Und irgendwie gelang es ihm tatsächlich, zu Esha durchzudringen. Seine Worte drangen in sie ein und lösten die Verkrampfung, die sich in ihr gebildet hatte, schlagartig auf. Sie lächelte erfreut, während Tränen aus ihren Augen rannen.
„Und wie er lebt!“ sagte Vilo weiter.
Esha ließ ihren Kopf auf Vilos Brust sinken und für einen Moment ihren Freudentränen vollen Lauf. Dann fing sie sich wieder. „Wo...?“ Sie schnaufte noch einmal. „Wo ist er jetzt?“
„Er ist zusammen mit Jorik...!“
„Jorik?“ platzte Kaleena heraus. „Jorik ist auch bei ihm?“ Sie lächelte erfreut.
Vilo nickte. „Sie müssen sich hier irgendwie begegnet sein und sind dann zu Imrix geflüchtet. Dort haben sie ein Flugboot genommen und sind hierher zurückgekehrt. Sie haben am Flughafen eine Rettungsaktion durchgeführt und über vierhundert Menschen aufgenommen. Sie wollten sie zu Imrix in Sicherheit bringen, aber der Feind war schon vor ihnen da. Deshalb sind sie jetzt auf dem Weg nach Kimuri!“ Vilo drehte sich zu dem Wachhabenden um, der die ganze Zeit über stumm neben ihnen gestanden hatte und sich von der allgemeinen Freude sogar anstecken ließ. „Geben sie die Nachricht an die Amarula weiter, dass Esha und Kaleena jetzt hier im Hauptquartier sind!“ Der Wachhabende nickte und wandte sich zum gehen. „Und das sie wohlauf sind!“ fügte Vilo noch hinzu. Der junge Captain nickte und verschwand dann endgültig.
„Ich wette, wenn Shamos hört, dass du hier bist, kommt er zurück, sobald sie ihre Mission auf Kimuri beendet haben!“
Esha nickte grinsend und fröhlich.
„Aber...!“ Kaleena hielt plötzlich inne. „Wo ist Alisha?“
„Stimmt!“ Esha verlor ihr Lächeln augenblicklich. „Jorik würde niemals fortgehen, ohne sie!“
Beide schauten Vilo fragend an.
„Ich habe wirklich keine Ahnung, wo Alisha ist!“ erwiderte er sofort und fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, weil ihm erst jetzt auffiel, dass er sich darüber noch überhaupt keine Gedanken gemacht hatte, er aber wusste, dass Esha Recht hatte: Jorik wäre niemals ohne Alisha geflüchtet. „Vielleicht ist sie ja doch bei ihm oder irgendwo sonst in Sicherheit!“ versuchte er die möglichen schlimmen Tatsachen einfach wegzureden.
„Vielleicht ist sie aber auch...!“ setzte Esha an, doch sie verstummte wieder, weil sie dieser Gedanke selbst zu sehr erschreckte. Geschockt schaute sie zu Kaleena, dann zu Vilo.
Vilo atmete tief durch. „Ich werde es in Erfahrung bringen!“ sagte er entschieden.
„Hast du auch etwas von Mavis und Melia gehört?“
Vilos Blick wurde plötzlich sehr traurig. „Ja, hab ich!“
„Was ist mit ihnen?“ fragte Kaleena sofort und in ihrer Stimme schwang Unheil mit.
„Mavis ist auf den Hügeln im Süden und befehligt seine Truppen...!“
„Und Melia?“ schaltete sich auch Esha ein.
„Melia...!“ Vilo schluckte einmal. „...ist verschwunden!“
„Oh mein Gott!“ Kaleena war sofort entsetzt.
„Er war mit ihr im Stadion, als die Anomalie auftauchte. Durch eine Explosion wurden sie getrennt. Mavis verlor das Bewusstsein. Als er wieder aufwachte, war Melia verschwunden!“
Esha schaute Vilo einen Moment an. „Das heißt aber auch, sie kann noch am Leben sein!“
Vilo nickte zögerlich. „Natürlich...! Aber die Zerstörungen um das Stadion sind erschreckend. Es ist schwer vorstellbar, dass dort jemand...!“ Er senkte den Kopf.
Kaleena und Esha verfielen stumm in Gedanken.
„Mavis wird sie wieder finden. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben!“ sagte Esha mehr zur Bestätigung für sich selbst.
