„Ich habe einen Auftrag für Sie beide! Schaffen Sie mir Carol herbei und wehe Euch, Ihr wagt es, ohne die Kleine hierher zurückzukehren. Geht nicht will ich nicht hören, verstanden?“ Er grinst, denn er merkt, dass die Cowboys den tieferen Sinn seiner Worte erst gar nicht recht glauben wollen.
„Beginnt Eure Suche in Colorado, genauer gesagt, in Rifle und dann immer Richtung Südwesten. – Und noch eins, Ihr seid beide arbeitslos, wenn ihr mir das Mädchen nicht zurückbringt!“
Der Rancher öffnet eine Schublade seines Schreibtischs, entnimmt ihr etwas und geht dann zu seinem Vormann, um ihm ein dickes Bündel Banknoten in die Hand zu drücken. „Für Eure Spesen, Jungs!“
Erschrocken schaut David auf das viele Geld in seiner Hand. Erst glaubte er seinen Ohren nicht zu trauen, dass der Boss ihn und John so jovial geduzt hat und jetzt rückt er auch noch eine Unmenge Geld raus. Er muss sich ziemlich sicher sein, dass eine Spur von Carol aufgetaucht ist.
„Aber Sir, das ist doch viel zu viel“, stammelt er und kann seinen Blick nicht von den Dollars in seiner Hand wenden.
„Unsinn, mein Junge!“ David kann sich kaum erinnern, dass der Alte jemals ‚mein Junge’ zu ihm gesagt hat. Er muss sich nicht nur sicher sein, dass die Spur heiß ist, nein er muss sich auch unglaublich über die Nachricht freuen, dass es eine Chance gibt, Carol wiederzufinden. „Unsinn, mein Junge! Woher wollen Sie denn das jetzt schon wissen? Sie dürfen unterwegs keine Zeit verschwenden, indem Sie sich ihren Lebensunterhalt irgendwo verdienen müssen. Außerdem, vielleicht muss unsere Kleine ja neu eingekleidet werden“, der Alte kneift vielsagend ein Auge zu, „und wahrscheinlich werden Sie mit der Bahn zurückkommen müssen. Damit“, der Rancher macht mit den Händen eine Bewegung ‚sehr dicker Bauch’ und schmunzelt, „damit wird sie wohl nicht mehr reiten können.“
Daran hatte David überhaupt nicht gedacht. Sein kleines, zierliches Mädchen wird sich sehr verändert haben. Er kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass Carol irgendwie dicker geworden sein soll.
John stürmt zur Tür. „Ich bin in fünf Minuten reisefertig!“
David will ihm folgen, doch Carpenter hält ihn am Ärmel fest. „Ich hoffe aber trotzdem, dass etwas von dem Geld übrigbleibt.“
Der Vormann schaut ihn offen an und denkt an das dicke Bündel Geldscheine, das er in seine Westentasche gesteckt hat. „Mit Sicherheit, Sir, ich sagte ja schon, es ist viel zu viel.“
„Nun gut“, der Rancher nickt ernst, „das Restgeld ist ihre Prämie Mann. Sie sollten überlegen, ob Sie ihrem Goldstück nicht ein hübsches Schmuckstück schenken wollen.“ Provozierend auffällig hält er dem Indian den Ringfinger seiner linken Hand unter die Nase.
Widefield ist erst ein wenig sprachlos, dann stammelt er nur noch: „Danke vielmals, Sir, das ist äußerst großzügig von Ihnen!“
„Noch was“, der Rancher reibt sich die Nase und kraust sie dann ein wenig. „Sie sollten Ebony Town bei Ihrer Rückkehr umgehen. Wenn Sie rechtzeitig telegrafieren, werde ich Sie in Claime-Creek abholen lassen. Schreiben Sie nur: Geschäft erfolgreich abgeschlossen! und wann wir Sie erwarten dürfen.“
„Mache ich, Sir, und nochmals, vielen Dank für alles.“
„Bedanken Sie sich nicht zu früh, mein Lieber. Ich erwarte, dass Sie als Ehrenmann die Sache umgehend ins Reine bringen, wenn Sie wieder zurückgekehrt sind! – Na, darüber reden wir, wenn es soweit ist.“
David nickt, noch immer ein wenig verwirrt, doch dann hält auch den sonst eher zurückhaltenden Mann nichts mehr auf der Ranch und mit einem kurzen Gruß rennt er hinter seinem Freund her aus dem Haus.
Carpenter bleibt kopfschüttelnd zurück. Dafür, dass der Mann auch schon fast vierzig ist, ist er noch ganz schön fit und wird zum jungen Stier, wenn es um seine geliebte Carol geht. Das lachende Gesicht, umrahmt von der glutroten Mähne, taucht vor seinem inneren Auge auf und der Alte wünscht sich wieder einmal nichts sehnlicher, als dass seine Cowboys das Mädchen finden und wohlbehalten zurückbringen werden.
