Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Kahesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738007732
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in Augenschein nehmen. Also meine Herren, da kommt in der Tat eine Menge Arbeit auf uns zu. Und anfangs dachte ich noch, das wird ein Spaziergang.“ Er wandte sich zu Christmann.

      „Nun, was sagt uns die Rechtsmedizin. Gibt es konkrete Hilfen oder dauert es noch?“ Süffisant klang er, obwohl er es gar nicht wollte. Dabei runzelte er seine Stirn und wartete gespannt auf Christmanns Bericht. Der schaute verdutzt zu seinem Chef. Dann erzählte er, dass das gefundene Skelett, zumindest nach den ersten Untersuchungen sei dies deutlich ersichtlich, so der Rechtsmediziner, Schläge aufweist. Richtige Löcher seien zu erkennen. Trotzdem herrscht noch Unklarheit, was als Todesursache in Frage komme. Bei der gefunden Leiche wiederum haben sie Hämatome analysiert. Der Mann muss gewaltige Prügel erhalten haben, sagten sie. Nach Lage der bisherigen Obduktion, sei dies allerdings nicht alleine Ursache des gewaltigen Todes gewesen. Verdächtiger seien allerdings Flecken über den Körper zerstreut. Über die Todeszeitpunkte bleibt per heute, dass der Mann, so die erste Einschätzung, vermutlich vor drei Tagen ermordet worden war. Das Skelett bedarf vor der Nennung eines ungefähren Todeszeitpunktes zunächst weitergehender Untersuchungen. Es könnte aber auch weiter zurück liegen. Gab er zu bedenken. Die Herren der Rechtsmedizin werden es akribisch noch eingehender unter die Lupe nehmen. Erst dann, das erhoffen sie sich selbst, könne es umfangreiche Hinweise auf Todesart und möglichen Todeszeitpunkt geben. Der Leiter der Rechtsmedizin, Dr. Matthias Müller, berichtete mir danach über modernste Forensikmethoden, die er erstmals einsetzen wird. Er denkt z.B. über eine virtuelle Autopsie und den Einsatz neuester Gerätegenerationen nach. Unter anderem eines Computertopografen. Das könnte helfen, näher an den oder die Täter heranzukommen. Zumindest aber für die Profiler weitere Anhaltspunkte bieten. An dieser Stelle bedankte er sich für die hervorragende Arbeit der Spurensicherung. Dabei schaute er Carsten Meyer an, der mit einem verlegenen Gesicht in die Runde guckte. Er erzählte weiter, dass voraussichtlich erst am Montag den 02. August, die kompletten Berichte einzusehen seien. „Dr. Müller meldet sich bei Ihnen Chef. Soweit für heute Kollegen.“

      Scholtysek hatte keine Bedenken. Er wusste, dass sein Kollege aus der Rechtsmedizin Wort halten würde. Seit Jahren kannte er ihn als einen verlässlicher Partner an seiner Seite. „Der schafft das“, betonte er schließlich nochmals, „wenn es auch diesmal keine Lappalie zu sei scheint und es uns, eigentlich wie meistens, auf den Nägeln brennt.“

      Einen Atemzug später, die momentane Stille nutzend, wollte der Kriminaloberrat erneut das Wort ergreifen. Aber Degoth kam ihm flugs zuvor.

      „Wenn wir das ganze Thema geografisch einordnen, haben wir eine Achse von Stralsund nach Sellin über Wissow hinüber nach Ralswiek. Wie sehen sie das Kollegen?“ Dabei schaute er erwartungsvoll in die Runde und erhoffte sich Zustimmung.

      „Eben Degoth, das ist der wesentliche Ansatz. Sie haben recht! Nur das Warum an unterschiedlicher Stelle ist noch unklar. Und nicht zuletzt bleibt die Frage, welche Motive und Ursachen führten zu Morden oder besser, noch immer zu den Morden? Das Seltsame, kein Mensch wurde bislang als vermisst gemeldet. Irgendwie schon suspekt“, ergänzte Scholtysek. Und an Christmann gewandt fügte er hinzu: „Jetzt heißt es zu warten bis Mordzeitpunkt und Todesursache geklärt sind. Die vor Tagen gefundene Leiche ist aus dem Nichts aufgetaucht und das muss Gründe haben. Es geht jetzt nicht nur um ein Skelett, sondern um mindestens ein weiteres aus Stralsund und womöglich viele aus dem Erdloch im Nationalpark. Wir müssen die Berichte abwarten. Erst die, zumindest meine Auffassung, könnten uns weiterhelfen.“

      „Genau das ist der Punkt“, sagte Degoth. „Und wenn ich recht verstehe, will die Forensik exakt das ausloten.“

      Degoth, der die positive Seite wieder beleuchten wollte, stellte damit lapidar fest: „Immerhin hören sich doch die ersten Ansätze gut an oder? Lassen sie uns parallel weiter ermitteln, dann haben wir ab Montag ein rundes Bild.“

      Gemeinsam fassten sie das Besprochene zusammen und legten die Marschroute fest. Der Chefermittler tippte alles in sein Tablet. Gleichzeitig las er, für alle hörbar, diese Zeilen vor. Mit seiner sonoren Stimme legte er los: „Zum Mitschreiben, auch für Sie meine Dame, meine Herren.“

