Lazarus. Christian Otte. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Otte
Издательство: Bookwire
Серия: Die Zentrale
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742741233
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sich ein Vampir nicht der Hierarchie eines Clans unterwerfen wollte, ein Werwolf aus seinem Rudel verbannt wurde oder ein bisher unentdeckter Magier plötzlich seine Fähigkeiten entdeckt und missbraucht.

      Auf den Ebenen 7 und 8 waren Labore eingerichtet worden, hauptsächlich für forensische Untersuchungen. Gelegentlich wurde dort aber auch geforscht.

      In der Ebene mit der Nummer 9 waren Räume für die Energieversorgung und Computerräume eingerichtet worden.

      Das Allerheiligste, die elfte Ebene, lag unterhalb des Hofs am Grund des Trichters.

      Alex merkte, dass Wolk sich mit Informationen über die einzelnen Bereiche zurückhielt, trotzdem fühlte sich Alex von der Menge an Informationen, die er in letzter Zeit erhielt erschlagen. Gab es kein Buch, in dem er all diese Informationen nachlesen konnte? Da könnte er selber das Tempo bestimmen und notfalls zurückblättern. Bücher waren gut, sie erwarteten kein besonderes verhalten, sie urteilten nicht, sie boten einfach Informationen. Das was er brauchte. Mit Büchern kam er besser klar als mit Menschen. Er war froh, als sie endlich Wolks Büro betraten und dieser seinen Redefluss stoppte. Das Büro sah wie ein das Arbeitszimmer eines viktorianischen Herrenhauses aus. Dunkles Holz vom Boden bis zur Decke, ein schwerer Eichenholz Schreibtisch an einem Ende des Raums, Bücherregale an den Längsseiten und eine Sitzecke mit Kamin am anderen Ende. Fenster gab es keine.

      „Geschmackvoll“, entfuhr es Alex.

      „Danke. Milena findet es altmodisch und kitschig.“

      „Milena?“

      „Meine Partnerin. In jeder Hinsicht. Du lernst sie später noch kennen.“ Wolk ging zum Schreibtisch und legte ein dünnes Buch auf eine darin eingelassene Glasplatte. Alex erkannte darin das Buch, in dem sich Wolk während der Testreihen häufiger Notizen gemacht hatte.

      „Daisy?“, fragte Wolk in den Raum und der Raum antwortete.

      „Guten Abend Exquisitor Wolk.“ Die sanfte Frauenstimme schien direkt aus den Wänden zu kommen. Alex sah sich um, konnte aber nirgendwo Lautsprecher erkennen.

      „Die Notizen bitte auslesen, in Druck umwandeln, mit den bisherigen Ergebnissen verknüpfen und mit dem Archiv vergleichen. Sag Bescheid, wenn du fertig bist.“ Wolks Stimme war höflich, aber bestimmt, so als würde er mit einer Sekretärin im Raum sprechen, nur dass keine Sekretärin anwesend war.

      „Gern Exquisitor Wolk“, antwortete die Stimme.

      „Wer war das?“, fragte Alex, ohne den Blick von dem Buch auf der Glasplatte zu lassen. Entweder hatte er langsam ernsthafte psychische Probleme, die sich in optischen Halluzinationen manifestierten, oder aus dem Buch sprudelten Zahlen und Buchstaben, flossen über den Buchdeckel und tropften in die Glasplatte.

      „Nettes Gimmick. Oder? Meine Notizen werden gerade aus dem Buch ausgelesen. Die holografische Darstellung in Form eines Zimmerspringbrunnens ist zwar reine Spielerei, aber immer wieder nett anzusehen. Außerdem erkenne ich so, wann das Auslesen fertig ist“, erklärte Wolk, dem Alex' faszinierter Gesichtsausdruck aufgefallen war.

      „Und die Bezeichnung „Exquisitor“? Ist die Ähnlichkeit mit dem Wort „Inquisitor“ zufällig oder bewusst gewählt?“ Alex blickte immer noch gespannt auf die sprudelnden Daten.

      „Die Ähnlichkeit ergibt sich leider aus der Bedeutung. Exquisitor bedeutet so viel wie Erforscher. Wir Exquisitoren sind Ermittler mit wissenschaftlichen Hintergrund. Während Inquisitoren meist, naja, wenigstens fragwürdige Methoden hatten“, führte Wolk aus und fuhr, da Alex das Thema nicht weiter hinterfragte, fort, „Und um auf deine andere Frage zu antworten: Die Stimme war Daisy, unser 'DatenAnalyse und Interface SYstem.'“

      „Also euer Computer“, resümierte Alex. Irgendwo hatte er die Bezeichnung Daisy für ein Computersystem schon mal gesehen, aber wo, wollte ihm gerade nicht einfallen.

