wussten kurze Zeit später die örtlichren Krähen von meiner Rettung, dann die im Landkreis, dann die im Lande und schließlich wusste dann endlich jede beliebige Krähe überall auf der Welt, wie es mir ergangen war, kurz ich wurde zu einer echten Berühmtheit. Dieser Ruhm wurde durch die Ereignisse der kommenden Tage sogar noch um eine besondere Begebenheit so exorbitant vergrößert, dass es mir in den folgenden Monaten leicht gefallen ist, meine Artgenossen davon zu überzeugen, dass es nur recht und billig war, meinem Retter eine kleine Gefälligkeit zu erweisen. Meine Heldentat hat ganz unmittelbar mit dem Futter zu tun, mit dem mein Retter sich entschieden hatte, mich aufzupäppeln. Genau, das war das besagte Katzenfutter. Ich habe mich offen gesagt, ganz schnell damit anfreunden können und als mein Retter nach guten Ratschlägen aus der Nachbarschaft es am übernächsten Tag vorgezogen hatte, meinen Nistplatz vom Käfig in den Fliederstrauch zu verlegen, hatte ich ein Déjà-vu Erlebnis. Lernfähig, wie wir Krähen nun einmal sind, war ich inzwischen dazu übergegangen, mir mein Futter selbständig aus dem Futternapf zu picken. Eben den hatte mein Retter, wohl um mich nicht zu verwirren, wie gewohnt in der Nähe des Käfigs deponiert und der stand nunmehr auf dem Boden. Ja, was soll ich sagen, der kleine Napf mit dem Katzenfutter steht im Garten auf dem Rasen und wartet darauf von wem vertilgt zu werden? Katze oder Krähe, das war hier die Frage. Aus Katzensicht vielleicht sogar Katzenfutter und kleine Krähe? Ich werde den Schrecken im Gesicht meines Retters nicht vergessen, als dieser Konflikt ganz plötzlich da war und er zu weit entfernt stand, um noch eingreifen zu können. Meinen Verwandten ging es übrigens nicht besser, wie mir deren Warnungen bewiesen. Für mich galt es jetzt kühlen Kopf zu bewahren. Aber für die Katze auch. Die Situation hatte es in sich. Da stehen sich die alte, erfahrene und in Ehren ergraute, gierige böse Katze, deren Beuteverhalten auf Vogel getrimmt ist auf der einen Seite und die junge, noch flugunfähige Krähe, die vom Beuteverhalten der Katze keine Ahnung hat auf der anderen Seite gegenüber und machen sich bereit, um den Futternapf mit Katzenfutter, zu kämpfen. Ich nehme an, Ihnen dürfte klar sein, wer diese Auseinandersetzung gewinnt, oder? Mein Retter und meine Familie dachten genauso. Aber bitte immer schön logisch bleiben. Wenn das so ausgegangen wäre, könnte ich ja jetzt kaum davon berichten, oder? Also, bevor Sie sich die vermutete schreckliche Geschichte von meinem Ende ersparen, sollten Sie also besser weiterlesen und sich von meiner Heldentat berichten lassen. Mitten hinein in die tödliche Stille habe ich nämlich ganz spontan meine Flügel ausgebreitet, den Kopf ausgestreckt und bin auf das blöde Katzenviech los. Der ungleiche Kampf hat nicht lange gedauert. Die völlig verunsicherte, feige Katze hat sich nur erschrocken geduckt, noch ganz kurz gezögert, dann aber auf dem Absatz Kehrt gemacht und die Beine in die Hand genommen. Den Napf mit dem Futter hatte ich damit für mich und dazu die Erfahrung und den Ruhm, von dem andere junge Krähen nur träumen können. Für meinen Retter bedeutete dieses Erlebnis, dass ich nun unerwartet schnell zwar, aber dafür sehr überzeugend aus den Kinderschuhen herausgewachsen war. Eine wehrlose junge Krähe, die eine äußerst aggressive Katze ohne mit der Wimper zu zucken in die Flucht schlägt schien ihm Argument genug zu sein, um mich nun auch des Nachts im Fliederbusch übernachten zu lassen. Da ich andererseits ja aber noch immer nicht fliegen konnte, durfte ich wieder auf die Hand meines Retters klettern und wurde von ihm an meinen Schlafplatz getragen. Der nächste Tag brachte dann das Wunder. Mein Retter hatte bereits frühmorgens das Haus verlassen. Den Vormittag verbrachte ich daher argwöhnisch beobachtet von meinen Eltern, die den Schreck vom Vorabend inzwischen auch verwunden hatten, in Begleitung der Familie meines Retters. Einmal auf den Geschmack gekommen stürzte ich mich sogleich auf den Käfig, neben oder in dem ich mein Futter vermutete. Unglücklicherweise hatte mein Retter sich eine kleine Hilfestellung einfallen lassen. Er traute dem Frieden nicht und war wohl auch noch nicht restlos davon überzeugt, dass ich es fortan mit jeder Katze aufnehmen konnte. Jedenfalls hatte er mein Futter auf eine Tischplatte gestellt, die ihm hoch genug zu sein schien, um für eine Katze unerreichbar zu sein. Für einen ordentlichen Vogel natürlich ein Klacks. Aber dazu musste man eben fliegen können. Also fiel das Frühstück für mich aus. Für die Katzen zwar auch, aber das fand ich in dem Moment weniger toll, zumal sich überhaupt keine blicken ließ, trotz meines Hungers. Sie sehen schon, innerlich begann ich ein ganz klein wenig übermütig zu werden. Aber