Monrovia Taxi. elmer weyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: elmer weyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742706119
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verfolgen den Mann in südlicher Richtung. Vito fragt. „Was soll ich machen, wenn ich ihn habe.“

      „Keine Ahnung. Verliere ihn einfach nicht aus den Augen und ruf mich an, wenn du ihn hast. Verdammt Vito ich weiß nicht warum. Aber da stimmt etwas nicht. Der Kerl müsste eigentlich tot sein.“

      „Waaas, tot sein. Wo ziehst du mich rein?“ Paul winkt ab. „Wir sollten uns trennen. Er rennt bestimmt da vorne rechts um das Haus herum. Ich will ihm den Weg abschneiden. Lauf du ihm hinter her. Schnell, sonst ist er weg.“

      In diesem Moment hört Paul hinter sich eine kräftige Stimme, die sagt. „Ihre Papiere, bitte.“

      „Meine Papiere? Ich habe meine Papiere bereits gezeigt. Vor zehn Minuten erst da vorne. Sind wir hier im Krieg, oder was“.

      „Nein mein Herr, wir sind nicht im Krieg. Ich will lediglich Ihre Papiere sehen.“ Sagt ein anderer groß gewachsener Uniformträger, ohne eine Spur von Humor im Gesicht.

      „Ja natürlich meine Papiere. Bitte sehr, hier sind meine Papiere.“ Freilich muss Paul auch eine weitere Belehrung über sich ergehen lassen. Vito ist außer Sichtweite. Als der Beamte fertig mit ihm ist, klingelt Pauls Handy.

      „Hör zu Paul. Ich will da doch nicht mit hineingezogen werden. Die Zeiten sind verrückt genug. Ich hoffe Du bist nicht sauer. Erst diese Kugel und jetzt der lebende Tote, das ist zu viel. Wenn ich ihn sehe rufe ich Dich an. Okay? Aber zur Kugel gehen, darauf habe plötzlich keine Lust mehr. Zuviel Sicherheitspersonal.“ Paul sagt okay und legt auf. Er wurde von diesem Mann auch erkannt, das ist sicher. Dieser Mann darf nicht hier sein. Paul steckt sich eine Zigarette an und merkt wie er zittert. Er setzt sich auf den Sitzplatz einer Bushaltestelle und beruhigt sich wieder.

      Es war in Philadelphia im Sommer 1997. Das war damals ein sehr komplizierter Vorgang, den er eigentlich vergessen sollte. Paul schnippt seine Zigarette weg, und beschließt gemächlichen ohne Aufsehen zu erregen, den Weg nach Hause anzutreten. Eine weitere Kontrolle will er nicht, und Stück für Stück fallen ihm die Fakten von damals wieder ein. Ein starkes Unbehagen macht sich in ihm breit. Dieser Mann gerade, der muss eigentlich tot sein. Sein Name war Jeff Wessen. Er wurde 1997 in Philadelphia aus einem Hinterhalt erschossen. Das jedenfalls war die damalige offizielle Version. Dieser Jeff Wessen war ein guter Freund von Pauls damaligem Chef Joe Cannon. Cannon war Redakteur bei der Philadelphia Tribune, im Stammhaus in der 16ten Straße. Paul hatte damals auch eine gute Kollegin. Sie hieß Victoria Senna. Beide unterstanden gleichermaßen dem Redakteur Joe Cannon.

      Nun, über zehn Jahre später, taucht er tausende Kilometer entfernt hier auf, und erkennt Paul offensichtlich sofort. Sehr langsam fallen ihm die Umstände von damals wieder ein. Er hatte sie verdrängt und vergessen, weil man ihm das damals empfohlen hatte. Sie waren jedenfalls völlig raus aus seinem Kopf verschwunden. So einen Zufall gibt es nicht, denkt er. Wieso treffen wir gerade hier, in unmittelbarer Nähe meiner Wohnung zusammen und er rennt weg. Was ist hier los?

      Es geschah am 20. Juli 1997. Da erschien dieser Jeff Wessen in der Redaktion in Philadelphia. Joe stellte ihm Victoria und Paul als seine besten Mitarbeiter vor, und sie setzten sich alle vier in den kleinen abhörsicheren Konferenzraum der Redaktion. Jeff erzählte erst belangloses Zeug, doch dann sagte er einen Satz, den Paul schon damals nicht richtig verstand.

      „Ich bestätige deine Vermutung zu dem Diebstahl vom 08. September 1992, möchte aber mehr dazu nicht sagen“.

      Paul erinnert sich, dass er sich schon damals fragte. Was für einen Diebstahl meint dieser Jeff? Und dass Joe daraufhin aufstand, um den Tisch herumging wie es immer seine Art war, wenn er bedeutungsvolle Sachen zu verkünden hatte, und folgendes sagte.

      „Ich danke für dein Vertrauen Jeff. Zu dieser Angelegenheit kann ich sagen, dass der Dieb Max Krickstein heißt.“

      Dann wechselten sie das Thema und man unterhielt sich weiter über belangloses Zeug. Paul erinnert sich, dass auch Victoria damals die Vermutung hatte, sie beide sollten nur Zeugen von Teilen dieses Gesprächs sein. Keine wirklichen Teilnehmer. Den Namen Max Krickstein hat Paul danach nie wieder gehört oder selbst ausgesprochen. Erst heute fällt ihm das alles wieder ein. Was hat dieser Krickstein damals gestohlen? Die Frage ist für Paul immer noch offen.

