Kuss der Wölfin - Trilogie (Fantasy | Gestaltwandler | Paranormal Romance | Gesamtausgabe 1-3). Katja Piel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katja Piel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039504
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nicht. Ich habe mir schon lange eine Freundin gewünscht, mit der ich plaudern kann, bevor ich einschlafe.“

      Marcus lachte. „Dann genüge ich dir wohl nicht?“

      „Du bist ein Mann. Mit dir kann man doch nicht reden.“ Während sie sich lachend kabbelten, blieb Sibils Blick an Marcus hängen. Seine blauen Augen gaben ihm etwas Kindliches, obwohl sein Kinn schon männlich markant war. Seine Lippen waren voll und sinnlich. Lippen zum Küssen. Ihr Herz schlug plötzlich fester.

      Imagina nahm Sibil und führte sie zu einem Stuhl. „Setz dich. Möchtest du etwas essen oder trinken?“ Plötzlich merkte Sibil, wie ausgehungert sie war. Eifrig nickte sie. Imagina öffnete die Tür zu einem kleinen, dunklen Nebenraum und brachte Brot, Butter, einen Topf mit Honig und ein Stück Käse zum Vorschein, das in ein feuchtes Tuch geschlagen war.

      „Ich kann dir Eier braten“, bot sie an.

      „Au ja“, sagte Marcus sehnsüchtig, und Imagina versetzte ihm einen spielerischen Schlag mit dem feuchten Tuch.

      „Du nicht, Vielfraß. Heute gehört alles, was wir haben, Sibil. Ab morgen müsst ihr wieder teilen.“

      „Das ist kein Problem“, sagte Rosa und setzte sich zu Sibil an den Tisch. „Wir haben viel.“

      „Ist das hier das Paradies?“

      „Du meinst, ob du gestorben und in den Himmel gekommen bist? Nein, das hier ist immer noch das gute alte Erdenleben. Nur ganz anders, als du dachtest. Es gibt so viel mehr zwischen Himmel und Erde, als du glaubst...“

      „Erzähl mir davon.“

      „Soll ich...?“Rosa sah zu Imagina hinüber, die aus einem großen Krug Milch in Becher füllte. „Mach nur. So sehe ich gleich, ob du gut aufgepasst hast.“

      Rosa holte tief Luft. „Also. Wie du bereits weißt, gibt es uns Gestaltwandler. Wir haben eine menschliche Gestalt und eine Wolfsgestalt. Wenn du deinen ersten Vollmond erlebt hast, kannst du nach Belieben zwischen beiden Gestalten wechseln. Der Wolf wohnt dann in dir, und du musst dafür sorgen, dass es ihm gut geht. Das kannst du auf zwei verschiedene Arten tun. Entweder, du lässt das Tier entscheiden. Dann wirst du wie Raffaelus und sein Rudel. Sie morden, sie folgen ihren Trieben, sie haben Spaß am Töten, und dadurch wird das Tier immer mächtiger. Manche vermischen auch ihre Gestalt und bleiben für immer ein Zwischenwesen. Die zweite Möglichkeit ist es, die menschliche Seele in dir entscheiden zu lassen. Du sorgst gut für dein inneres Tier, aber du lässt es nicht über dich bestimmen. Der Schlüssel dafür ist, dass du niemals einen Menschen angreifen darfst. Du darfst auch niemals jemanden beißen und ihn damit auf unsere Seite holen. Deine Seele muss rein bleiben. Du kannst dich dann jederzeit in einen Wolf verwandeln, aber du kannst auch die Kontrolle über ihn behalten.“

      „Einer aus Raffaelus' Rudel... Adam... er sagte mir, dass es Macht verleihen würde, Menschenfleisch zu essen. Und Macht sei... gut. Nötig.“

      „Adam?“ Imagina stellte den Krug ab. „Wie geht es ihm?“

      „Du kennst ihn?“ Imagina seufzte. „Ich wollte ihn damals Raffaelus nicht überlassen. Aber der Junge war so voller Wut. Er konnte sich nicht beherrschen und hat bei seiner ersten Wandlung einen Menschen getötet. Danach konnte er hier nicht bleiben, und Raffaelus hat sich seiner angenommen.“

      „Davon hat er mir gar nichts erzählt“, sagte Sibil erstaunt. „Allerdings hat er mich zu dir geschickt. Auf Umwegen zumindest. Und es geht ihm gut. Er scheint ganz zufrieden zu sein.“

      „Ich denke, damals war er verliebt in Raffaelus. Er wollte sich lieber von einem starken, wütenden Mann lenken lassen als von einer Frau.“