Der Rancher tritt ans Fenster, schaut hinauf auf den großen Vorplatz und hinüber zur Cowboy-Unterkunft. Die Tür zum Vormann-Haus steht offen und im Inneren sind eilige Bewegungen zu erkennen.
Nur Minuten später beobachtet Carpenter die beiden so unterschiedlichen Männer, wie sie gemeinsam über den knirschenden Kies zu ihren Pferden rennen, aufsitzen und in fliegender Eile die Ranch verlassen. Es ist wirklich merkwürdig, dass zwei so gegensätzliche Typen die besten Freunde sein können. Auf der einen Seite der hitzköpfige Blake, ein Draufgänger, aber trotz seiner impulsiven Art immer fröhlich, liebenswert und zuverlässig, was seine Arbeit betrifft und auf der anderen Seite der ruhige, immer besonnene Widefield, absolut verschlossen und viel zu ernst.
Die beiden sind eigentlich wie Feuer und Wasser, aber dennoch halten sie zusammen, wie Pech und Schwefel und das schon seit so vielen Jahren, dass sich Carpenter kaum noch daran erinnern kann, wie Blacky von dem Indianer angeschleppt worden ist. Damals war der dunkelhaarige Mann auch erst wenige Wochen auf der Ranch. Das ist schon so lange her, das muss eigentlich schon kurz nach Blackys Streit im Elternhaus gewesen sein.
Der Rancher schmunzelt. Der Indian nimmt scheinbar gerne schutzbedürftige junge Leute, die aus dem Nest gefallen sind, unter seine Fittiche. Oder irgendetwas magnetisiert zwischen den Blakes und dem Vormann, denn immerhin war er es, der die beiden nach Willow-Tree gebracht hat, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Motiven heraus, aber letztlich mit dem gleichen Ergebnis.
Die Geschwister sind zu einem festen Bestandteil der Ranch geworden und wenn die beiden Cowboys das Wunder fertig bringen, Carol zur Rückkehr zu bewegen, kann die Ranch überleben, ohne irgendwann in gänzlich fremde Hände abgegeben werden zu müssen, wie die Johnson-Ranch und so viele andere Betriebe auch.
Für einen kurzen Moment schießt Carpenter durch den Kopf, dass es vielleicht wieder eine falsche Spur ist, auf die er seine Männer gesetzt hat, aber sofort verwirft er diesen unangenehmen Gedanken wieder, denn er will einfach nicht wahrhaben, dass diese Möglichkeit recht groß ist.
Der Alte setzt sich in seinen Sessel hinter seinen wuchtigen Schreibtisch, entzündet umständlich eine Zigarre und schaut den Rauchwölkchen hinterher. Es sieht so aus, als wende sich nun doch noch alles zum Guten und das sogar in seinem Sinne, ganz ohne dass er etwas daran tun musste.
Er grinst bei dem Gedanken daran, welche Gehirnakrobatik er betrieben hat, um seinen Vormann und den kleinen Irrwisch miteinander zu verkuppeln und dabei haben die beiden ganz alleine gewusst, was da zu tun ist und sie haben es auch getan.
Ein glücklicher Seufzer hebt seine Brust und er murmelt: „Ach, kleine Carol, Du machst uns alle auf irgend eine Art und Weise verrückt. Das ist Dein ganz persönlicher Zauber. Es scheint doch etwas dran zu sein, dass zwischen roten Haaren und Hexen eine Verbindung bestehen muss.“
Er blickt nachdenklich zur Tür und erinnert sich plötzlich wieder ganz genau an die Szene, als ein verstocktes kleines Mädchen zu ihm in den Raum geschoben worden ist. Ihm fallen die vielen Gespräche wieder ein, die er mit der jungen Frau in der Folgezeit hier in diesem Büro geführt hat und er erinnert sich, dass schon bei einem der ersten dieser Gespräche das Kind gesagt hat: „Die Zeiten sind verdammt hart geworden, Sir. Ich habe in den letzten zwei Jahren immer wieder miterlebt, wie Ranch um Ranch den Bach runtergegangen ist. Das heißt, meistens kam ich grad dorthin, als alles in Auflösung begriffen war und ich nur noch aufräumen helfen durfte. Damit habe ich mich über dem Wasser gehalten, in dem die Rancher untergegangen sind.“
Was hatte er damals über ihre altklug erscheinende Art schmunzeln müssen, doch er hat immer gewusst, dass Carol mit allem, was sie da so ernst gesagt hat, recht hatte. Sie ist ein äußerst intelligentes Kind, mit einer schnellen Auffassungsgabe und einem sehr scharfen Auge für selbst ganz kleine Details.
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