Sophies Erwachen. Anna Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna Bloom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847673545
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gab zurück: „hoffentlich ist meine family in NZ auch vernetzt…meinen schlepptop nehme ich mit, aber die müssen ja für die verbindung sorgen…ich mache einen aufstand, wenn die das nicht hinbekommen!“

      „ansonsten gehst du ins internetcafe… das gibt’s auch am ende der welt…vielleicht lernst du ja ein paar nette typen dort kennen :)“

      „ich hoffe darauf, dass ich das überhaupt überlebe, und du denkst schon an typen!“

      „klar, das nenne ich mal kulturaustausch :)…ich beneide dich…So einen süßen kiwi hätte ich auch gerne mal. Und ich meine nicht die wilden vögel, die dich zerfleischen werden…“

      „oh mann, ist es denn so seltsam, dass mir ein wenig mulmig zumute ist?“

      „nö, aber ich zieh dich gerne damit auf…“

      „na, dann ist es ja ok :) vielleicht finde ich ja einen kiwi-mann für dich?!“

      „immer her damit…“

      „ich mach mal einen contest: susi sucht den super-kiwi, ich sitze in der jury und mache dumme bohlensprüche“

      „mann, schade, dass ich nicht mitkommen kann…das hört sich fantastisch an…aber ich gönns dir… hab ganz viel spaß in NZ und vor allem erzähl mir alles, wirklich alles, ok?“

      „na logo...keine geheimnisse…ich schreib nen Blog oder so. du kriegst die unzensierte variante“

      „danke, das habe ich als beste freundin auch verdient :)“

      „du, ich mach jetzt schluss…mein vater klopft an die tür… wir müssen zum flughafen…“

      „scheiße, ist es echt schon so spät?!…viel glück und nen guten flug, kleines… ich geh jetzt pennen.“

      „schlaf gut und ich meld mich, sobald ich da bin…“

      „bis die tage :)“

      Sie loggte sich zuerst aus. Dann meldete ich mich auch ab.

      „Ich bin gleich fertig“, rief ich meinem Vater zu, der wieder anklopfte.

      „Wir müssen los, Sophie. Bei dem Wetter dauert die Fahrt lange“, drängelte er.

      „Ja, ich komme gleich“, antwortete ich ruppig. Ich war immer noch aufgelöst. Der Laptop war am Herunterfahren. Ich blickte mich in meinem Zimmer ein letztes Mal um. Ich hatte alles mit IKEA-Möbeln eingerichtet. Ob IKEA auch in Neuseeland zu kaufen war? Meine Wände hatte ich sonnengelb gestrichen. Das machte mich fröhlicher, wenn ich mal wieder melancholisch auf meinem Bett lag. Hier hatte ich alles, was ich je in meinem Leben erlebt hatte, überschlafen, überdacht und verarbeitet. Hier hatte ich mich mit Musik getröstet und wenn ich einsam war, meine Zeit im Internet verbracht. Das war immer mein zu Hause gewesen. Als mein Computer endlich aus war, packte ich ihn in die Laptoptasche und verließ damit fluchtartig mein Zimmer. Ich sagte meinem Vater, dass er alle Taschen und Koffer aus dem Zimmer selbst holen müsse, ich könne da nicht mehr rein.

      Ich saß im Auto und wartete, bis mein Vater alles im Kofferraum verstaut hatte. Meine Mutter setzte sich zu mir nach hinten. Sie wusste, dass jetzt jegliche Aufmunterungen und sonstige Worte wie Salz in meinen Wunden wären und schwieg. Wir sprachen so lange nicht, bis wir auf die Autobahn kamen. Ich ließ die Frankfurter Welt, die ich so gut kannte, an mir vorüberziehen. Alles, was hässlich und unbewohnbar an dieser Stadt war und alles, was ich lieb hatte. Ein undefinierbares dumpfes Gefühl breitete sich in mir aus, wie eine schlechte Vorahnung. Ich versuchte, sie zu zerstreuen und mir vorzustellen, was Schönes auf mich zukommen würde: Grüner Wald, grünes Wasser, in dem man jetzt im dortigen Sommer baden könnte und Kajakfahren. Wandern war auch nicht ohne. Die warmen Bilder aus „Herr der Ringe“ tauchten vor meinem inneren Auge auf. Den Feuerberg und die Orks versuchte ich schnell wieder auszublenden. Der sagenumwobene Ring war auch nicht gerade positiv. „Ein Ring, um sie alle zu knechten“. Weg damit.

      Ich drehte mich zu meiner Mutter: „Wenn ich wieder zurück bin, erwarte ich einen gedeckten Tisch mit allen meinen Lieblingsessen“, ich drückte ihre Hand.

