kleine Ewigkeit. H. Loof. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. Loof
Издательство: Bookwire
Серия: kleine Ewigkeit
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742710246
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dessen Name ihm einfach nicht einfallen wollte. Es sah beinahe so aus, als ob der halbe Kopf fehlte. In diesem Moment war Arvin froh, dass die Dunkelheit die grausamen Einzelheiten verbarg. Am Horizont erweckte ein flackernder Lichtschein seine Aufmerksamkeit. Dort lag Neu Braunschweig. In Gedanken fragte er sich, wie viele Bewohner wohl dem wütenden Mob entkommen waren und ob die Stadt jetzt gerade abbrannte. Die Einwohner hatten nicht die geringste Chance gehabt, das war Arvin bewusst. Kaum einer der Jungmenschen hatte eine Waffe und noch weniger konnten damit umgehen.

      Wir sind einfach zu träge und dabei auch noch zu selbstgefällig geworden, dachte Arvin bitter.

      Eine ganze Weile saß er auf dem Kutschbock, schaute in Richtung Neu Braunschweig und überlegte verzweifelt was er nun tun sollte. Zur Stadt konnte er nicht zurück und scheinbar hatte das gleiche Schicksal auch schon andere Städte ereilt. Er musste einen Platz finden, an dem er seine Verletzung auskurieren konnte. Gab es noch eine Stadt zu der er hinkonnte? Würde er es überhaupt mit seiner Verletzung zu einer entfernten Stadt schaffen?

      Er löste die Bremse der Kutsche und gab den noch vorgespannten Pferden zu verstehen, sich in Bewegung zu setzen. Als er sich auf der schlecht ausgebauten Straße langsam von Neu Braunschweig entfernte, hatte er immer noch kein Ziel vor Augen.

       Wir sind selbst schuld! Warum können wir nicht einfach nur friedlich miteinander leben?

      Flucht und andere Unannehmlichkeiten

      Der Himmel ließ die weißen Flocken in großer Anzahl zu Boden schweben. Inzwischen war die Schneedecke schon so hoch, dass Amber bis zu den Knien im Schnee einsackte. Mit ihren 33cm würde es auch nur noch ein paar Minuten dauern bis sie ganz in der weißen, grausamen Pracht versinken würde.

      Hektisch schaute Amber sich um. Es musste ihr irgendwie gelingen, sich möglichst schnell so etwas wie Schneeschuhe zu bauen oder ihre Flucht und damit ihr Leben würde hier enden.

      Ein Licht am Wegesrand ließ auf ein kleines Anwesen schließen. Mühsam stapfte Amber durch den hohen Schnee bis vor die kleine Mauer, die das Gebäude von der Umgebung abgrenzte. Langsam und vorsichtig schlich sie an der Mauer entlang, bis sie schließlich zu einem eisernen Tor kam. Ein kurzer Blick durch die Gitterstäbe zeigte nichts Verdächtiges.

       Wer soll auch schon bei so einem Wetter draußen sein?

      Das Tor war nicht verschlossen und Amber machte sich daran das Grundstück zu betreten. Sie hoffte im Stillen, dass die Bewohner ihr helfen würden. Falls es sich aber schon herumgesprochen hatte, dass die EINZIG WAHRE KIRCHE eine Frau suchte, würde sie hier wohl eher den Tod finden. Aus einem Fenster viel ein gelbliches Licht, das den Außenbereich vor dem Haus leidlich beleuchtete. Nervös näherte sich Amber der Eingangstür, als ihr Blick zufällig auf ein paar Skier fiel, die an der Wand lehnten. Das konnte ihre Rettung sein. Nach einem kurzen Zögern, schnappte sie sich die Skier und versuchte sie festzuschnallen. Mit ihrer verletzten rechten Hand brauchte Amber einige Anläufe bis die Skier sicher an ihren Stiefeln befestigt waren. Noch ein kurzer Blick in die Runde, ob sie auch niemand bemerkt hatte und sie machte sich auf den Weg.

      Wieder auf der Hauptstraße angekommen, waren die Spuren, denen sie gefolgt war, schon fast vollständig vom Schnee bedeckt und kaum noch zu erkennen. Aber vielleicht hatte das auch seine Vorteile. Auch ihre Spuren würden bald nicht mehr vorhanden sein und wohin die Kutsche mit Kerwin als Gefangenen fuhr, gab es keinen Zweifel. Mit neuem Mut machte sich Amber an die Verfolgung und verfiel dabei in einen gleichmäßigen Langlaufstiel den sie ein paar Stunden durchhalten konnte. Mit etwas Glück würde sie die Kutsche bald einholen können. Schließlich war sie mit normalen Rädern unterwegs und hatte bestimmt auch Probleme bei diesem Wetter.

