Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Louis Lautr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742724182
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ich keine Beine fühlen konnte. Ich erriet es trotzdem, ich konzentrierte mich nie auf Stimmen, sondern nur auf den Körpergeruch. Ich drehte und senkte meinen Kopf ein wenig, damit ich in Achselnähe kam, dann atmete ich tief ein und konnte meist riechen und erraten bei wem ich saß. Frau Kofer beobachtete mich, da ich bisher richtig lag, konnte es kein Zufall sein. Als Frau Kofer mich auf ihrem Schoß sitzend beobachtete, bemerkte sie, wie ich tief einatmete und meinen Kopf leicht drehte. Sie sagte: „Ich kenne Louis Geheimnis, er riecht uns.“ Ich wusste nicht, dass ich einen ungewöhnlichen Geruchssinn hatte. Als ich von Frau Kofers Schoss aufstand und sie mich zufällig berührte, richtete sich mein Penis auf. Lindtraud sagte: „Louis, du musch dei Hos richte die sieht komisch aus.“ Ich errötete und genierte mich. Lindtraud half mir aus meiner Verlegenheit und sagte: „Louis, tu dei Taschemesser anders na, des isch verrutscht.“ Ich fasste in meine Hosentasche, regelte mein Teil und sagte: „i han des mit meim Taschemesser nit gmerkt.“ Frau Kofer schaute mich an, ich überlegte, ob sie mich absichtlich berührt hat. Frau Kofer sagte: „Wir testen, ob wir uns ebenfalls riechen. Louis sag uns bitte, wie du uns riechst?“ Ich antwortete: „I glaub unterm Arm.“ Frau Kofer wollte es testen. Wir verbanden ihr die Augen, sie sollte die Hände auf den Rücken legen. Lindtraud schob sie an den Schultern zu mir. Ich hob den Arm und sie roch an meiner Achsel und sagte „Louis, es ist ein interessantes Spiel. Ich werde es mir merken. Wir spielen das Spiel öfters, auch wenn uns Louis überlegen ist, können wir unseren Geruchssinn verfeinern. Ich werde im Naturkundeunterricht über Geruchssinn sprechen, und beim nächsten Lehrgang verschiedene Düfte der Natur behandeln.“ Sie fragte: „Louis, da du ein feines Näschen hast, leidest du, wenn dir Gerüche oder Düfte lästig sind?“ Ich antwortete: „Das stehen in einer Menschenschlange ist ein Problem, weil ich kaum ausweichen kann und manche Menschen nicht riechen mag.“ Am nächsten Tag regnete es, als wir zur Schule kamen. Im Klassenzimmer roch es nach feuchten Kleidern und nassen Haaren. Frau Kofer sagte: „Leider müssen wir unsern Lehrgang verschieben, deshalb schreiben wir heute einen Aufsatz. Ihr wisst doch sicher, was ein Liebesbrief ist?“ Wir lachten verlegen, als unsere Lehrerin weiter redete: „Jeder schreibt einen Liebesbrief an sich selbst. Ihr schreibt zum Beispiel: Mein lieber Schatz, auch wenn du manchmal schlecht gelaunt bist, mag ich dich. Du glaubst, dass dein Gang, oder deine Bewegungen nicht schön sind, oder dass dir deine Sommersprossen nicht gefallen. Das ist nicht wichtig, weil ich dich so liebe wie du bist. Lieber Schatz ich habe dich sehr gern, du gefällst mir weil deine Sommersprossen zu dir passen und weil dich die Sonne küsste. Dein Gang und deine Bewegungen wirken gelassen, was dir gut steht. Dein Aussehen ist nicht alles, du bist für deine Eltern und Geschwister eine liebe Tochter, oder ein lieber Sohn. Deine Klassenkameraden mögen dich, weil du immer freundlich und fröhlich bist. Du überlegst oft, ob du gut aussiehst, dabei weißt du, dass Schönheit subjektiv ist, sie verändert sich, deine Schönheit kommt von innen. Lass dich künftig von Dummköpfen nicht mehr verletzen, denn du bist ein liebenswerter Mensch. So ähnlich stelle ich mir den Liebesbrief meiner Schüler vor, den ihr an euch schreibt.