Lange hatte er sich mit seinem Freund darüber auseinandergesetzt, eine künstliche Geliebte zu bestellen.
"Du spinnst doch, mit einer Maschine Sex haben zu wollen. Da kannst du auch gleich 'nen Staubsauger ficken - wie die notgeilen Männer, die zu uns in die Behandlung kommen", hatte sich sein Kumpel entrüstet.
Bernie arbeitete als Chirurg in einer Klinik auf Coronado, der San Diego vorgelagerten Halbinsel. Sie galt als Heimstatt von Reichen und zahlreicher Militärs, die sich dort niedergelassen hatten, als die Häuser noch bezahlbar waren.
Der Hafen war vor über hundert Jahren militärisch ausgebaut worden. Hier hatte die U.S.S. Midway ihre letzte Ruhestätte gefunden, ein zum Museumsschiff deklassierter Flugzeugträger. Aber auch die noch im Einsatz befindlichen Schwesternschiffe neueren Datums legten hier regelmäßig an. Verglichen mit deren Anschaffungskosten von sagenhaften 15 Milliarden, hatte er sein Spielzeug für ein Schnäppchen erstanden. Sie war zwar nicht atomar betrieben, verfügte aber über Künstliche Intelligenz, die sie über Maschine Learning und andere A.I. Techniken wesentlich schlauer machte als die stählernen Kolosse.
Das hatte er seinem Freund erwidert, als der ihn mit den Sexualpraktiken von Männern aufgezogen hatte, die mit gehäckseltem Schwanz bei ihm in der Notaufnahme landeten. Der Sog eines Staubsaugerpropellers mochte zunächst erregend sein. Allerdings entfaltete der Rotor eine vernichtende Wirkung, sobald das Glied zu voller Länge ausgefahren in seine Nähe geriet.
"Wie viele Soldaten vergleichen ihr Gewehr mit einer Braut, und wie viele Männer haben ein libidinöses Verhältnis zu ihrem Auto? Ich will ja mit meiner Sex-Puppe keine Menschen ersetzen, sondern neue Erfahrungen sammeln. Deine Tochter hat ja auch einen Hund und eine Barbie."
"Eve ist sechs und du bald sechzig. Soll ich dir zu Weihnachten dann auch ein Puppenhaus basteln?"
"Nein, sie schläft bei mir im Bett. Du bist doch nur neidisch, weil deine Frau es dir nie erlauben würde, eine künstliche Freundin zu haben."
"Trotzdem ist es anormal. Was versprichst du dir denn davon, deinen Schniedelwutz in ein vorgewärmtes Loch zu stecken?"
"Es ist obendrein nass und immer auf Empfang. Aber ernsthaft, anstatt mich nur mit virtueller Realität zufriedenzugeben, teste ich mal, wie weit sich Ahyoka von meiner letzten Freundin unterscheidet. Sieh es einfach als Experiment."
"Ja, aber du bist die Laborratte und deine Fickmaschine der künstliche Anreiz, das Verhalten eines Lebewesens zu testen."
"Ich bin einfach neugierig, ob es einen Unterschied gibt zwischen Sex mit einem lebendigen Menschen und einem künstlichen. Und es ist natürlich auch bequemer. Weder muss ich auf ihre sexuellen Vorlieben Rücksicht nehmen, noch mich das ganze Wochenende um sie kümmern. Sie ist pflegeleicht, hat niedrige Wartungskosten und liebt mich heiß und innig. Zumindest stand es so im Kaufvertrag."
"Vielleicht hättest du es erst mal mit einer Ziege versuchen sollen. Für das Geld, das du den Chinesen überweist, könntest du beim lokalen Bauern eine ganze Herde bekommen. Stell dir nur mal vor, jeden Abend eine andere Schöne, die dich erwartungsvoll anblökt."
"Ja, aber nicht mit künstlicher Intelligenz. Ahyoka soll mir ja auch Geschichten erzählen und ich will mich mit ihr auseinandersetzen."
"Ich denke, da machst du dir was vor. Statt zum Psychiater zu gehen, investierst du das Geld in eine Sex Puppe, deine verquere Sexualität auszuleben."
"Sei nicht so laut, wir erregen bereits das Interesse der anderen Gäste. Solange ich nicht darunter leide, brauch' ich auch keinen Therapeuten. Das wird dir jeder Psychologe bestätigen."
Sie saßen auf der Terrasse eines Fischrestaurants und verfolgten, wie die Sonne langsam im Meer unterging. Tatsächlich standen die Tische so eng beieinander, dass immer wieder Sprachfetzen der Unterhaltung anderer Gäste herüberklangen. Andy war sich nicht sicher, ob das Pärchen vom Nebentisch ihretwegen die Telefone zur Seite gelegt hatte, oder weil sie gerade ihren Salat serviert bekamen. Jedenfalls wollte er seine künftige Geliebte nicht hier inmitten von Urlaubern, Einheimischen und Kellnern lautstark erörtert wissen.
