu finden«, sagte er.
Alice bereitete die Videosequenz vor. Lavoisier wollte mit den Anwesenden einen kleinen Versuch durchführen. Er hatte diese Methode auch schon angewandt. Manchmal funktionierte sie, manchmal auch nicht.
»Ich werde euch am Ende des kurzen Filmbeitrags scheinbar zusammenhanglose Fragen stellen. Ich bitte euch, mir spontan mitzuteilen, was euch in den Sinn kommt. Seid ihr bereit?«, fragte er sie.
Alle nickten und Lavoisier nahm seinen Füller zur Hand, damit er bereit war, die Antworten aufzuschreiben.
Alice drücke den Abspielknopf, und alle schauten sich den Beitrag nochmals genau an. Am Ende angekommen, begann Lavoisier mit den Fragen.
»Sonne«, gab er als ersten Begriff in die Runde.
»Heiss, schön, Sonnenuntergang, Aufgang, weiss, rot, violett, Leben ermöglichend«, kamen schnell die Antworten zurück.
»England«, lautete der zweite Begriff.
»Bobby, Manchester United, Picadilly Circus, Lord Nelson, Magna Charta, Queen, Harry Potter, Insel«, war weiter zu entnehmen.
»Geschichte«, sagte er als nächstes.
»Napoleon, Jesus, Hitler, Kennedy, Israel, Sumerer, Maya, Azteken, Indianer, Kolumbus, Magellan, Pyramiden, Weltkrieg, Kalter Krieg«, kam als nächstes zurück.
»Haus«, sagte er.
»Wärme, Schutz, schlafen, ausruhen, Geborgenheit, essen, wohnen, Reichtum, Status, Hotel, Ferien, gemütlich«, teilten die Teilnehmer mit.
»Erfindungen«, rief er ihnen zu.
»Rad, Rakete, Penicillin, Atombombe, Pille, Schmerzmittel, Strom, Computer, Glas, Internet, Schrift, Auto, Taxi, Flugzeug«, waren die nächsten Antworten.
Lavoisier hielt augenblicklich inne.
»Zeig mir den Film nochmals«, bat er Alice.
Alle schauten Lavoisier erstaunt an. Aber sie wussten, dass er eigenartige Methoden hatte, Lösungen zu finden.
»Stopp, ein wenig zurück. Ja genau hier. Standbild bitte«, sagte er.
Alle blickten angespannt auf das stehengebliebene Bild. Aber keiner konnte dem Gedankengang von Lavoisier folgen.
»Was seht ihr da?«, fragte er.
»Die Taxiquittung von Edward Bakon, sagte Bruce.
»Genau, und was sagt uns das?«, fragte er weiter?
»Genial«, sagte Alice, »wenn er mit dem Taxi unterwegs war und nicht alleine gehandelt hatte, dann weiss der Taxifahrer sicher noch, wo er ihn abgeholt oder hingebracht hat.«
»Genau!«, antwortete Lavoisier. »Findet die Person und bringt sie in Sicherheit«.
»Ich übernehme das«, meldete sich Alice. Insgeheim hatte er gehofft, dass sie das sagen würde.
»Der Innenminister entschied, dass das Vorhaben höchste Priorität habe. Ich vermute, dass er wohl mehr weiss als wir. Alles was ihr braucht, steht euch zur Verfügung«.
Lavoisier verabschiedete alle ausser Alice.
»Kommst du mit mir zu Charles einen Kaffee trinken?«, fragte er in leisem Ton Alice.
Sie nickte, sammelte ihre Notizen zusammen und im Nu verliessen beide auf getrennten Wegen das Institut. Alice wusste, was dieser Satz bedeutete. Schon vor längerer Zeit war das ihr Code, wenn er etwas mit ihr ausserhalb der offiziellen Umgebung besprechen wollte. Kurz darauf kam Alice bei Charles an, der schon mit Lavoisier sprach. Er unterbrach das Gespräch sofort, als er Alice sah.
»Herzlich willkommen, meine Liebe«, begrüsste er sie herzhaft.
»Hallo Charles, wie geht’s dir und deiner Familie?
»Soweit gut, und wenn nicht, machen wir das Beste daraus«, antwortete er.
»Ihr könnt in mein Hinterzimmer gehen. Dort ist es ruhig und bei dem Lärm auf der Strasse wird niemand mitbekommen, worüber ihr sprecht. »Was darf ich euch bringen, das übliche?«, fragte Charles.
»Ja