„Du hast Recht!“ erwiderte Vilo. „Sie wird sich irgendwo in Sicherheit gebracht haben. Alles andere ist absolut inakzeptabel!“ Er nickte und schaute aufmunternd in die Runde.
Dabei fiel sein Blick auf Kabus, der sich bislang stumm im Hintergrund gehalten hatte. „Wer sind sie denn?“ fragte er sofort.
„Mein Name ist Kabus!“
„Er hat uns hierhergeflogen!“ erwiderte Kaleena.
Vilo schaute Kabus einen Moment lang musternd an, dann reichte er ihm mit einem Nicken die Hand. „Captain Kabus! Sie waren Mitglied der Storp-Einheit!“
„Das ist lange vorbei!“ Kabus erwiderte den Händedruck des Nuri.
„Ich denke, es war ein Fehler, die Einheit zu verlassen. Sie waren eindeutig nicht Schuld an dem Unfall!“
„Ich sehe das etwas anders!“ erwiderte Kabus und schaute Vilo geradeheraus in die Augen.
Vilo hielt einen Moment inne, dann nickte er wieder. „Jedenfalls danke dafür, dass sie auf die beiden Mädchen so gut aufgepasst haben. Ich denke, sie waren bei ihnen in guten Händen!“
„Das hoffe ich...!“ Kabus grinste zufrieden.
„Was macht ein ehemaliger Captain der Storp-Einheit jetzt?“
„Ich habe alte Maschinen aus Kos Kampalot aufgekauft, instandgesetzt und wieder verkauft!“
„Davon kann man leben?“
Kabus nickte. „Es füllt den Magen!“
„Und was haben sie jetzt vor?“
„Ich möchte bei den Evakuierungsmaßnahmen behilflich sein. Falls noch jemand gebraucht wird!?“
Vilo lachte einmal müde auf. „Sicher! Aber ich könnte sie auf der Kamarulu und in einem Jäger wohl besser gebrauchen!“ Er schaute Kabus fordernd an.
Doch das Gesicht seines Gegenübers blieb ausdruckslos, als er langsam den Kopf schüttelte. „Nein! Lassen sie mich an den Rettungsmaßnahmen teilhaben oder...ich mach es auf eigene Faust!“
Vilo schaute ihm einen Moment direkt in die Augen, dann nickte er. „Wie sie wollen. Ich werde sie den Rettungstrupps am Hafen zuteilen!“ Er deutete auf einen jungen Offizier auf der rechten Seite des Raumes. „Er koordiniert die Einsätze. Wenden sie sich an ihn!“
Kabus nickte. „Vielen Dank! Es hat mich gefreut, sie kennen zu lernen!“ Er nickte Vilo zu, dann wandte er sich an Kaleena. „Ihr Mut ehrt sie. Und ich sehe ein, wofür sie ihr Leben riskiert haben. Sie haben richtig gehandelt!“ Er umarmte sie kurz, dann schaute er nochmals zu Vilo. „Passen sie gut auf sie auf!“
Vilo nickte. „Das werde ich!“
Schließlich drehte sich Kabus zu Esha. „Hier trennen sich unsere Wege!“
Esha sagte zunächst nichts, sondern schaute ihm nur in die Augen. Sie hatte längst erkannt, dass Kabus sie attraktiv fand. Auch sie mochte ihn. Aber ihr Herz gehörte eindeutig Shamos, dessen war sie sich ganz sicher. Und doch wollte sie aus irgendeinem Grunde nicht, dass Kabus jetzt wegging. Zumindest noch nicht. Sie schüttelte deshalb den Kopf. „Ich werde mitkommen!“
„Was?“ fragte Kabus überrascht.
„Was?“ fragten auch Kaleena und Vilo wie aus einem Munde.
„Jetzt, wo ich weiß, dass Shamos lebt, bin ich beruhigt. Aber ich kann nicht hier sitzen und darauf warten, bis er zurückkommt. Da draußen ist noch immer die Hölle los. Ich kann nicht zusehen, wie Menschen sterben, weil sie keine Hilfe bekommen. Ich muss mitkommen und meinen Teil dafür tun!“ Esha schaute alle drei an und erkannte, dass sie sie mit großen Augen anstarrten.
„Aber...das ist doch viel zu gefährlich!“ sagte Vilo.
Esha schüttelte den Kopf. „Kabus wird dafür sorgen,