"Das meinte der Triebtäter auch, als ihn der Richter fragte, ob er unter seinen Taten litte. Vielleicht bist du ja sexsüchtig. Die Betroffenen sind ständig auf der Suche nach sexueller Befriedigung, erleben aber meist keinen Höhepunkt und können keine innere Bindung zu einem Partner aufbauen. Die zehn Jahre, die du in Thailand verbracht hast, sind dir wahrscheinlich aufs Gehirn geschlagen, beziehungsweise auf die Eier."
"Sieh's einfach mal so. Ich kann mir die Erfahrung mit der Indianerin leisten, finde es spannend, neue Sex Praktiken auszuprobieren und von künstlicher Intelligenz zu lernen. Warte nur, bis du mich schwanzwedelnd anflehst, dir Ahyoka mal für ein paar Nächte auszuleihen."
"Das ist eine gute Idee. Ich wollte schon immer mal rausfinden, worauf du abfährst."
Glücklicherweise brachte der Kellner jetzt ihren Schwertfisch. Während sie sich mit Sauvignon Blanc zuprosteten und auch die Sonne gerade unterging, war die Auseinandersetzung auf ein andermal vertagt worden.
Bernie lebte mit einer Thailänderin zusammen. Andreas hatte seinen Freund in der Micro Brewery eines Schweizers in Tijuana kennengelernt, der dort ein von Amerikanern häufig frequentiertes Pub betrieb. Das Bier war wesentlich billiger als in San Diego, wo man bis zu 8 Dollar für die Halbe zahlte, und es gab leckere Würste. Andy, der damals gerade nach Kalifornien gezogen war, hatte die burschikose Art des Mannes gefallen, der ihn an der Theke sofort als Deutschen geoutet und zu seinem Tisch komplimentiert hatte. Sie waren Freunde geworden, als sie sich über ihre Erlebnisse in Thailand austauschten. Während Andreas dort in einer Leiterplatten Fabrik arbeitete, war Bernhard als Mitarbeiter des Peace Corps tätig. Was sie verband, war allerdings weniger Berufserfahrung in einem fremden Land, als vielmehr das ausschweifende Nachtleben in Bangkok, das sie beide fasziniert hatte. Während Andy jahrelange Beziehungen mit zwei Freundinnen eingegangen war, hatte Bernie das Land im Stand der Ehe verlassen. Als sie sich in der Kneipe in Mexiko begegnet waren, dauerte es nicht lange, bis sie wehmütig an die Zeit im Land des Lächelns zurückdachten. Vermutlich war sein Freund Neuem wesentlich weniger aufgeschlossen als er. Er kaufte ja auch seine elektronischen Geräte immer erst, nachdem sie bereits jahrelang getestet waren. Er selber dagegen hatte ungeduldig in der Schlange vor dem Apple Store ausgeharrt, als damals das erste iPhone auf den Markt gebracht wurde.
Voller Spannung machte er sich daran, die Verpackung Ahyokas zu lösen. Man hatte ihm versprochen, dass seine zukünftige Gespielin betriebsbereit ankäme. Trotzdem zuckte er zusammen, als die Puppe, kaum aus dem Styropor geschält, die Augen aufschlug und ihn liebevoll begrüßte:
"Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen, und hoffe, dass wir eine wunderschöne Zeit miteinander verleben."
Vielleicht hätte er doch die verlängerte Garantie ankreuzen sollen, schoss es ihm durch den Kopf. Wer wusste schon zu Beginn, wie lange er sie benutzen wollte. Als er letztens einen Saugroboter kaufte, hatte er sich ohne nachzudenken für mehrjährige Gewährleistung entschieden. Aber, da er bislang keinerlei Erfahrung mit elektronischen Partnerinnen hatte, würde er erst mal abwarten, wie sich seine Ansprüche entwickelten, beziehungsweise, wie die Indianerin ihnen gerecht würde. Er hatte die Katze quasi im Sack gekauft. Es auch vermieden, die vorgeschlagene Tour nach China zu buchen, die im Angebot erhältlichen Damen einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Irgendwie war ihm seine Entscheidung, mit einer Puppe zusammenzuleben, doch noch peinlich. Und er dachte voller Abscheu an die Heiratsvermittler, die Russinnen zur Probe anboten.
"Wie heißt du? Oder hätten Sie es lieber, wenn ich dich sieze?"
Er schmunzelte über ihre Grammatik, antwortete aber schnell: "Andreas, du kannst mich Andy nennen. Und ja, lass' uns duzen."
Die Beraterin hatte ihm beim Verkauf erklärt, dass er die Anrede jederzeit ändern könne. Von 'Mein Gebieter' mit der Option, die Augen niederzuschlagen, bis zum familiären Papi, Bruderherz, Onkelchen, Großvater, oder dem eher traditionellen Schatzi gab es keine Grenzen. Der