      „Worauf Du Dich verlassen kannst.“ Meine Mutter lächelte. „Du bekommst eine richtige Willkommensparty. Das vergisst Du jetzt gleich am besten. Soll ja eine Überraschung werden.“

      Nach einer Ewigkeit, die wir mit Parkplatz- und Schaltersuche verbracht hatten, checkte ich endlich alles ein und wir gingen zu den Sicherheitskontrollen. Ein letztes Mal drückte ich meine Eltern. Mein Vater gab mir in seiner Rolle als solcher einen letzten gut gemeinten Rat, der dämlicher nicht hätte sein können.

      „Du kannst Volker und Barbara vertrauen. Bitte halte Dich an das, was sie Dir sagen. Sie wollen Dein Bestes, auch wenn es Dir nicht immer als das Beste vorkommen mag. Bitte versprich mir das.“

      „Ok, Papa.“ So wie die Beiden da standen, konnte ich ihm den Wunsch gar nicht abschlagen. Aber innerlich dachte ich mir, dass ich alt genug war, Regeln zu hinterfragen. Ich drehte mich ganz schnell um und mit dem obligatorischen Kloß im Hals ging ich durch die Sicherheitskontrolle.

      2

      Der Flug nach Blenheim verging ganz und gar nicht wie im Flug. Zuerst hatte ich durch Papas Panik massig viel Zeit, die ich wartend am Gate zu überbrücken hatte. Der Flug mit Emirates nach Dubai dauerte knapp sechs Stunden, die ich ohne eine Minute Zeit zu verlieren am selbstbedienbaren HighTech-Fernsehapparat verbracht hatte. Die Filmauswahl war gigantisch: Über 300 Kinofilme, unzählige Fernsehserien und dutzende CD-Platten standen zum Abruf bereit. Drei volle Kinofilme hätte ich statistisch gesehen eigentlich auf diesem Flug sehen können, hätten anfangs der Kapitän und das automatische Stewardess-System in eben diesem HighTech-Gerät nicht in vier Sprachen ihre Ansagen gemacht und uns über das Verhalten in Notsituationen aufgeklärt. Als ob man bei einem Absturz aus 10 000 Metern Höhe mit den Rettungswesten etwas ausrichten könnte. Einen letzten Blick auf Frankfurt wagte ich noch, bevor ich mich dem Wahnsinnsapparat hingab. Den dritten Film schaffte ich tatsächlich nicht ganz. Der Kapitän machte seine Landungsansage, während unter uns ein Teppich aus Lichtern immer näher kam. Aus dem Teppich wurden Straßen und Häuser. Wie ein buntes, energiegeladenes Nervensystem war alles miteinander verbunden. Die fahrenden Autos sahen aus wie Informationen, die von Nervenzelle zu Nervenzelle übertragen wurden. Kurz bevor die Räder des Flugzeugs die Landebahn berührten, sah ich hoch oben am Horizont das höchste Gebäude der Welt – den Burj Khalifa. So weit oben wie dort leuchtete nichts mehr, außer den Sternen. Menschen aus allen Teilen der Welt mischten sich hier am Flughafen durcheinander. Obwohl sie unterschiedlich aussahen, waren sie in den „Duty Free Shops“ alle gleich. Sie wollten alle billige Zigaretten, Parfüms, Alkohol und Schokolade kaufen. Ich schlenderte zwei Stunden lang durch den auf Hochglanz polierten Flughafen, der architektonisch einem langgezogenen Schlauch glich, bis mir schlecht wurde von den Ausdünstungen der Menschen und der Erschöpfung. Als ich eine freie Liege entdeckte, entschloss ich mich, ein Weilchen zu entspannen, bevor ich mich zu meinem Gate aufmachen musste. Unter den Liegen lagen Menschen in bunte Decken gehüllt, ihre Habseligkeiten zwischen sich schützend eingekeilt. Die schwarze Lederliege war mit einem alten Fettfilm überzogen. Vor Ekel zog ich die Kapuze meines Pullis über meinen Kopf und legte ihn erst dann auf der Liege auf. Ich suchte in meinem Ipod die Snow Patrol-Platte heraus und schloss meine Augen. Die bekannten Klänge beruhigten mich ein wenig.

      Der Flug nach Sydney dauerte über dreizehn Stunden. Zwar waren meine Beine bei einer Körpergröße von ein Meter zweiundsiebzig recht kurz, trotzdem fühlten sie sich im Verhältnis zum Sitz meines Vordermanns nach wenigen Stunden schon Heidi Klumesk an. Der Sitz quetschte meine Venen und Arterien zusammen. Mein Blutkreislauf hatte keine Chance mehr. Ich konnte mich nicht lang genug machen, um ihn wieder in Schwung zu bringen. So fühlte sich wohl eine akute Thrombosegefahr an. Meine Sitznachbarn, ein deutsches Pärchen beide Ende Dreißig, straßenköterblond, etwas aufgeschwemmt und jeweils mit zwei Denkfalten auf der Stirn gebrandmarkt, die bereits aufgrund ihrer - Zitat - „superstressigen Jobs in der Werbebranche“ zu Narben auswuchsen, waren trotz meines entschuldigenden Blickes genervt, dass ich sie einmal stündlich