kleine Ewigkeit. H. Loof. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. Loof
Издательство: Bookwire
Серия: kleine Ewigkeit
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742710246
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nachdem man endlich das Problem der Überbevölkerung und des Hungers erfolgreich beseitigt hatte, in dem die gesamte Menschheit und die großen Tiere auf ein Fünftel der ursprünglichen Größe geschrumpft wurden und dabei sogar das Altern besiegt hatte, sah es für eine kurze Zeit so aus, als ob jetzt alle in Frieden leben konnten. Aber das war ein gewaltiger Trugschluss. Arvin fragte sich manchmal, ob es nicht möglich gewesen wäre, die menschliche Natur gleich mit zu verändern. Aber das hatte man nicht und nun war die Menschheit wieder ziemlich am Anfang angelangt. Mit Sehnsucht dachte er daran zurück, wie einfach es gewesen war, auf Informationen zuzugreifen. Man musste einfach nur im Netz suchen. Es war alles elektronisch gespeichert und für jedermann leicht einzusehen. Nur war das auch das eigentliche Verhängnis gewesen. Der Krieg hatte nicht nur Städte und Menschen zerstört. Er hatte auch das Netz zerstört und ohne dieses Onlinewissen gab es keinen mehr, der die Technik reparieren oder in den Fabriken die Abläufe steuern konnte. Der Niedergang nach dem Krieg ging stetig voran und Arvin fragte sich, auf welcher Stufe sie wohl landen würden und ob es überhaupt wieder ein Zurück zur alten Größe der Menschheit gab.

      Hätte man doch bloß noch echte Bücher aus Papier gehabt, dachte Arvin schwermütig.

      Der Weg zu dem Lager war fast geschafft und Arvin konzentrierte sich wieder auf seine eigentliche Aufgabe. Er sollte das Lager inspizieren und dabei die Missstände aufschreiben. Nur würde es nichts helfen. Niemand aus der Stadtverwaltung würde auch nur den kleinen Finger rühren, um Abhilfe zu schaffen. Schon die ersten Häuser, an denen sie vorbeikamen, machten einen desolaten Eindruck. Das Lager bestand nur aus einer großen Anzahl schnell zusammengezimmerten Baracken. Es gab keinen Wall oder Zaun, um wenigstens etwas Schutz vor den wilden Tieren zu gewährleisten. Und leider existierten wirklich ein paar Tiere, die den Menschen gefährlich werden konnten, da bei der Verkleinerung nicht alle Tiere mitberücksichtigt wurden. Überhaupt war es eine Schande, wie die Menschen hier leben mussten. Nicht mal fließend Wasser gab es und natürlich auch keine sanitären Anlagen. Abgerissene, dreckige Gestalten beobachteten die Kutsche auf dem Weg zum großen Platz. Der Kutscher fuhr langsam und Arvin schaute sich intensiv um. Im Grunde hatte sich nichts geändert, seit seinem letzten Besuch und trotzdem hatte er das Gefühl, als ob es diesmal anders war. Er wusste nicht warum und konnte es einfach nicht an irgendetwas Speziellem festmachen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich immer weiter in Arvin aus und es bildete sich ein großer Kloß im Hals.

      Endlich hatte die Kutsche ihr Ziel erreicht und Arvin stieg aus. Er wurde schon von einigen Personen erwartet, die vor dem einzigen, etwas besseren Haus in diesem Lager standen. Arvin streckte sich noch mal und wischte sich wieder mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn, bevor er auf die Gruppe zuging. In den Gesichtern konnte er Ablehnung und sogar unverhohlenen Hass lesen. Das mulmige Gefühl verstärkte sich und Arvin versuchte den immer größer werdenden Kloß herunterzuschlucken, was ihm nicht gelang.

      „Seid gegrüßt. Ich bin gekommen, um nachzusehen, was ihr benötigt?“, begrüßte er die Menschen.

      „Warum? Ihr helft uns doch sowieso nicht. Warum kommst Du überhaupt noch hierher?“, kam die Gegenfrage aus der Gruppe.

      „Auch bei uns wird es immer schwieriger. Wir tun was wir können.“, versuchte Arvin den Frager zu beschwichtigen.

      Dabei wusste er, dass es eine Lüge war. Aber was sollte er den armen Menschen sonst sagen? Er konnte ihnen doch nicht erzählen, dass in Neu Braunschweig genug leere Häuser standen, um fast alle aus diesem Lager aufzunehmen. Nur wollte das niemand. Keiner wollte alte oder kranke Menschen um sich herumhaben. Man wollte einfach nicht an diese unangenehmen Dinge erinnert werden und lieber unter sich bleiben. Es gab sogar Stimmen, die vorschlugen das Lager zu zerstören und die Nicht-Jungmenschen fortzujagen, damit sie auch nicht in der Nähe von Neu Braunschweig verweilten.

