Nach dem Erwerb von Brötchen und Croissants befindet sich Volker bereits gutgelaunt auf dem Rückweg, lässt sein Fahrrad antriebslos aus dem höher gelegenen Limbach zum Maintal hinunter rollen, und wird doch schlagartig durch den Signalton seines Handys gestört. Nach Erwerb des neuen Handys gab es in der Familie lange und lustige Diskussionen bezüglich des Alarmtones, doch Volker hat sich schnell durchgesetzt und den Song 'Honky Tonk Woman' der Stones gewählt. Seit frühester Jugend ist er glühender Verehrer dieser Rockband. Doch auch die Freude über die ersten Klänge des Musikstückes kann seinen Ärger nicht mindern, denn er erkennt auf dem Display, dass sein Kollege Kilian Bleibtreu ihn erreichen möchte. Das bedeutet mit tödlicher Sicherheit, wobei dieses Wortspiel die zu erwartende Nachricht bereits vorweg nimmt, dass sein schöner Feiertag zum Teufel geht:
"Kilian, was gibt's?"
"Bei den Rosenheim-Cops würde man jetzt sagen: Wir habn ne Leich."
"Scheiße, ich habe mich auf ein gemeinsames Frühstück mit meiner Bande gefreut und vielleicht wären mir heute auch ausnahmsweise einmal die Eier geglückt. Brauchst du mich wirklich sofort?"
"Tut mir leid, Volker, ehrlich, aber diese Schweinerei musst du dir persönlich ansehen."
"Ich vermute, du hast recht, aber können diese verdammten Mörder ihre Taten nicht auf unsere Dienstzeiten verlegen. Okay, ich mache mich dann sofort auf den Weg, wenn du mir noch mitteilst, wo sich der Tatort befindet."
Am Seufzen des Kriminalkommissars Kilian Bleibtreu erkennt Volker die Erleichterung des Kollegen:
"Es ist wirklich nötig, dass du sofort kommst. Fahr die Straße von Stammheim nach Volkach. Am Kreisverkehr geht es rechts über die neue Mainbrücke und danach sofort wieder rechts hinunter zum Main und dort benutzt du den Wirtschaftsweg durch die Felder und Gärten, bis er zu Ende ist. Da wartet dann ein Polizist auf dich und bringt dich zum Tatort."
"Schon fast auf dem Weg"
"Halt, fast hätte ich etwas vergessen. Am Kreisverkehr wartet unsere neue Kollegin, Kriminalkommissarin Daniela Hübner-Steglitz. Du möchtest sie bitte mitnehmen."
Äußerst unzufrieden setzt Kriminalhauptkommissar Weidlich seine Fahrt fort. An seiner Garage eingetroffen, verstaut er das Rad in selbiger und begibt sich trübsinnig ins Haus. Dort begrüßt ihn bereits der Lärm seiner erwachten Kinder und seine Frau nimmt ihm strahlend die Brötchentüte aus der Hand:
"Du hast es wieder einmal richtig abgepasst. Der Kaffee ist fertig, die Rasselbande angezogen und das Frühstück kann beginnen. Wir haben wegen des schönen Wetters im Garten gedeckt."
Volker sieht sie einen kurzen Augenblick traurig an und dann auf den Boden.
"Nein, sag', dass das nicht wahr ist. Du musst nicht zum Einsatz - nicht heute und nicht jetzt!"
"Es tut mir leid, aber es gab einen Mord in der Nähe von Volkach. Ich muss sofort hin."
"Verdammt, warum hast du nicht einen anständigen Beruf ergriffen, zum Beispiel Lehrer, mit festen Arbeitszeiten und Freizeit für die Familie."
Volker nimmt seine Frau liebevoll in den Arm. Er weiß genau, dass ihr Zorn nicht ihm gilt, sondern der Enttäuschung über das verpasste Frühstück:
"Auch wenn es jetzt ärgerlich ist, ich bin aber gern Polizist."
"Sei mir nicht böse, Volker, aber es wäre wirklich schön gewesen, einen freien Tag bei so gutem Wetter gemeinsam verbringen zu können. Auch die Kinder werden enttäuscht sein."
