Endgame. Alexander Winethorn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Winethorn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742764508
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auf eins zu zwanzig. Auf jeden Polizisten kamen etwa zwanzig Demonstranten. Zwanzig potentielle Angreifer.

      Aber die Demonstranten waren nicht Adams einzige Sorge. Der blonde Kollege, der am anderen Ende des Parkplatzes Wache stand, spielte vergnügt mit seinem Schlagstock und schien sich mit seinem Kollegen köstlich zu amüsieren. Er zeigte keinerlei Anspannung, ganz im Gegenteil, der Blonde grinste mit freudiger Erwartung in Richtung der Demonstranten.

      Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Kerl, stellte Adam fest.

      Aufgrund des nicht enden wollenden Zustroms von Menschen vergrößerte sich die Gruppe der Demonstranten um ein Vielfaches. Je größer die Menge wurde, umso lauter und energischer grölten die Leute. Das schrille Pfeifen und die wilden Freudenschreie der Protestierenden wurden von den Tieren im Zoo mit Gebrüll und Heulen beantwortet. Tiere und Menschen feuerten sich gegenseitig an, und es entstand eine fast zirkusähnliche Stimmung.

      Langsam aber sicher verloren Adam und Lukas ihre Kollegen aus den Augen. Nur die Kontrollrufe über das Walkie-Talkie bezeugten, dass sie sich noch vor Ort aufhielten. Ungeduldig warteten die Polizisten auf die versprochene Verstärkung aus dem Hauptquartier.

      Wo bleiben sie so lange? Sie hätten schon längst hier sein müssen, dachte Adam. Im Falle einer Ausschreitung wäre es für sie unmöglich gewesen, mit nur 13 Polizeibeamten die Kontrolle zu bewahren. Zwar trug jeder von ihnen Schutzbekleidung, Einsatzschild, Pfefferspray und einen Schlagstock, aber bei dieser Anzahl an Demonstranten würde ihnen auch die beste Ausrüstung nicht mehr viel helfen können.

      Adam hörte, wie sich ein Fahrzeug dem Parkplatz näherte. Er drehte sich um, in der Hoffnung endlich die Verstärkung begrüßen zu können. Diese Hoffnung wurde schnell zu Nichte gemacht, als er erkannte, dass es sich bei dem herankommenden Fahrzeug um einen weiteren Bus voll mit Demonstranten handelte.

      ****

      Alice atmete erleichtert auf, als der Gemeinschaftsbus den Parkplatz erreicht hatte, und sie den Zoo vor sich sehen konnte. Damals in der Schule hatte sie schon so einige schlimme Busausflüge erlebt, aber dieser übertraf sie alle.

      Eigentlich wollte sie die Gelegenheit dazu nützen, mit Albert endlich ein wenig intim zu werden. Außerdem wollte sie ihn über den purpurnen Vorhang im Zelt befragen. Doch die Fahrt entpuppte sich als eine anstrengende Lärmorgie, bestehend aus singenden und schreienden Aktivisten sowie dem Schnarchen ihres fettleibigen Sitznachbars. Albert selbst saß zwei Reihen vor ihr, gleich neben Lydia. Beide schienen sich gut zu unterhalten. Etwas zu gut für ihren Geschmack. Je öfters sie miteinander lachten, umso tiefer sank die Laune von Alice. Der Gestank von verschwitzten, ungewaschenen Männern und der beißende Geruch von irgendetwas Undefinierbarem halfen auch nicht besonders dabei, ihre Stimmung zu heben. Wäre es ihr möglich gewesen, aus dem fahrenden Bus zu springen, sie hätte es getan. Der dicke, schnarchende Mann neben ihr versperrte Alice jedoch den Weg. Der Ekel überkam sie, und sie wurde ihn nicht mehr los.

      Als der Bus vor dem Zoo stehen blieb, hatte ihre Pein endlich ein Ende. Auf dem Parkplatz dehnte und streckte sie Beine und Arme und genoss die frische, schwüle Nachtluft. Sie wollte sich noch ein wenig umsehen, bevor sie sich zu Albert gesellte, aber vor allem brauchte sie vorher noch dringend eine Zigarette. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Albert sie nicht beobachten konnte, holte sie einen Glimmstängel aus der Packung, steckte ihn gierig in den Mund und zündete ihn mit ihrem rosa Feuerzeug an. Sie nahm einen tiefen, kräftigen Zug und verspürte ein angenehmes Kribbeln in den Fingerspitzen. In ihrem Mund spielte sie mit dem Rauch, bis sie den Qualm mit einem erleichterten Seufzer ausstieß. Ihr ganzer Körper entspannte sich von all den Strapazen, und sie fühlte, wie sich ihre Nerven wieder beruhigten.

      Sie wunderte sich über die große Beteiligung der Leute an den Protestmarsch. Ihre Verwunderung schlug in leichtes Entsetzen um, als sie zusah, wie eine Frau nackt in einen Käfig stieg. Von der Neugierde getrieben, ging sie zu der Frau hinüber. Der Mann, der an ihrer Seite stand, war gerade dabei, die Käfigtür von außen mit einem Schloss zu verriegeln.

