Traumziel Kajütboot. Thomas Stange. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Stange
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847628439
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„habt ihr nochmal Lust auf ‘nen kleinen Makrelentörn? Makrelen stehen gut im Moment.“

      Ja, ja. Wie heißt es so schön? Die Zeit verklärt die Erinnerung. Ich dachte in dem Moment an das Gefühl, auch an das Quäntchen Stolz, das ich damals empfunden hatte, zum ersten Mal ein Schiff, und wenn es auch nur ein altes, aufgetakeltes Rettungsboot war, auf See zu steuern.

      Andi dachte an die vierzig Makrelen. Ich sagte „Ja“. Der Floh sagte „Nein“.

      Am nächsten Morgen um acht Uhr stand ich, seemäßig klariert, an Deck der Seenixe. Auch der Angler war pünktlich. Diesmal musste ich mit ‘ran. Segel anschlagen, Cockpit aufklaren, Leinen aufschießen, so gut ich eben konnte. „Klar vorn und achtern.“ Diesel aufwecken, Leinen los, Gang ‘rein und ab ging’s. Durch Schleuse und Kutterhafen und hinaus ins Fahrwasser, an dessen Begrenzungen aufgrund der zunehmenden Ebbe schon die ersten Sande und Untiefen sichtbar wurden.

      Diesmal kam der Wind mit Stärke 3 quer ein zur Tide, weswegen unser Skipper auch die Hoffnung äußerte, heute „endlich mal wieder segeln“ zu können. Das erweckte auch in mir einige Erwartungen, denn, ich musste es mir ehrlich eingestehen, ich war noch nie auf einem Schiff unter Segeln unterwegs gewesen.

      „Ein Bier gefällig ?“ Der Skipper hatte natürlich wieder vorgesorgt.

      „Danke, ja“ Die Augen des Anglers leuchteten auf.

      „Danke, nein“, blieb ich bei meinen guten Vorsätzen.

      Unser Käpt’n grinste wissend.

      „Frühestens, wenn wir wieder im Hafen liegen,“ räumte ich ein, „so eine Art..., eine Art ...“

      „Ah, du meinst so eine Art ‘Manöverschluck’“.

      „Genau, das Wort hab’ ich gesucht. Aber früher auf keinen Fall.“

      In der Zwischenzeit lagen Spiekeroog und Wangerooge an Backbord und Steuerbord querab, unrühmlicher Ort meiner ersten negativen See-Erfahrung. Erwartungsgemäß hatte unser alter Dampfer wieder begonnen, sich leicht um seine Querachse zu bewegen. Bei mir allerdings keinerlei Anzeichen von Übelkeit, ich fühlte mich wohl. Insgeheim beglückwünschte ich mich zu meiner Entscheidung gegen den Genuss geistiger Getränke. Na siehst du, es geht doch, dachte ich mir im Stillen.

      Wir hatten nun die Inseln knapp achteraus gelassen. Aus dem leichten Auf und Ab in der Bewegung der Seenixe war ein ausgewachsenes Stampfen geworden. Der Skipper machte ein besorgtes Gesicht und begann mit seinen Vorbereitungen zum Segelsetzen.

      „Bei diesem Gedümpel können wir nicht angeln. Unter Segeln läuft das Schiff ruhiger ab als unter Motor. Wir setzen Fock und Groß und laufen dann noch ein Stück weiter raus. Hier kriegen wir noch die Kreuzseen von den Inseln ab. Draußen ist es ruhiger.“

      Der Skipper nahm den Diesel bis kurz vor Leerlaufdrehzahl zurück, damit er gerade noch Ruder im Schiff behielt und beorderte mich an die Pinne.

      „Den Kurs so halten.“ Gerne, wenn’s geht, dachte ich mir. Hat mir der Käpt’n damals einen Kompasskurs genannt? Hatten wir überhaupt einen Kompass an Bord ? Ich glaube nicht, denn unser Skipper verzichtete aus Prinzip auf alles seiner Meinung nach an Bord Überflüssige. So hatte er auch meine Frage nach Rettungsmitteln mit einer wegwerfenden Handbewegung abgetan.

      Der Käpt’n turnte also aufs Vordeck, um zusammen mit dem Angler die Fock zu setzen. Ich hielt Kurs oder versuchte es zumindest. Weswegen die ganze Sache dann schiefging, weiß ich bis heute nicht. Dafür fehlen mir auch heute noch die seglerischen Fachkenntnisse. Ich gehöre eben zur motorenden Fraktion. Jedenfalls bekamen Skipper und Angler da vorn die Fock nicht klar. Lag es am Wind? Oder hatten sich irgendwelche Schoten oder Fallen vertörnt? Keine Ahnung. Die Fock kam nicht hoch und die niedrige Drehzahl des Diesels reichte nicht aus, unseren Dampfer auf Kurs zu halten.

