BÖSE im Bett. Andrea Lieder-Hein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrea Lieder-Hein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847642756
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hier in Wittmund das Gymnasium, Klasse 8. Seinen Eltern gehört die Bäckerei „Mien Moje Bäcker“. Aber bevor wir das nicht genau wissen, benachrichtigen wir niemanden. Da kommt es jetzt auf eine Stunde länger nicht mehr an. Das Mädchen ist wohl auch so alt.“

      Burmeester schüttelte den Kopf. „Hat die Kinder denn niemand als vermisst gemeldet? Nach Aussagen der Gerichtsmedizin sind die doch seit Samstag tot. Und zwar gegen zwei Uhr in der Früh. Da liegen Kinder in dem Alter normalerweise im Bett. Zu Hause, und nicht in einer zerfallenen Hütte am Wegesrand. Ich würde doch sagen, ich merke, wenn mein Kind zwei Nächte nicht zu Hause ist. Mit vierzehn?“

      „Bei uns ging nichts ein“, erwiderte Reisig. „Das Mädchen starb übrigens schon gegen zwei, der Junge erst nach vier. Aber da fehlen noch genauere Temperatur-Messungen am Fundort. Die Spurensicherung ist extrem schwierig, weil es so gegossen hat in der Nacht zu Samstag. Das Dach ist defekt, da hat es nur so reingeschüttet.“

      Um die Mittagszeit stand fest, dass es sich tatsächlich um Timm Stiemert und die ebenfalls 14jährige Emma Tews handelte. Neben den Toten wurden zwei nach Alkohol riechende Cola-Flaschen sichergestellt. Äußerungen wie Koma Saufen oder Alkoholvergiftung machten schnell die Runde unter den Beamten.

      Jana Drexeler hatte ein flaues Gefühl im Magen, als die beiden Polizisten an der Tür von Emmas Mutter klingelten. Das grau verputzte Reihenhaus ließ keinerlei Schlussfolgerung auf deren Anwohner zu, also warteten die zwei, wer da öffnen möge. Emmas Mutter, Frau Tews, war mittelblond, schlank und verhärmt. Wahrscheinlich war sie erst Mitte, Ende dreißig, aber bei einer Altersangabe von fünfzig hätte sich auch niemand gewundert.

      „Ja?“

      „Hauptkommissar Egon Reisig und meine Kollegin Jana Drexeler. Dürfen wir kurz reinkommen?“

      „Warum? Hat Emma was ausgefressen?“

      „Nein, aber hier hören uns alle zu. Sollen wir nicht doch..?“

      Ohne ein Wort zu sagen schlurfte Frau Tews in die Wohnung zurück. Die Beamten folgten ihr. Es ging in die Küche. Dort stand ein Pott mit Kaffee auf dem Tisch, daneben lag die Bild am Sonntag. Der Rest der Küche wirkte eher freudlos. Keine Blume, keine persönlichen Sachen, keine Fotos von Emma.

      „Wenn Sie was von Emma wollen, die ist bei Freunden. Freitag Geburtstag feiern. Kommt heute Abend wieder.“

      „Wann haben Sie Emma das letzte Mal gesehen?“, fragte Reisig.

      „Freitag. Ich hatte meine Migräne, und bin früh zu Bett. Freitagabend war Emma dann zu diesem Geburtstag.“

      „Bei wem wollte sie Geburtstag feiern?“

      „Namen kann ich mir nicht so merken. Aber es war eine aus der Schule, aus ihrer Klasse.“

      „Frau Tews, Ihre Tochter wurde heute früh in der Nähe vom Wittmunder Wald tot aufgefunden. In einer alten Hütte, auf einer Weide. Zusammen mit einem jungen Mann. Hatte Emma einen Freund?“

      Emmas Mutter schien die Worte nicht zu begreifen. Sie zeigte keinerlei Reaktion, keine Trauer, keine Tränen. Sie redete einfach weiter, als ob Reisig ihr verraten hätte, dass die Spargelsaison endgültig vorbei sei.