“ Die Idee unserer Lehrerin gefiel mir und sie gefällt mir heute noch. Als sie den Aufsatz benotet hatte, las sie einige der Liebesbriefe anonym vor. Sie gefielen uns, ich erkannte den von Rosanna, weil sie ein Kind war, das sich schön fand und sich wirklich liebte. In einer der nächsten Stunden, schrieben wir einen Brief an eine Mitschülerin oder einen Mitschüler. Unsere Lehrerin sagte: „In einem Liebesbrief schreibt man nichts Negatives, die Namen losen wir aus. Ich hatte Glück und durfte an Rosanna einen Liebesbrief schreiben, bei ihr kannte ich keine negativen Eigenschaften. Auch diese Idee fand ich klasse, weil alle Kinder mit diesem Brief bemerkten, wie nett und liebenswert ihre Mitschüler sind. Als wir nachmittags bei Frau Kofer waren diktierte sie uns einige Rechenaufgaben, danach schrieben wir ein Diktat. Als wir gingen, sagte Frau Kofer: „Ich möchte euch für morgen wieder eine Aufgabe stellen, überlegt euch bitte, was ihr gerne verkaufen möchtet und mit welchen Argumenten ihr dafür den höchsten Betrag erzielen könnt. Ich fragte: „Frau Kofer, müssen wir das was wir verkaufen wollen mitbringen?“ Sie lachte und sagte: „Nein, denn stellt euch vor, Lindtraud würde uns vorspielen, dass sie eine Kuh verkauft und müsste sie mitbringen.“ Über die Vorstellung lachten wir. Es war herrliches Wetter, deshalb wollten wir noch spielen. Rosanna fragte: „Frau Kofer, darf Lindtraud, die heute bei ihnen übernachtet, mitspielen?“ Alle Mädchen wollten ein Hüpfspiel mit Steinchen spielen. Ich fügte mich und verlor immer. Meist gewann Rosanna mit ihren langen Beinen. Ich verlor gerne, weil mich die Mädchen, jedes Mal trösteten, damit ich weiterspielte. Selbst Reinhild, die sonst wenig mit mir sprach, sagte: „Du Louis, mach dir nix draus, du lernsch des no. I han au lang braucht bis i Hüpfspiele konnte.“ Als wir am nächsten Tag nach dem Essen, das Geschirr spülten und aufräumten, sagte Frau Kofer: „Louis, du bist unser mutiger Junge, bitte verkaufe uns etwas.“ Ich hatte mir einen tollen Pfeil und Bogen geschnitzt und zeichnete ihn auf meinen Zeichenblock und sagte: „Mein Bogen ist fantastisch, ich habe ihn aus dem biegsamen Holz einer Esche gemacht, das beste Holz für meinen Bogen. Er hat eine dünne Schnur, die ich von meinem Großvater bekam. Sie hält den eingekerbten Pfeil, der auf ihr liegt. Wenn der Bogen gespannt wird, dann fliegt der Pfeil sehr hoch. Damit der Pfeil vorne schwerer ist, habe ich ihn mit einem Draht umwickelt. Hinten habe ich den Pfeil in der Mitte gespalten und eine dünne Feder eingedrückt, damit er immer gerade fliegt. Ich kann diesen Pfeil so hoch in die Luft schießen, dass man ihn nicht mehr sehen kann, erst wenn er sich dreht und wieder zur Erde fällt, sieht man ihn wieder.“ Ich schaute die drei Mädchen an, nur Rosanna fragte: „Wie kasch du so was mache?“ Ich sagte: „Rosanna, mein Opa hat mir solche Dinge gezeigt und erklärt.