      „Mehr Drehzahl!“, brüllte der Käpt’n zu mir ‘rüber. Kann er haben. Dachte ich mir. Denn als ich zum Gashebel griff und ihn ein Stück vorschob, gab der Diesel nur ein kurzes ‘Bloff’ von sich.

      Aus. Der Diesel war aus! Sofort begann unser Spitzgatter damit, sich quer zur See zu legen und entsetzlich zu rollen.

      Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich unseren Skipper immer als ruhigen, besonnen Seemann erlebt. In diesem Augenblick aber, in diesem Moment, schwang in seiner gepressten Stimme etwas anderes mit. Angst. Unterdrückte Panik. Der Versuch, sich zur Ruhe zu zwingen. Er hatte die Verantwortung für uns Törngäste. Mir wäre es nicht anders ergangen. Bis dahin war auch ich noch einigermaßen ruhig gewesen, einfach aus meiner relativen Unerfahrenheit heraus, die Gefährlichkeit der Situation richtig einzuschätzen. Als wir jetzt jedoch begannen, mit dem Cockpit-Süllrand grünes Wasser zu schöpfen, sackte auch mir das Herz in tiefere Regionen.

      „Fang die Fockschot (oder was auch immer) da ein und beleg sie irgendwo.“

      Das war an mich gerichtet. An Backbord flatterte eine Leine außenbords. Während ich nach dem wild schlagenden Ding angelte, war unser Käpt’n am Steuer dabei, den störrischen Diesel wieder in Gang zu bringen.

      „Verdammter Mist !“

      Ich kriegte diese vermaledeite Leine einfach nicht zu greifen. Der Angler stand immer noch auf dem Vordeck und hielt den Mast umklammert. In meinem Rücken ratschte der Anlasser hilflos vor sich hin.

      „Ruhig, ganz ruhig, immer mit der Ruhe“, hörte ich die jetzt wieder besonnene Stimme unseres Skippers in meinem Rücken.

      Hab’ ich dich, du Biest. „Käpt’n, ich hab sie!“

      „Da an der Klampe belegen.“

      „Okay, Käpt’n.“ Also, wickel, wickel, wickel, wickel .....

      „Mann, wie oft willst du denn noch wickeln? Einmal ‘rum und dann eindrehen, reicht völlig.“

      „Okay, Skipper, ist fest!“

      Und erst jetzt drang ein gleichmäßiges Nageln in mein Bewusstsein. Der Diesel ! Der Diesel lief wieder!

      Wir hatten sofort in die Strömung gedreht und liefen jetzt mit den Seen ab, auf Heimatkurs.

      „Keine Chance heute.“

      Unseren Käpt’n hatte der Vorfall scheinbar doch ganz schön beeindruckt.

      „Kein neuer Anlauf. Wir laufen zurück. Allerdings haben wir jetzt eine Menge Zeit. Wir haben immer noch ablaufend Wasser. Zu wenig Wasser, um jetzt noch nach Harlesiel zurückzukommen. Die Tide kentert in einer Stunde, dann drei Stunden auflaufend Wasser und dann müsste es reichen. Fürs erste gehen wir ‘mal nach Wangerooge.“

      Auf der Wattseite der Insel steuerten wir den Hafen an. Erst jetzt merkte ich, wie müde ich war. An meiner linken Hand spürte ich Feuchtigkeit. Blut. Ich hatte mir bei der Aktion vorhin den Handrücken aufgerissen. Wann ? Wo ? Keine Ahnung.

      „Auf der Insel finden wir schon was, um dich zu verpflastern. Übrigens, will jetzt jemand ein Bier?“

      „Klar Käpt’n, jetzt ja.“ Nach so einer Sache hat man sich ein Bier verdient, meinen Sie nicht auch, liebe Leser? Prompt breitete sich eine warme Wohligkeit in mir aus. Eine Gefahr auf See überstanden zu haben, das ist doch schon ‘was, oder?

      „Käpt’n, ich nehm’ mir noch eins, okay ?“

      Dann waren wir im Hafen von Wangerooge. Anlegeplätze Mangelware. Einzig eine Kaimauer, wegen des Tideniedrigwassers himmelhoch aufragend. Schild mit der Aufschrift ‘Nur für Berufsschifffahrt !’

      „Hier gehen wir ‘ran“, entschied der Käpt’n.

      „Geht ihr nicht!“, kam eine Stimme von oben. Der Hafenkapitän, in voller Uniform.

      „Gehen wir doch! Und vor allen Dingen, stell dich nicht so an, du .....“

      Aha, dachte ich mir, man kennt sich. Der Hafenkapitän entschwand.

      „Und wie kommen wir an der Mauer hoch, Skipper?“

      „Da vorne ist eine Leiter eingelassen, genau da machen wir fest.“

      Jetzt