      ***

      Nach gut zwei Stunden auf den Skiern machte sich Amber langsam Sorgen, ob sie wirklich auf dem richtigen Weg war. Im Schnee waren keinerlei Spuren zu erkennen. Sie war sich nicht mal mehr wirklich sicher, dass sie noch auf der Hauptstraße war. Aber das waren nicht ihre einzigen Sorgen. Falls sie den Gefangenentransport wirklich erreichen sollte, wusste sie nicht, wie sie es überhaupt schaffen könnte, Kerwin zu befreien. Ihre rechte Hand schmerzte immer noch höllisch und war kaum zu gebrauchen. Außerdem würde sie bestimmt ziemlich erschöpft sein und die halbes Dutzend Wachen waren gut ausgebildete Kämpfer. Nun sie würde wohl improvisieren müssen. Immerhin sorgte die weiße Schneedecke dafür, dass die Landschaft durch das Mondlicht relativ hell erleuchtet war. Das Schneetreiben hatte auch vor kurzem aufgehört und Amber kam nun gut voran. Der Weg führte über eine ebene Fläche leicht bergab. Weit voraus war etwas Dunkles zu erkennen. Aus dieser Entfernung konnte Amber aber nicht erkennen, was es war. Inbrünstig hoffte sie, dass es sich um die Kutsche handelte, denn langsam schwanden ihre Kräfte und es machte sich eine bleierne Schwere in den Gliedern breit. Trotzdem verlangsamte sie ihr Tempo kein bisschen.

      Beim Näherkommen konnte sie erkennen, dass es sich tatsächlich um eine Kutsche handelte. Sie lag auf der Seite und war offensichtlich stark beschädigt. Um die Kutsche verstreut konnte sie vier menschliche Körper erkennen. Amber hielt an und schaute sich misstrauisch um.

       Was ist hier nur geschehen?

      Die Gedanken rasten durch Ambers Hirn. Es sah aus, als ob die Kutsche überfallen worden war. Vorsichtig näherte sie sich dem Gefährt. In dem Mondlicht konnte sie zwar keine Farben erkennen, aber die dunklen Stellen bei den Körpern konnten sich nur um Blutflecke handeln. Ein leises Stöhnen ließ sie aufhorchen und Amber umrundete den umgestürzten Wagen. An der Unterseite lehnte ein verletzter Diener der Kirche und stieß von Zeit zu Zeit dieses leise Stöhnen aus. Als der Kirchenmann Amber erblickte, hustete er noch mal und spuckte dabei Blut, bevor er zu Amber sprach: „Bitte helft mir!“

      „Was ist hier geschehen?“, fragte Amber nach, während sie sich ihrer Skier entledigte und zu dem Verletzten herunterbeugte, um den Mann zu begutachten.

      Es sah wirklich nicht gut aus. Eine Wunde an der Brust und das gleichzeitige Bluthusten ließ darauf schließen, dass der Kirchendiener eine schwere Verletzung eines Lungenflügels erlitten hatte.

      „Wir wurden überfallen. Sie haben hier schon auf uns gewartet, diese Mörder des Schlangenclans.“, röchelte er leise.

      Das klang irgendwie seltsam. Amber konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.

      „Wieso sollte der Schlangenclan einen Gefangentransport der Kirche überfallen? Kerwin hatte doch eigentlich nichts mit ihnen zu schaffen.“, murmelte Amber nachdenklich.

      Im gleichen Augenblick merkte sie, dass sie einen schweren Fehler begangen hatte. Der verletzte Kirchenkrieger griff zu seinem Schwert. Amber aber war schneller. Sie zog mit Ihrer Linken ein Messer aus der Tasche und mit einem gezielten Stich in die Kehle des Mannes beendete sie sein Leben.

      „Mist, Mist, Mist. Wie kann man nur so dämlich sein?“, schimpfte Amber vor sich hin, während immer noch das warme Blut aus der Halsschlagader rhythmisch auf ihr Handgelenk sprudelte.

      Müde stand sie auf und schaute auf den gerade Getöteten. Bedauern konnte sie nicht empfinden. Sie ärgerte sich aber gewaltig über sich selbst. Der Mann hatte bestimmt noch mehr nützliche Informationen besessen und durch ihre unachtsame Äußerung würde sie die nun nicht mehr bekommen.

      Eine Untersuchung des Wagens zeigte Ihr, dass von Kerwin keine Spur zu finden war. Vielleicht hatten die Mitglieder des Schlangenclans ihn mitgenommen oder er hatte fliehen können. Zudem hatte sie bisher nur fünf Leichen gesehen. Es hätten aber sechs Kirchendiener hier sein sollen. Etwas ratlos suchte sie weiter nach irgendwelchen Anhaltspunkten. Der Überfall konnte noch nicht länger als eine halbe Stunde her sein. Die Kampfspuren waren nur leicht vom Schnee bedeckt. Richtung Westen meinte sie so etwas wie Spuren im Schnee zu entdecken. Mit angehaltenem Atem probierte Amber, ob sie etwas hören konnte, doch es war einfach nur totenstill. Zweifelnd schnallte sie sich wieder die Skier an und machte sich auf den Weg, den vermeintlichen Spuren zu folgen.

      Nach nicht mal einer halben Stunde hatte sie aber endgültig keine Ahnung mehr wohin sie sich wenden sollte. Von den Spuren war wirklich gar nichts mehr zu sehen und