Zwerge der Meere. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742749567
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auf einen Flottenkreuzer. Weißt du, ich habe nichts gegen einen guten Gewinn, Pernat, aber ich weiß, unter welchen Umständen die Zwerge das Metall und die Kristalle aus dem Meer holen. Tapfere kleine Kerle, dass muss ich schon sagen. Ich fände nicht den Mut, unter Wasser zu arbeiten.“

      Pernat sah auf die hölzernen Planken des Schiffes. „Auch ich fühle mich über Wasser wohler.“ Er löste die Hände vom Handlauf. „Ich werde nach der Ladung sehen, um sicher zu sein, dass alles in Ordnung ist, wenn wir anlegen.“

      Herios-Lar nickte und hörte, wie sein Erster Offizier die kleine Treppe zum Deck hinunter stieg. Über eine weitere Treppe betrat Pernat dann das Frachtdeck. Alles wirkte eng, zweckgebunden und ein wenig schmutzig, aber die zwölfköpfige Mannschaft der Beovanaal hatte meist andere Sorgen, als sich um Sauberkeit zu kümmern. Die Maschine war ebenso alt, wie das übrige Schiff. Sie verschlang mehr Brennstein, als die modernen Kreuzer, ihre Kolben hatten zu viel Spiel und die Dampfleitungen mussten immer wieder geflickt werden. Einige Schaufeln des mächtigen Heckrades waren ausgetauscht, bei anderen schien dies dringend erforderlich. Hin und wieder ging eine Stange oder Welle entzwei und die Maschine musste gestoppt werden, damit die erforderlichen Reparaturen ausgeführt werden konnten. Dann kamen gelegentlich doch noch die Segel zum Einsatz.

      Vorne im Bug befanden sich die Mannschaftsquartiere. Zwei lange Kammern, in denen jeweils vier der Männer untergebracht waren. Daran schlossen sich die kleine Küche, die Vorratskammer und der Aufenthaltsraum an. Eine Krankenstube gab es nicht mehr, seit das Schiff unter der Handelsflagge des Hauses Tar fuhr. Der Handelsherr hatte den Platz für Brennsteinvorrat nutzen wollen. Pernat war erleichtert, dass es während seiner Dienstzeit bislang zu keiner ernsten Verletzung gekommen war.

      Direkt unter der Brücke befanden sich die Kammern der Schiffsoffiziere und da die Beovanaal nur Kommandant und Ersten Offizier hatte, waren es zwei bescheidene Räume. Im Anschluss folgten die beiden Frachträume und diese glänzten vor Sauberkeit. Das Schiff mochte wenig reinlich sein, aber auf die Ladung wurde geachtet und Pernat ließ nicht die geringste Schlamperei durchgehen.

      Hinter den Laderäumen, zum Heck hin, lagen die Vorratsräume für den Brennstein und der kleine Maschinenraum, in dem zwei Maschinisten ihrer Arbeit nachgingen. Die alte Anlage war hungrig nach Brennstein und Wasser und benötigte ständig die Schmierung durch Fette und Öle. Ihr Stampfen und Hämmern hatte längst das Gehör der Maschinisten geschädigt und der Rest der Besatzung war froh, nur selten ins Heck gehen zu müssen und das ihre Unterkünfte im Bug lagen.

      Pernat kontrollierte in den Lagerräumen zunächst die Luken an der Decke, dann die Wände. Nirgends war Feuchtigkeit zu erkennen. Er ging sehr sorgfältig und gewissenhaft vor, trat mit seiner Öllampe dicht an das Holz, danach überprüfte er jede der gestapelten Kisten. Schließlich nickte er zufrieden und ging wieder zur Treppe, als er von oben die Befehle des Kapitäns hörte. Offensichtlich waren sie nun nahe der Stadt und bereiteten sich auf das Anlegemanöver vor.

      Als Pernat ins grelle Sonnenlicht zurückkehrte, sah er die schwimmende Stadt der Zwerge nur wenige hundert Meter voraus. Rechts der Beovanaal glitt eines der Kampfschiffe der Zwerge durch die Wellen und gab ihnen das Ehrengeleit. Es war kaum vier Meter breit und zwanzig Meter lang und mit geringem Freibord über dem Wasser. Ein scharf geschnittener und nach oben gebogener Bug und ein hoher Aufbau am Heck. Keine Masten und Segel, aber auf jeder Seite eine Reihe Ruder, die das Fahrzeug sehr schnell und gefährlich machten. Seine Hauptwaffe war ein stählerner Rammsporn unterhalb der Wasserlinie. Einem hölzernen Schiff konnte ein solches Ruderkampfschiff sehr gefährlich werden. Es konnte jeden Segler ausmanövrieren und wenn das Rammen nichts half, würden die Zwerge, mit ihrer typischen Agilität, den Gegner entern und niederkämpfen.