wenn man Hunger hat, kommen einem manchmal schon ziemlich schräge Gedanken. Da sich aber wie gesagt an diesem Tage keine Katze blicken ließ, habe ich zur eigenen Ablenkung dann die Familie meines Retters und dessen gesamte Nachbarschaft damit vertraut gemacht, wie langanhaltend ich meine Stimme ertönen lassen kann. Im Konzert mit dem Klang der Stimmen meiner Familie haben wir echt Ausdauer bewiesen. Schließlich gab es ja auch so einiges zu besprechen. Ich gebe gern zu, nicht alle Nachbarn meines Retters waren begeistert. Aber das hat mich nicht gestört und meine Verwandten auch nicht. Schließlich hätte es ja nur einer kleinen Hilfestellung bedurft und ich wäre auf dem Tischchen gelandet, auf dem der Fressnapf stand und die Wasserschale. Seltsamerweise hat sich niemand getraut, mich da hochzuheben. Also, seltsam fand ich das natürlich nur damals. Schließlich hatte ich ja die Erfahrung gemacht, dass mein Retter auch kein Problem damit gehabt, mich überall hin zu heben, wohin ich allein noch nicht fliegen konnte. Zwar hat sich meine Verwandtschaft den ganzen Vormittag über die größte Mühe gegeben, mir lautstark zu erklären, dass es für Menschen eher normal ist, einer kleinen Krähe nicht einfach auf den Tisch zu helfen, mein Retter insoweit wohl eher ein untypischer Vertreter seiner Gattung war, aber so richtig glauben mochte ich das damals nicht. Warum auch, schließlich beißen wir ja nicht. Was mir dagegen durchaus eingeleuchtet hat, war das Argument, ich solle doch endlich mal fliegen lernen, wenn ich unbedingt an diesen blöden Fressnapf wollte. Ich beließ es nicht bei dem Vorsatz, sondern begann einfach schon mal mit dem erweiterten Flügelschlagen. Weit hat mich das nicht gebracht, aber immerhin weit genug, um meinen Retter nach dessen Rückkehr zu veranlassen, mir auch hierbei ein wenig unter die Arme zu greifen, wie er das nannte. In echt meinte er natürlich Flügel, aber auch das nicht im wörtlichen Sinne, Sie verstehen schon. Genau gesagt, hat er mich einfach auf seinen Arm klettern lassen, damit ich ein wenig Luft unter die Flügel bekomme beim Fliegen. Von dort ließ er mich dann starten. Beim ersten Versuch landete ich wieder im Fliederbusch. Beim zweiten auf der Fensterbank. Aber dann hatte ich begriffen, wie es ging. Aller guten Dinge sind drei, so heißt das doch bei euch Menschen, oder? Um meinem Retter eine Freude zu machen, wartete ich noch so lange, bis er dieses seltsame Ding eingeschaltet hatte, durch das er mich seit meiner Ankunft immer einmal wieder betrachtet hatte. Als er soweit war, habe ich dann eine richtige Schau abgezogen. Sie müssen sich das bitte so vorstellen. Mein Retter hatte mich auf diese Tischplatte gesetzt, auf der auch der Fressnapf und das Wasser stand. Ich dreh mich also erst mal ein bisschen nach links, ducke mich, schlage dezent mit den Flügeln. Dann drehe ich mich elegant um die eigene Achse, wende mich nach rechts, schlage mit den Flügeln, wende mich wieder nach links und ducke mich wieder. Aber dann habe ich Ernst gemacht und bin davon geflogen. Mein Retter war begeistert. Er hat das ganze gefilmt und in alle Welt verschickt, obwohl er selbst bis heute gar nicht fliegen kann. Schön, auch bei mir war es an dem Tag noch nicht der ganz große Wurf und auch nicht die ganz große Weite. Aber immerhin, ich saß danach auf dem Dach der Nachbarhütte. Nachdem mir mein Retter dorthin nicht mehr folgen wollte – er konnte wirklich überhaupt nicht fliegen, kein kleines bisschen - habe ich mich nach einer angemessenen Putzpause auf die nächste Etappe begeben. Danach saß ich dann in einem der Bäume im Garten des nächsten Nachbarn. Hier hat mich mein Retter noch einmal kurz besucht und mir viel Glück gewünscht - also vom Boden aus. Das habe ich auch gebraucht. Schließlich galt es jetzt die breite Straße zu überwinden, um auf das Dach des Supermarktes zu gelangen, auf dem meine Verwandten bereits auf mich warteten. Genauer gesagt war weniger die Straße das Problem, als die Autos, Busse und LKW, die da ständig auf und abfuhren. Was soll ich lange reden. Ich habe mich einfach mal getraut. Wer Katzen vertreibt und fliegen kann, der kann auch belebte Straßen überqueren, jedenfalls im Fluge. Das tat ich dann auch und freute mich darüber, wieder unter den Meinen sein zu können. So weit, so schön. Aber vermutlich werden Sie sich fragen, was das alles mit der Geheimdienstangelegenheit zu tun hat.
Ich will da ganz offen sein, bisher eigentlich nicht sehr viel – das haben Sie sehr richtig erkannt. Vermutlich wäre das auch so geblieben und wir müssten uns deswegen auch überhaupt nicht den Kopf zerbrechen. Tatsächlich aber ist es ganz anders gekommen. Um das verstehen zu können, müssen Sie aber wissen, dass ich meinen Retter danach erst mal mehrere Tage nicht mehr zu Gesicht bekommen habe.