      Inzwischen saß die Polizeipsychologin Rita Kirsten am Tisch. Als Fallanalytikerin sollte sie die Kollegen der Kripo bei diesem besonders schwierigen Fall ständig unterstützen. Und da sie Psychologin ist, war ihr gerade diese Rolle wie auf den Laib geschnitten. Schon die Tage hatte der KOR alle Profiler, die dem Kommissariat direkt unterstehen, auf diese Ermittlungssache eingestimmt. Das geschah nicht ohne Grund! Für ihn war es der Test, geeignete Mitarbeiter aus der Stabsstelle “Fallanalytik“ zu rekrutieren. Schließlich stand in etwa einem Jahr die Pension des Stabsleiter Dr. Martin Felsen zur Debatte. Deshalb benötigte er wieder eine hochqualifizierte und engagierte Nachfolge. Rita hatte sich die Tage besonders profiliert eingebracht. Das sah und hörte der Kriminaloberrat mit großem Interesse. Sie sollte ihre Chance bekommen, sagte er sich. Die Gedanken die er sich gerade machte, tippte er auch in sein Tablet. Dann wurden ohne Umschweife die Aufgaben verteilt. „Erstens: Der Gustavson muss sofort beschattet werden. Wer übernimmt?“ „Ich Chef“, rief Christmann. „Zweitens: Zumindest der Herrmann muss in Ralswiek näher beleuchtet werden. Wer übernimmt ihn?“ „Kann ich machen“, so Degoth, „oder spricht etwas dagegen?“„Aber nein! Wir freuen uns. Dann machen sie mal. Schließlich wissen sie ja wie er aussieht“, meinte Scholtysek in dem Nachsatz. „Jetzt bleiben noch der Friedrichs und der Noll. Wer nimmt die ins Visier?“ „Mache ich mit den beiden Kollegen“, meldete sich Heller. „Habe ja schon die Tage darin gestochert.“ „Gut, das haben wir also auf den Weg gebracht.“

      Er nahm erneut sein Tablet unter den Arm, schloss die Akte und wollte sich gerade erheben. Da hakte Degoth nochmals nach: „Halt, da ist noch der Lewitzki, Raimund. Wer nimmt hier die Recherchen auf?“

      Und mit Nachdruck verwies er auf die Merkmale bei vier Männern: dem Raimund, dem Herrmann, dem Noll und Gustavson. Degoth zögerte zunächst einen Moment. Dann betonte er aber doch, dass er den Eindruck hätte, die könnten Blutsbrüder sein. Was auch immer es bedeuten mag. Sagte er sich dabei. Er hielt inne, wartete auf Reaktionen bevor er weiter redete. Aber weder der KOR noch sonst jemand aus dem Kreis der Offiziere äußerten sich. Auch Carsten Meyer, der Leiter der Spurensicherung hielt sich in dem Moment zurück. Von dem hätte er eigentlich am ehesten erwartet, dass der sich zu solch einem Thema herausgefordert fühlte. Aber nichts! Und Degoth ging blitzartig durch den Kopf, ob er sich vielleicht doch etwas zu weit vorgewagt hatte. Doch dieser Gedanke hielt nicht lange vor. Dann setzte er wieder nach: „Verrückt ist, dass bei allen stets am rechten Oberarm die seltsamen Narben zu sehen sind. Also von einem Zufall kann ich da nicht mehr sprechen“, unterstrich er wieder. „Sie?“

      „Nochmals zum Mitschreiben: Ich meine die jeweils drei seltsamen Narben am rechten Oberarm, die wie Schnitte aussehen! Bereits gestern berichtete ich davon.“

      Sie erinnerten sich, aber gestern maßen sie dem Ganzen keine besondere Bedeutung zu. Erst jetzt wurde den Kripoleuten deutlich, dass dies eine gewisse Relevanz haben könnte.

      „Stimmt ..., Kollegen, haben wir irgendwie vernachlässigt. Dem müssen wir unbedingt auf den Grund gehen. Überprüfen meine Dame, meine Herren. Das ist es wert Nachforschungen anzustellen“, räumte der Chefermittler umgehend ein. „Und sie Frau Kirsten, sollten versuchen weiter an dem Profil zu arbeiten. Was für ein Typ Mensch könnte da rein passen? Sie wissen schon, Alter, Größe, Bildung, soziales Umfeld usw. Und aufgrund der seltsamen Narben, sollten wir uns auch die Frage stellen, ob eine Verschwörung im Spiel sein kann. Erwarte ihren Bericht, gnädige Frau“, sagte er trotz des Ernstes der Lage, mit einem Lächeln auf den Lippen.

      In Ralswiek, dass hatten Scholtysek und Degoth inzwischen beschlossen, wollten sie wieder gemeinsam aktiv werden. Da waren sich beide nicht zu fein, auch im Detail zu ermitteln. Aber für heute sollten zunächst mal die verteilten Aufgaben bearbeitet werden. Und da wartete schon jede Menge Ermittlungsarbeit auf sie. Zum Abschluss mahnte der Kriminaloberrat, dass, sollten im Zuge der jeweiligen Recherchen wichtige Erkenntnisse zu Tage treten, sie sich unbedingt gegenseitig unterrichten müssten.

      „Am besten mittels eines Codes!“, gab er mit ernster Miene zu verstehen. In dem Moment konnte sich Degoth das Lachen wirklich nicht mehr verbeißen und die Kollegen