      »Entschuldigen Sie bitte?«, sagte Alice höflich. Der Mann und die nackte Frau, die nun im Käfig hockte, wandten sich zu ihr. »Darf man fragen, warum Sie das machen?«

      »Es ist ein symbolischer Akt«, antwortete die Frau im Käfig.

      »Ein symbolischer Akt? Was soll er symbolisieren?«

      »Wir wollen damit ausdrücken, dass wir Gefangene des korrupten Systems sind«, meinte der Mann.

      Alice deutete auf seine entblößte Partnerin. »Muss sie dabei nackt sein?«

      Die Frau kicherte. »Müssen tue ich es natürlich nicht, aber ich möchte es. Es soll zeigen, dass wir nichts mehr besitzen. Kein Geld, kein Auto, kein Haus und keine Arbeit. Wir besitzen nur noch unseren Körper. Das Fleisch, die Haut, die Knochen, das Blut und die Haare.«

      »Ich glaube, ich verstehe«, sagte Alice, die es jedoch immer noch nicht verstand. Die ganze Aktion empfand sie für recht dumm, aber das behielt sie für sich. Mit einer höflichen Geste verabschiedete sie sich von dem Paar, wünschte ihnen viel Glück und spazierte weiter.

      Ein anderer Demonstrant zog sich ein großes, weißes Hasenkostüm an. Alice hatte eine derartige Verkleidung schon einmal in einem Vergnügungspark gesehen, wo Angestellte diese Tierkostüme trugen, um Kinder zu unterhalten.

      Was für ein seltsames Volk, diese Demonstranten doch sind, dachte Alice kopfschüttelnd und ging weiter.

      Am Eingang des Zoos sah sie zwei Polizisten stehen, von denen einer gutaussehend war und der andere leider nicht. Als sie den sexy Polizisten genauer betrachtete, bemerkte sie seine himmelblauen Augen, sein männliches Kinn und seinen sehr muskulösen Körper. Bei seinem Anblick musste sie ein schmutziges Grinsen unterdrücken. Sofort fühlte sie sich schuldig, denn eigentlich war sie mit Albert hier, und sie wollte ihm nicht untreu sein. Der Gedanke an ihren Schatz veranlasste sie dazu, zurück zum Bus zu gehen. Sie rauchte ihre Zigarette fertig und sah dabei Albert, wie er mit Lydia quatschte. Sie verstanden sich gut miteinander. Etwas zu gut.

      Nein!, dachte Alice. Sie flirten miteinander!

      Wie konnte Lydia ihr das nur antun? Ihre Freundin wusste von ihren Gefühlen zu Albert. Er war der Grund, warum sie sich diesen Stress überhaupt antat. Sie interessierte sich nicht für diese dämliche Demonstration oder dieses eklige Zeltlager. Einzig Albert war ihr wichtig, und Lydia war drauf und dran, ihr den Geliebten unter der Nase wegzuschnappen. Sie musste das Flirten unterbinden.

      Mit entschlossenen Schritten stampfte Alice in ihren weißen Stiefeln zu ihrer Freundin. »Also geht’s jetzt los?«, fragte sie mit einem geheuchelten Lächeln auf ihren Lippen.

      Albert und Lydia blickten zu ihr und fingen an, laut zu lachen.

      Alice sah die beiden verblüfft an. »Was ist so witzig?«

      »Wir …«, lachte Lydia und holte tief Luft, »… wir haben gerade über dich gesprochen.«

      »Du meinst wohl gelästert«, sagte Alice wütend.

      »Wir haben nicht gelästert«, meinte Lydia. »Albert hat mit mir gewettet, ob du aus dem Bus aussteigen wirst oder nicht.«

      »Und wer hat die Wette gewonnen?«, fragte Alice verärgert.

      »Keiner von uns. Wir beide haben darauf gesetzt, dass du im Bus bleiben wirst und zurück nach Hause fährst. Also haben wir beide die Wette verloren. Das macht die ganze Sache so witzig«, antwortete Lydia amüsiert.

      Alice war kurz davor, ihre Geduld zu verlieren, doch Albert bemerkte ihren Unmut und umarmte sie. »Ich spüre deine negativen Schwingungen, Alice. Sei bitte nicht wütend auf uns, wir haben es nicht böse gemeint«, flüsterte er ihr zärtlich ins Ohr. »Du musst deinen Geist öffnen und die neue spirituelle Wahrheit in dich aufnehmen. Wir sind hier, um den Politikern die Transformation unserer Gesellschaft zu offenbaren.«

      Alice verstand zwar kein Wort von dem, was er sagte, aber seine Umarmung half dabei, sie zu besänftigen. Er drückte sie fest an sich und lächelte sie mit seiner typisch charmanten Art an. Ihre