Während des Krieges herrschte große Not in der ganzen Sowjetunion. Infolge der Raub-, Plünderungs- und Vertreibungspolitik der Deutschen Wehrmacht wurde die russische Bevölkerung, vor allem Flüchtlinge und Stadtbewohner, dem Hunger überlassen.
So zählte die deutsche Besatzungsmacht für die Großstadt Charkow vom Dezember 1941 bis zum August 1942 12.000 Hungertote [2]. Die Menschen versuchten, auf jegliche Art zu überleben. Der Staat führte Versorgungsnormen für die einzelnen Bevölkerungsgruppen ein. Zusätzlich wurden Essensmarken bei Urlaub, Dienstreisen und bei Reisen für die Beschaffung von Lebensmitteln ausgegeben.
Diese Kupons waren die eiserne Reserve für Nahrungsmittel. Auf den Bahnhöfen gab es z.B. einen Küchenblock, dort konnte man die Kupons für heiße, frische Speisen einlösen. Man konnte sich auch eine Trocken- Verpflegung vom Lager holen, entsprechend der Essensration, die einem zu stand. Jeder erhielt diese Bezugsmarken.
Frage: Welche Waffen hatten Sie als Soldat?
Ich war ausgerüstet mit einem Gewehr mit Bajonett, Granaten, Patronen, also der üblichen Kampfausrüstung. Kommandeure und Unterleutnants hatten das Recht, auch einen Revolver, eine persönliche Waffe zu tragen.
Frage: Was trugen Sie in Ihrem Tornister, wie war Ihre Bekleidung?
Im Tornister hatte ich einen kleinen Kessel, eine Zahnbürste, Wäsche, Tabak, Seife. Zusätzlich eine Gasmaske, Patronen, Granaten (eine Panzergranate wog drei bis vier Kilo), Trockenverpflegung und eine eiserne Proviantreserve. Wenn wir durch ein Dorf gingen, gaben uns die Bäuerinnen meistens Kartoffeln oder Gemüse. Aber jedes Gramm zuviel wog schwer, nicht einmal eine Nadel hätten wir zusätzlich tragen können.
Im Sommer waren wir in die normale Soldatenuniform mit Pilotenmütze gekleidet, in der kalten Jahreszeit erhielten wir warme Überkleidung und warme Unterwäsche, einen Uniformmantel und eine Fellmütze. Anfangs gab es nur Lappen, Wickelgamaschen für die Stiefel, sie anzulegen mussten wir üben. Später erhielten wir Schweinslederstiefel und Schuhe. Unsere Wäsche und die Lappen haben wir, wo es möglich war, selbst gewaschen. Auf saubere Kleidung wurde immer geachtet, der Kragen musste immer weiß sein.
Frage: Wurden im Krieg nicht auch Flugblätter und Zeitungen produziert?
Ja, wir machten Propaganda-Arbeit, brachten die Zeitung „Kampfblatt“ heraus, die mit der Hand geschrieben und an die Soldaten verteilt wurde. An der Ersten Ukrainischen Front stand ich an der vordersten Linie mit einem Megaphon in der Hand und schrie „Hitler kaputt, der Krieg ist verloren“ usw.
Ich sprach natürlich nicht fließend Deutsch, aber einzelne Wörter und Sätze kannte ich. Die Deutschen haben bei ihren Nachtangriffen sehr viele Flugblätter abgeworfen – Fragmente der „Prawda“ und „Iswestija“, in deren Mitte ein russischer Text, wie z.B. „Ergebt euch“ platziert war.
Auch die Rote Armee hat Flugblätter verfasst und abgeworfen. Darin forderte sie die Soldaten der Deutschen Wehrmacht auf, überzulaufen (es desertierten viele Deutsche) und garantierte ihnen das Leben. Unsere garantierten wirklich das Leben der Überläufer, aber bei den Deutschen war das nicht der Fall. Sie haben besonders mit den gefangenen Politkommissaren grausam abgerechnet (der “Kommissarbefehl” vom 6. Juni 1941, der später aufgehoben wurde, bestimmte die Erschießung der politischen Offiziere der Roten Armee gleich nach der Gefangennahme), Kommunisten, Komsomolzen, Kommandeure haben sie ebenso sofort erschossen.
Eine große Hilfe für die Armee waren die Aufklärer. Ihre Einsätze waren sehr gefährlich, bei Einbruch der Dunkelheit krochen sie in Richtung des Feindes und fingen geräuschlos einen Gegner, während der Himmel ständig von deutschen Leuchtraketen erhellt wurde. Normalerweise waren 90% der Aufklärungsaktionen erfolgreich, aber es gingen trotzdem viele Aufklärer zugrunde. An der Front wurde jeden Tag ein neues Losungswort zum Erkennen der eigenen Leute ausgegeben – der letzte Buchstabe eines Losungswortes war gleichzeitig der Beginn des zweiten Losungswortes. Wenn dieses nicht genannt wurde, wurde die Person sofort verhaftet.