      „Weit mehr als das, aber ja. Daisy ist eine künstliche Intelligenz, weiterentwickelt als alles, was dir bisher untergekommen ist. Eigentlich ist sogar die Bezeichnung 'Künstliche Intelligenz' beleidigend. Daisy ist lernfähig, intuitiv... eigentlich ist künstliches Bewusstsein als Bezeichnung besser.“

      „Ich dachte so etwas ist noch Science-Fiction.“

      „Außerhalb des Einflussbereichs des Heron-Ordens, gewiss. Aber die Bruderschaft der Nacht nutzt die Verknüpfung von Technik und dem, was Nichteingeweihte als Magie wahrnehmen. Und auch der Orden schafft mit seinen Bestrebungen einen erheblichen Technologievorsprung. Der ist auch notwendig. Sonst wäre die Menschheit schon lange über die metamenschliche Gesellschaft im Bilde.“ Wolk war bei seiner Erzählung zu der Sitzecke gegangen und hatte Platz genommen.

      „Das wollte ich schon fragen“, griff Alex das Thema auf, „wieso unternehmt ihr eigentlich so einen Aufwand um unentdeckt zu bleiben. Es gibt genug Menschen, die an die Existenz von Vampiren und Werwölfen glauben. Und heutzutage ist es wohl nicht mehr so, dass die Dorfbewohner mit Fackeln und Heugabeln hinter euch, oder uns, her sind.“

      „Yonin haben in der Vergangenheit mehrfach versucht an die Öffentlichkeit zu gehen. Zum Beispiel im Juli des Jahres 64. Ein Vertreter eines in Rom ansässigen Werwolf-Rudels hatte sich Lucius Domitius Ahenobarbus, dem damaligen Regenten Roms, zu erkennen gegeben. Sein Rudel umfasste etwa 25 Männer, Frauen und Kinder. Aufgrund der Geschichte der Stadt hielt er es für einen guten Ort um weniger archaisch zu leben, wie es andere Rudel jener Zeit taten. Er wollte sich mit dem Rudel in der Stadt niederlassen und bot im Gegenzug Lucius an, diesen zu unterstützen. Sei es im Militär, sei es als Stadtwache. Alles was das Rudel wollte, war in Frieden zu leben. Lucius wies ihnen eine Behausung in einem abgelegenen Stadtteil zu und gebot ihnen dort auf seine weiteren Anweisungen zu warten. Das Rudel verbrachte einige Tage in dieser Behausung. Eines Nachts schickte Lucius Leute um die Behausung in Brand zu stecken. Fast das ganze Rudel starb in den Flammen. Lucius hatte seinen Männern außerdem befohlen die von ihm so genannte Seuche einzudämmen. Das Feuer griff auf 10 der 14 Stadtteile über und vernichtete 3 vollständig. Unzählige Unschuldige starben. Dabei galt Lucius zu Beginn seiner Regentschaft als belesen und weise. Vom Rudel überlebten nur zwei Kinder, ein 12-jähriges Mädchen und ihr 10-jähriger Bruder, weil sie außerhalb der Stadt gespielt hatten. Aus ihrer Blutlinie ist später der Romulus-Clan geworden.“

      „Ok, aber das ist fast 2000 Jahre her.“

      „Ähnliches geschah vor 350 Jahren in London. Nach dem letzten Ausbruch der Pest wollte ein Vampirclan helfen die Stadt wiederaufzubauen. Da sie immun gegen den Pesterreger waren, hätten sie sich frei in der Stadt bewegen können, medizinische Hilfe leisten und nicht erkrankte Bürger versorgen können. Tatsächlich verzichteten die Stadtoberen auf die Hilfe. Eine Delegation der Vampire bleib trotzdem in der Stadt und versuchte zu helfen, wo sie konnte. Verdeckt so gut es ging selbstverständlich. Als man doch bemerkte, dass sie noch in der Stadt waren, wurde auch ihr Haus angezündet. Diesmal war es aber nicht beabsichtigt, dass der Großteil der Stadt niederbrannte.“

      „Vor 350 Jahren. In London. Meinst du der große Brand von London war...“

      „Genau, eine aus dem Ruder gelaufene Vampirjagd.“

      Alex fand es bemerkenswert wie sachlich und nüchtern Wolk über solche Ereignisse sprechen konnte. Sicher, sie lagen alle lange zurück, dennoch war der Gedanke, dass Menschen den Tod anderer so billigend in Kauf nahmen, zu tiefst bedrückend. Und da bezeichnete man Vampire und Werwölfe als Monster.

      „Die Menschen sind heutzutage viel aufgeklärter“, plädierte Alex.

      „Stimmt, aber das waren sie auch schon vor etwa hundert Jahren. Und kurz darauf begann der erste Weltkrieg.“

      „Willst du ernsthaft die Gesellschaft um 1914 mit der heutigen vergleichen?“, fragte Alex skeptisch.

      „Natürlich nicht. Es gibt große Fortschritte in Medizin, Gesellschaft und Technik. Nichts desto trotz, hat es die Menschheit seit Anbeginn der Geschichtsaufzeichnung keine 100 Jahre geschafft in Frieden miteinander zu leben. Die Menschen haben immer Krieg geführt. Für ihren Gott, für mehr Macht, für Reichtümer, für Öl.“

      „Wenn die