      „Ihr tut was ihr könnt? Ihr sitzt gemütlich hinter eurer großen Mauer und wir interessieren Euch einen Scheißdreck.“, rief eine verhältnismäßig junge Frau.

      Zustimmendes Gemurmel, kam aus der Gruppe und die Stimmung wurde noch feindseliger.

      „So ist das nicht. Auch wir haben unsere Probleme.“, versuchte Arvin weiter zu beschwichtigen.

      „Eure Probleme! Ihr wisst doch gar nicht was Probleme sind! Heute sind 5 Menschen gestorben. Zwei von wilden Tieren zerrissen und drei, weil wir in diesem Dreck einfach krank werden.“

      Es war ein großer Mann, den Arvin nicht kannte, der jetzt direkt vor ihm stand und ihn böse anschaute. Arvin kannte so gut wie alle Menschen im Lager und ein Mann der alle anderen überragte, hätte er in den Jahren nie übersehen können. Er musste von Außerhalb kommen. Als Arvin jetzt die Gruppe intensiver musterte, konnte er nur ein bekanntes Gesicht sehen. Die Erkenntnis traf Arvin hart. Er hätte nie gedacht, dass die Lagerbewohner Kontakt zu anderen, außer ihm hätten.

      „Ich versuche Euch zu helfen! Nennt mir Eure Sorgen und Probleme und ich verspreche Euch, ich werde sie dem Rat vortragen!“, als Arvin das sagte, blickte er starr auf den Hünen und machte einen Schritt rückwärts.

      Der Mann verzog sein Gesicht zu einem höhnischen Grinsen.

      „Das glaube ich Dir sogar. Du gehst zurück zu Deinen Leuten und dann erzählst Du ihnen von uns. Und was passiert dann? Interessiert sie das überhaupt oder machen sie sogar ein paar Witze über die Untermenschen im Lager?“

      Das Gesicht von dem Riesen verfärbte sich langsam rot vor Wut.

      „So ist das nicht!“, stammelte Arvin und machte noch einen Schritt rückwärts.

      Die Situation lief langsam aus dem Ruder und Arvin wollte nur noch schnell in die Kutsche steigen und zurück in die Stadt fahren.

      „Ach wirklich? Es ist doch überall das Gleiche. Auch in Wolfengart hatten sie uns einfach wie Dreck behandelt. Das haben sie inzwischen bereut. Und hier? Hier ist es genauso!“

      „Ihr stammt aus Wolfengart? Was habt ihr gemacht?“, fragte Arvin nun schon ängstlich nach.

      „Wir haben uns das genommen, was uns zusteht und genau das Gleiche werden wir auch hier machen.“, während der Riese das sagte, zog er ein langes Messer aus dem Gürtel.

      Arvin starrte wie hypnotisiert auf das Messer in der Hand seines Gegenübers.

      „Das könnt ihr nicht machen. Wir sind doch alle Menschen!“, versuchte Arvin noch einmal die Leute zu beruhigen.

      Plötzlich spürte er einen grausamen Schmerz im Bauch. Er schaute runter. In seinem Bauch steckte das Messer. Immer noch gehalten von der Pranke des Riesen. Als er wieder aufschaute und in die Augen seines Gegenübers blickte, konnte er nur abgrundtiefen Hass darin erblicken.

      „Wir werden jetzt nach Neu Braunschweig ziehen und alle Jungmenschen töten.“, dabei drehte er das Messer etwas, so dass eine erneute Schmerzwelle durch Arvins Körper wogte.

      „Und Du kannst mir eins glauben. Dein Tod hier ist nichts im Vergleich dazu, was wir den Einwohnern der Stadt antun werden.“

      Das Messer wurde wieder herausgezogen und Arvin sackte zu Boden und blieb einfach liegen. Er hatte nicht mehr die Kraft sich zu bewegen. Das Blut lief aus der Wunde auf die staubige Straße und sickerte langsam in den Boden. Nur am Rande bekam er noch mit, wie der Kutscher um sein Leben bettelte, bevor er erschlagen wurde.

      ***

      Der Schmerz pochte dumpf durch seinen Körper. Mit Mühe öffnete Arvin ein Auge und musste feststellen, dass tiefe Nacht herrschte. Er lag immer noch an der gleichen Stelle im Dreck. Langsam bewegte er das rechte Bein und sofort überflutete ihn eine starke Schmerzwelle. Zwei Minuten blieb er reglos liegen, bevor er wieder Anstalten machte sich zu bewegen. Diesmal war er auf den Schmerz vorbereitet und schaffte es sogar sich aufzusetzen. Schwer atmend saß er da und begutachtete seine Wunde im Bauch, trotzdem er kaum etwas sehen konnte in der Finsternis. Zumindest stellte er fest, dass die Wunde kaum noch blutete, was wirklich verwunderlich war. Mühsam schleppte sich Arvin zu der Kutsche.

      Irgendwie seltsam. Warum haben sie die Kutsche nicht mitgenommen, schoss es ihm durch den Kopf.

      Als er es endlich geschafft hatte,