      „Einen Freund? Nein. Emma ist vierzehn. Sie ist in ihrer Klasse beliebt. Eine gute Klassengemeinschaft. Die Tochter vom Pastor hilft auch mal, wenn Mitschüler nicht so können. Die ist gut in der Schule.“

      „Kennen Sie Timm Stiemert?“

      „Wie gesagt, Namen kenne ich nicht. Vielleicht, ich weiß es nicht.“ Sie griff nach dem Kaffeepott und trank mehrere Schlucke.

      „Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Oder sollen wir jemanden benachrichtigen?“, fragte Jana Drexeler besorgt.

      „Warum soll mit mir was nicht in Ordnung sein? Nein, alles ist gut. Emma ist in guten Händen.“

      ***

      Danach fuhren die Beamten zu Timms Eltern. In der Bäckerei erfuhren sie, dass Herr und Frau Stiemert selbst hinter der Theke standen. Zwei weitere junge Damen bedienten, denn neben Brot, Gebäck und anderen Leckereien konnte man dort auch frühstücken. Eine Besonderheit waren die frischen Eier aus der Auricher Region, die am Tresen für alle sichtbar in einem Weidenkorb lagen und für Rührei und Spiegelei immer frisch vor den Augen der Gäste gebraten wurden.

      Mehrere Menschen standen wartend an der Theke oder saßen in den gemütlichen Sitzecken im Café. Sonntags war bis 16 Uhr geöffnet. Da kamen viele nach der Kirche noch schnell auf ein zweites Frühstück oder einen Cappuccino vorbei.

      Hauptkommissar Reisig räusperte sich und bat das Ehepaar einen Moment in eine ruhige Ecke des Hauses. Vater Stiemert ging voran in die im gleichen Haus gelegene Wohnstube. Auch hier roch es fantastisch nach Brot. Ganz anders als bei Emmas Mutter standen Blumen auf dem Wohnzimmertisch. Auf dem Kaminsims befanden sich mehrere Fotos von Timm und den Eltern.

      „Herr Stiemert, ich red’ nicht lange drum herum. Heute Morgen wurde Timm mit einer Mitschülerin zusammen beim Wittmunder Wald in einer alten Hütte bei den Weiden tot aufgefunden.“

      Herr Stiemert konnte gerade noch seine Frau greifen, ehe sie zusammen sackte. Danach stieß sie einen markerschütternden Schrei aus, bevor sie schluchzend auf der Erde kauerte und hemmungslos weinte. Reisig griff nach seinem Handy und bat Dr. Möhlmeyer, den diensthabenden Arzt, um Hilfe. Timms Mutter brauchte dringend etwas zur Beruhigung. Herr Stiemert schien etwas gefasster.

      „Was ist passiert?“

      „Wir wissen das erst genau nach der Obduktion, Anfang der Woche. Haben Sie Timm nicht vermisst?“

      „Timm wollte zu einer Geburtstagsfeier am Wochenende. Er erzählte, er wolle sich mit ein paar Kumpels treffen und zwei Nächte zusammen verbringen. Freitag nach der Schule sollte es losgehen. Eine Fahrt nach Spiekeroog. Das Geburtstagsgeschenk eines Freundes. In eine Wohnung dort, mit Eltern.“

      „Wem gehört die Wohnung auf Spiekeroog?“

      „Rupert, dem Rechtsanwalt Sohn. Rupert Wrege. Die haben eine Wohnung auf Spiekeroog. Da war Timm schon öfter mal mit.“

      „Hatte Timm eine Freundin?“

      „Nie im Leben. Er war ja gerade erst vierzehn und fand Weiber blöd, wie er immer sagte.“

      Inzwischen hatte Dr. Möhlmeyer die Bäckerei erreicht und versorgte die immer noch wimmernde Mutter von Timm.

      „Wie verschieden die Menschen auf den Tod von Verwandten reagieren“, wunderte sich Kommissarin Drexeler. „Ich hab schon alles gesehen“, nickte Reisig.

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