      „Das ist wahrscheinlich immer noch so“, sagte Sibil und trank durstig ihren Milchbecher leer. „Aber wie ist das nun mit der Macht? Muss man Menschen töten, um zu überleben?“

      „Nein.“ Imagina klang sehr entschieden. „Der Weg als reine Seele ist schwierig, aber man kann ihn gehen. Er erfordert mehr Mut als der andere. Aber du bist freiwillig zu uns gekommen, um alles über diesen Weg zu lernen, und ich werde dir beibringen, was ich weiß.“

      „Dann werde ich eine Weile hierbleiben?“

      Imagina lächelte. „Ja. Eine ganze Weile, mein Kind.“

      14. Kapitel

      Herbst 2012, Frankfurt am Main

       «Aber den Hals brechen soll ich mir nicht?»

      „Du schon wieder.“ Sam sah zu mir hinauf, den Arm bis zur Schulter im Getränkeautomaten.

      „Es ist nicht, wonach es aussieht! Der Automat in der Mensa ist kaputt.“

      „Du könntest dir nicht einfach ein Getränk von zu Hause mitbringen?“

      „Da denke ich nie dran.“ Er zog den Arm aus dem Automaten und richtete sich auf.

      „Wie geht’s dir, Anna?“

      „Gut, und dir?“

      „Beschissen.“

      „Hm, ja. Danke für die Info.“

      „Ich weiß nicht, was ich machen soll.“ Er sah mich aus großen, bittenden grünen Augen an. Sein Haar stand mal wieder in alle Richtungen ab, ich wusste mittlerweile, dass das eine Laune der Natur war, kein modischer Trick. Ich wollte meine Finger in diesem sinnlichen Durcheinander vergraben und ihn küssen, bis uns die Luft wegblieb.

      „Ich habe dir gesagt, was du machen sollst. Nämlich nichts.“

      „Aber es fühlt sich so falsch an.“

      „Deine Beziehung zu Alexa?“

      „Ja. Nein. Ich weiß nicht... Irgendwie schon, aber...“ Ich trat an ihn heran und schlang die Arme um ihn, so geschwisterlich ich konnte. Sein warmer Körper unter dem verwaschenen Sweatshirt triggerte mich. Ich konnte sein Blut riechen, seinen Schweiß, sein Begehren, vermischt mit einem schwachen Geruch nach Zigaretten und Rasierwasser. Er umklammerte meine Schultern und atmete in mein Haar.

      „Das hilft nicht, Anna. Das hilft nicht.“

      „Ich weiß.“ Ich ließ ihn los. Mein Körper kribbelte.

      „Ziehst du mir eine Cola?“

      „Mit Zucker?“

      „Genau.“ Er griff wieder tief in den Automaten und rüttelte daran herum, während ich daneben stand und seinen hübschen Po bewunderte. Da kam Alexa um die Ecke. „Hey Anna – was machst du so?“

      „Ich stehe Schmiere.“ Ich grinste und deutete auf Sam.

      Alexa lachte. „Ah, alles klar. Mir auch eine, mein Herzblatt – eine light?“

      „Bin ich euer Butler, oder was“, murrte Sam gespielt missmutig, zog aber das Gewünschte aus dem Automaten.

      „Hier.“ Er drückte mir meine rote Cola in die Hand. „Dein Anteil an der Beute.“

      Wir stießen mit den Plastikflaschen an und tranken einen Schluck, bevor wir uns in unsere verschiedenen Veranstaltungen aufteilten. Sam und Alexa gingen Arm in Arm davon, und ich zwang mich, ihnen nicht hinterherzusehen.

      Das Setting meines ersten Shootings begeisterte mich nicht sonderlich. Ich bin altmodisch; ich möchte auf Fotos hübsch aussehen. Das hier war eine Industriebrache: eingeschlagene Fensterscheiben, abblätternder Putz, Graffiti-Schmierereien. Zum Haupteingang führten drei bröckelnde Stufen. Direkt daneben krallte sich ein vertrockneter Busch in eine Betonritze. Hier würde man keine hübschen Modefotos schießen. Hier würde vielmehr ein supermoderner Fotograf sich selbst verwirklichen, während ich mich mit grellem Makeup und schrillen Klamotten vor einer Betonwand verrenkte.

      Dass es viel, viel schlimmer kommen würde, konnte ich nicht ahnen. Ich überlegte kurz, ob ich wieder nach Hause fahren sollte, aber wie gesagt, ich bin ein altmodisches Mädchen, und deshalb halte ich mich