“ Keines der Mädels wollte meinen Pfeil und Bogen kaufen. Frau Kofer fand, dass ich meinen Pfeil und meinen Bogen gut beschrieben habe. Sie gab mir echte zwei Mark für dieses Verkaufsgespräch. Ich musste ihr dafür nur meine Zeichnung geben. Lindtraud bot uns ein Kälbchen an und erzählte wie goldig es wäre und wie wertvoll es würde, wenn es ein Rind und dann eine Kuh würde die ein Kälbchen bekommen hätte und viel Milch gäbe und wie man aus dieser Milch Sahne, Käse und Butter herstellen könnte. Wir alle waren so begeistert, dass wir ihr Kälbchen gekauft hätten. Auch Llindtraud bekam von Frau Kofer Geld für ihr hübsches Kälbchen. Reinhild zeichnete einen Rock eine Bluse und ein Hemd für einen Jungen. Sie sagte zu mir: „Louis i han grad a wunderschös blaues Hemd mit Knöpf aus echten Perlmutt, des reißt dei Lederhose raus, damit kasch du uf jedes Fescht gange.“ Danach bot sie den Mädchen eine schöne gelbe Bluse mit roten Stickereien an. Frau Kofer kaufte Reinhild die wunderschöne Bluse ebenfalls für zwei Mark ab. Rosanna beschrieb uns eine sehr schöne Puppe mit Schlafaugen und echten Haaren, die sie zu verkaufen hätte und toll beschrieb. Die Puppe hatte einen schönen Namen, sie hieß Dorothee, fast wie meine Schwester. Dieses Spiel gefiel uns. Rosanna bekam für die schöne Puppe ebenfalls zwei Mark. Das Spiel fand ich interessant, wir konnten uns vorstellen, dass wir möglicherweise mal einen Beruf hätten, in dem wir etwas verkaufen würden. Ich erinnerte mich wieder an meinen tunesischen Freund, der mir erzählte, dass wohlhabende Menschen in Tunesien vom Handel mit Teppichen reich wurden. Ich konnte mir gut vorstellen, wie man beim Verkaufen von Teppichen Geld verdient. Lindtraud erzählte, dass ihr Vater und ihre Mutter schon Kühe oder Kälbchen verkauft hätten und wie wichtig es wäre, gut zu verhandeln. Frau Kofer las uns eine interessante, aber traurige Geschichte von Menschen vor, die gefangen wurden und als Sklaven verkauft wurden. Sie sagte zu mir: „Du hast einen Freund in Tunesien, weißt du, dass es in Tunis, Im Zentrum der Hauptstadt, der Medina, dem arabischen Wort für Altstadt, einen großen Sklavenmarkt gab. Viele Sklaven, wurden in Afrika gefangen und durch die Sahara getrieben. In Tunis wurden sie verkauft und auf Schiffe verladen und vor allem nach Amerika gebracht und dort verkauft. Die Sklaven hatten einen Besitzer, dem sie gehörten und durften nicht mehr tun was sie wollten. Sie mussten tun was ihr Besitzer wollte, auch schwerste Arbeit. Sie bekamen keinen Lohn dafür, denn ihr Besitzer hatte sie, wie ein Pferd oder eine Kuh gekauft. Könnt ihr euch vorstellen, wie Menschen so etwas aushalten. Es gab, wie überall gute und böse Herrn oder Herrinnen. Manche behandelten ihre Sklaven gut, sie bekamen genügend zu essen. Andere waren böse, schlugen ihr Sklaven und ließen sie hungern.“ Diese Zeit ist glücklicherweise vorbei. Es dürfen keine Menschen mehr als Sklaven gehalten werden.

      Wir vier liebten die langen Donnerstage. Nicht nur, weil es bei Frau Kofer immer eine ausgezeichnete Suppe mit wunderbaren Waffeln zu essen gab, sondern weil wir an den Tagen interessante Geschichten hörten, in Rollen schlüpfen und selbst erzählen durften. Als Frau Kofer an diesem