Frage: Wie schätzen Sie die Tatsache ein, dass die Truppen der Deutschen Wehrmacht am 21. bzw. 22. Juni 1941 so schnell in die SU einrücken konnten?
Ich als einfacher Soldat kann natürlich keine Einzelheiten darüber sagen. Ich weiß nur, dass der Kriegsbeginn überraschend kam, unsere Armee war noch nicht genügend vorbereitet, wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht genügend Panzer und Flugzeuge. Das war natürlich eine schwierige Ausgangssituation.
Stalin hat es nicht geglaubt, als man ihm sagte, dass Hitler den Krieg begonnen hat, er hat weder Richard Sorge noch anderen Kundschaftern geglaubt, auch nicht den beiden Überläufern in der Nacht zum 22. Juni – sogar als die Deutschen schon die Grenze überschritten hatten. Er hatte auch keinen Anlass es zu glauben, da doch der Molotow-Ribbentrop-Nichtangriffs-Vertrag (der so genannte „Hitler-Stalin-Pakt“) existierte.
Wir haben zwar heldenhaft Widerstand geleistet, aber zu spät. Die Tatsache, dass der Überfall plötzlich und unerwartet geschah, war der Grund für die kolossalen Erfolge der Deutschen am Anfang des Krieges. Aber auch für ihre großen Verluste. Schließlich siegte aber doch die Sowjetunion, das sowjetische Volk errang einen historischen Sieg über den deutschen Faschismus und befreite seine Heimat und einen Teil Europas von der braunen Pest.
Frage: Waren die Rotarmisten Patrioten?
Ich war immer mit den Soldaten aus meinem Heimatgebiet um Schitomir, alles junge Kolchosarbeiter, zusammen, sie waren keine Nationalisten, sondern Patrioten, wir glaubten alle an den Sieg. Kein Soldat aus unserem Zug ist zu den Deutschen übergelaufen, sie waren alle diszipliniert.
Wenn unsere Kompanie zusammen gerufen wurde und ein schwieriger Angriff mit Nahkämpfen bevorstand, dann wussten wir, wir müssen um jeden Preis siegen. Immer wenn ein Kampf begann, waren mein Entsetzen und meine Angst mit mir. Denn ständig drohte die Möglichkeit, getötet zu werden. Ein Kampf ist etwas Schreckliches, und wenn du in den Kampf ziehst, dann brauchst du den Sieg über den Feind. Ich kämpfte für die Sowjetmacht, für die Heimat. Für mich war aber das Wichtigste, zu überleben! Und das galt, glaube ich, für alle.
Unsere ersten Kämpfe waren unbeschreiblich, entsetzlich. Wenn man auch nur eine Stunde an der Front war, galt man bereits als Kriegsteilnehmer – denn in dieser einen Stunde hätte man bereits fallen können. Es war schrecklich, an einem Angriff teilzunehmen, du hast den schweren Rucksack, die Waffe, Granaten, Munition getragen, konntest dich nur mit Mühe aufrichten, musstest aber angreifen, laufen, im Laufen schießen. Bei jedem Schritt lauerte Gefahr, bei jedem Schritt konntest du getötet werden. Du hast den Feind ganz nahe gesehen, hast mit dem Gewehr gezielt, geschossen...
Alle Befehle mussten unbedingt ausgeführt und es musste darüber Bericht erstattet werden. Niemand von uns hat aber eigentlich jemals daran gedacht, etwas gegen die Befehle der Vorgesetzten zu unternehmen oder einen Befehl nicht zu befolgen. Wir wussten, wofür wir kämpften, wir verstanden – der Feind hat uns überfallen, er muss vernichtet werden.
Frage: Finden Sie es gut, dass die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg hoch gehalten wird?
Ja, denn wir, die Veteranen, werden nicht mehr sein, aber die Denkmäler für die gefallenen Soldaten, die Soldatengräber und Soldatenfriedhöfe werden bleiben. Sie sollen erhalten bleiben, wie z.B. das Denkmal für die Befreier der Stadt Kiew in der Ukraine, Schukows Reiterdenkmal in Moskau, das Denkmal für den sowjetischen Soldaten in Wien usw.
Vor einigen Tagen habe ich allerdings im Fernsehen erfahren, dass in Estland, Georgien, Russland und der Westukraine Denkmäler für die gefallenen sowjetischen Soldaten zerstört wurden. Ich sehe das als eine Schmähung. Es ist auch nicht richtig, dass z.B. die Statue Dscherschinski’s abgerissen wurde – wir müssen unseren Enkeln zeigen und erzählen, wer Dscherschinski war, wer Stalin war, müssen die Geschichte unseres Landes und des Krieges wahrheitsgemäß erzählen.
In den Jahren