Er sieht ein paar Tränen ihr geliebtes Gesicht herunter laufen und fühlt einen mächtigen Kloß im Bauch. Dann geht er in den Garten zu seinen spielenden Kindern und muss auch ihnen die traurige Nachricht überbringen. Als er anschließend mit dem Wagen aus der Garage fährt, hinterlässt er tiefes Schweigen und eine sehr unglückliche Familie. Er kommt sich ziemlich mies vor, seinen Lieben den Tag so verdorben zu haben, ist sich aber auch bewusst, dass ihn eigentlich keine Schuld trifft, wenn man einmal von seiner Berufswahl vor 16 Jahren absieht. Zu dieser Morgenstunde am erwähnten Feiertag findet Volker nur wenige andere Fahrzeuge auf der Straße. Lediglich sportlich orientierte Radfahrer nutzen den bekannten Mainradweg, um dem zu erwartenden Gedränge am Nachmittag auf dieser Strecke zu entkommen. So benötigt er nur knapp 8 Minuten für die etwa 9 Kilometer von Stammheim bis Volkach. Auf der linken Seite der Straße zeigen die vielen Weinreben erstes Grün und rechts fließt ruhig und lässig der von vielen Staustufen gebändigte Main. Volker sieht das Winken seiner Kollegin bereits weit vor dem Kreisverkehr.
Daniela Hübner-Steglitz bewarb sich nach bestandenem Fachabitur an einer Fachschule für Datenverarbeitung in München bei der Polizei und absolvierte die 29-monatige Ausbildung zur Polizeioberwachtmeisterin. Nach knapp zweijähriger Berufserfahrung sorgte ihr Ehrgeiz für die Einschreibung zum Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Recht in Fürstenfeldbruck. Nach erfolgreichen Prüfungen wurde sie zur Polizeikommissarin ernannt und zum 1. April der Kriminalpolizeiinspektion Würzburg zugewiesen. Daniela ist außerordentlich gut aussehend und sieht mit ihren 27 Lenzen noch immer ein wenig wie ein hilfloses Schulmädchen aus. Modische, oft sehr körperbetonte Kleidung unterstreicht ihre erotische Ausstrahlung zusätzlich. Viele männliche Kollegen fühlen deshalb einen durchaus ehrenwerten Beschützerinstinkt in ihrer Nähe, aber Daniela kann sich zweifellos ihrer Haut selbst erwehren. Dennoch hat der noch unverheiratete Kriminaloberkommissar Bleibtreu mehr als nur einen liebevollen Blick der neuen Kollegin hinterher geworfen.
Volker freut sich heute Morgen ebenfalls, als sie zu ihm ins Auto steigt. Aber nicht in der Hoffnung auf einen kleinen Flirt, denn Volker ist ein treuer Ehemann, obwohl ihr jungendliches und attraktives Äußeres auch sein Gefallen findet. Er hat inzwischen den Fleiß und die rasche Auffassungsgabe der neuen Kollegin zu schätzen gelernt. Sie biegen, wie beschrieben, nach der Brücke auf den Feldweg ein und fahren die knapp 2 Kilometer durch Gärten, Wiesen und Felder bis zu seinem Ende. Jetzt im Frühling blühen unzählige Obstbäume im Maintal, da auf Grund des warmen Klimas viele Obstsorten hier besonders gut gedeihen. Das Leuchten des weißen bis rosaroten Blütenmeeres im Sonnenlicht wird durch das Summen der fleißigen Bienenvölker deutlich hörbar abgerundet. Am Wegesende wartet wirklich ein Kollege der Schutzpolizei auf sie. Auf der Wiese neben dem Feldweg parken bereits mehrere Fahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr, dem Rettungsdienst und noch zwei Privatwagen. Der aufgemotzte Golf gehört seinem Kollegen Kilian und der Mercedes-Geländewagen wahrscheinlich dem Patholgen Dr. Martin Faust, dem sein Nachname in Verbindung mit seinem Beruf schon so manchen lustigen Spott einbrachte. Doch Volker fällt sofort die blasse Gesichtsfarbe des wartenden Beamten auf:
"Sieht es schlimm aus?"
"Guten Morgen, Herr Kommissar, kommen sie doch bitte mit und sehen sie sich den Tatort selbst an."
Die Kommissare folgen dem Schutzbeamten noch über einen Kilometer auf einem Wanderweg entlang des Mains bis zu dem Hangwald unterhalb der Vogelsburg. Die Umgebung erscheint unpassend friedlich. Auf dem Main tuckert langsam ein altes Kiestransportschiff vorbei und im Wald singen die Vögel unschuldig ihr Liebeslied. Menschliches Leid bedeutet ihnen wenig oder auch gar nichts. Der Polizist wendet sich nun hangaufwärts. Der Wald ist sich hier selbst überlassen und abgerissene Zweige, umgestürzte Bäume, niedrige Büsche und Farnkraut erschweren das Vorwärtskommen. Dennoch erkennt Volker schon bald die rotweißen Absperrbänder zwischen den Bäumen und weiß, dass sie sich endlich dem Tatort nähern.
"Seien sie mir bitte nicht böse, wenn ich nicht weiter mitkomme. Hinter der Absperrung finden