      Nachdem damals alle wieder den Konferenzraum verließen, beschlossen Jeff und Joe am Abend ohne Paul und Victoria essen zu gehen. Und so gegen 20:00 Uhr wurden sie beide auf dem Weg zum Restaurant erschossen. Joe Cannon hinter dem Steuer seines Autos und Jeff im Fahrstuhl seines Hotels. Paul und Victoria wurden noch in der Nacht verhaftet und auf eine Polizeiwache gebracht. Hier lernten sie einen Mann namens Joseph Snyder kennen, der sie getrennt voneinander verhörte. Snyder wollte wissen, was sie im Konferenzraum besprochen hatten. Er fragte, ob Jeff etwas Merkwürdiges bestätigte und ob Joe einen Namen nannte.

      Paul erinnert sich noch ganz genau, wie aufgeregt er war. Mit Polizei und Mord hatte er von Berufswegen als Journalist schon zu tun. Aber in der Rolle des Beteiligt war er niemals vorher gewesen. Paul überlegte damals, ob er Snyder das sagen muss. Er wollte mit dieser Sache nichts zu tun haben. Der kleine Konferenzraum war abhörsicher und die beiden sind tot. Er betete zum lieben Gott, dass Victoria das gleiche sagte, wie er selbst. Oder zumindest etwas Ähnliches. Paul und Victoria hatten beide ein gutes und nachvollziehbares Alibi für die Tatzeiten. Und sie berichteten Snyder nur von belanglosem Gesprächszeug zwischen zwei alten Freunden. Das mit dem Diebstahl von 08. September 1992 und den Namen Max Krickstein erwähnten sie beide jedoch nicht.

      Snyder ließ sie nach 24 Stunden wieder laufen. Er hatte nichts gegen sie in der Hand. Aber Paul erinnert sich, dass es schon komisch war, als man sie laufen ließ. Als ob jemand eine Kaution gezahlt hätte. Aber es war vorbei. Im gleichen Monat kündigte Paul seinen Job in Philadelphia. An seinem letzten Arbeitstag räumte er sein Büro in der Redaktion und wurde mit einem kleinen Festakt der engeren Kollegen verabschiedet. Joes Nachfolger und Victoria verstanden seinen Entschluss und überreichte ihm die Auszeichnung zum besten Fotojournalist der Tribüne des ersten Halbjahres 1997. Die hätte er sowieso bekommen. Dann zog Paul nach Europa. Zunächst nach London, aber im Herbst 1999 nach Berlin.

      Victoria hingegen wollte immer nach Süd Amerika. Sie wurde Auslandskorrespondentin in Caracas. Das war ihr Traumberuf. Paul kannte Caracas von früher. Dieser Vorfall in Philadelphia gab ihr den Grund und die Kraft das zu machen. Das war das Letzte was Paul von ihr hörte. Nach ihrer Trennung ließen sie nichts mehr voneinander hören. Sie war eine großartige Frau. Es zog sie aber in unterschiedliche Richtungen. Was mag sie heute machen? Vor allem wenn sie wüsste, dass Jeff Wessen gar nicht tot ist. Vielleicht ist Joe auch nicht tot. Und dann dieser Diebstahl und Max Krickstein. Eine Menge Dinge sind seitdem passiert. Und nun ist dieser ermordete Jeff Wessen plötzlich hier, und will nicht erkannt werden. Paul hat ihn angesprochen und der Mann ist getürmt. Als er wieder zurück in seiner Wohnung ist, waren gerade einmal eine Stunde vergangen. Er kocht sich einen Kaffee und lässt sich in seinen Lieblingssessel fallen. Greift nach der Fernbedienung auf dem Tisch und schaltet den Fernseher ein.

      „Mit hochmoderner Technik rücken Spezialisten der seltsamen Kugel immer weiter zu Leibe. Aber auch hier schlagen alle Versuche fehl. Man kann weder etwas von ihr abtrennen noch kann man in sie eindringen. Nicht einmal einen Kratzer kann man ihr zufügen. Es bleibt weder Farbe noch Wasser noch irgendetwas anderes an ihr haften. Ihre Oberfläche leitet keinen Strom, nimmt keine Radioaktivität auf und man kann sie nicht mit Röntgenstrahlen durchdringen. Die höchsten Temperaturen, so wie die tiefste Kälte können ihr nichts anhaben. Meine Kollegin Carmen Sanders spricht mit dem wissenschaftlichen Leiter der Untersuchungskommission Professor Doktor Thomas Dreher und wir hoffen er wird uns einige Fragen zu diesem offensichtlich fremden Objekt beantworten. Hören Sie selbst“.

      Carmen Sanders: „Guten Morgen Herr Professor Dreher“

      Dr. Dreher: „Guten Morgen Frau Sanders“

      „Herr Professor Dreher, in der Bevölkerung hat sich eine Ratlosigkeit breitgemacht. Das Objekt über dem Kurfürstendamm ist nun bereits seit zwei Wochen dort, und wird im Volksmund als die Kugel bezeichnet. Was hat es mit dieser Kugel auf sich und warum ist sie noch immer hier“.

      „Natürlich gefällt es uns nicht