      Dennoch gehörte dieses Zwergenschiff einer vergehenden Epoche an. Gegen einen metallenen und hochbordigen Kreuzer der Flotte Telans würde es keine Chance haben, selbst wenn dessen Lichtdruckkanonen es nicht zuvor aus dem Wasser brannten.

      „Ich dachte, sie hätten wenigstens Segel.“ Pernat wies zu den Ruderern hinüber. „Stattdessen mühen sie sich mit den Rudern ab.“

      „Unterschätz die kleinen Herren nicht“, ermahnte Herios-Lar. Er winkte den Zwergen zu und lachte fröhlich. „Das da, zwischen den Ruderbänken, das ist ein Mast. Wenn sie wollen, können sie durchaus ein Segel setzen und die Burschen verstehen sich aufs Segeln.“ Er drehte sich kurz zum Steuermann um. „Zudem sind diese Rammboote sehr gefährlich. Nicht nur für gesetzte Damen wie unsere Beovanaal. Sieh dir den Rammsporn an. Scharf geschnitten und massiv. Er würde selbst der stählernen Seitenwand eines modernen Kreuzers zusetzen.“ Der Kapitän grinste, als er Pernats zweifelnden Blick bemerkte. „Maschine Viertelkraft zurück, Dormos, sonst rammen wir die Stadt und unsere Kunden würden darüber nicht sehr erfreut sein.“

      Dormos grinste breit und zwischen seinem Vollbart zeigte sich ein lückenhaftes Gebiss. „Viertelkraft zurück, Kapitän.“

      Die Beovanaal rüttelte sich, als das Schaufelrad gegen ihre Fahrt ankämpfte und sie verlangsamte. Herios-Lar und Dormos waren erfahren und hatten den richtigen Moment abgepasst. Mit einem unmerklichen Ruck und begleitet vom Ächzen des Rumpfes, legte sich das Schiff mit der linken Seite an eine der Plattformen der Stadt. Herios-Lar stieß seine Hand in die Luft, aber Dormos kuppelte bereits die Maschine aus und zog an der Schnur, die durch ein Rohr zum Maschinenraum führte. Dort klingelte ein Glöckchen und die Maschinisten legten Hebel um. Dampf entwich pfeifend aus den seitlichen Entlastungsrohren und das Schaufelrad kam endgültig zum Stillstand.

      Der Rumpf des Frachtschiffes ragte hoch über die Plattform auf und die Brücke war auf gleicher Höhe mit den meisten der Dachgiebel in der Zwergenstadt. Die Beovanaal rieb sich an den polsternden Säcken, die zum Schutz der Plattform an ihren Seiten hingen. Matrosen warfen Leinen hinüber und Zwerge fingen sie auf und machten sie gekonnt an den metallenen Pollern fest. Erst als einer der Zwerge die Hand hob, wurde der breite Steg des Schiffes auf die Plattform gesenkt.

      Herios-Lar nickte zufrieden. „Lass uns die kleinen Herren begrüßen, Pernat. Und verhalte dich respektvoll. Sie können empfindlich sein.“

      Pernat nickte. „Keine Sorge, Kapitän, das tue ich. Aber ich will ein Auge auf die Lademannschaft haben. Wir haben zwei Matrosen, die noch nie Zwerge gesehen haben und du kennst das lose Mundwerk unserer Seefahrer.“

      Ein Zwerg in knielanger Jacke aus weichem rotem Leder, die mit goldenen Fäden bestickt war, trat auf die Plattform und breitete seine Arme aus. Über sein breites Gesicht glitt ein freudiges Lächeln. „Kapitän Herios-Lar, es ist mir eine Freude, dich und deine Beovanaal zu sehen.“

      „Die Freude ist auf meiner Seite, Herr Klugweil.“ Der Kapitän meinte dies ehrlich, denn an dem Lächeln des Zwerges war nicht die Falschheit, die typisch für viele Händler war. „Ich komme früher als erwartet, ich weiß.“

      „Du und deine Mannschaft, ihr seid willkommen“, versicherte Theon Klugweil, Handelsherr der Stadt. Da Theon entschieden kleiner als sein menschlicher Geschäftspartner war, ging dieser vor ihm in die Hocke, so dass sie sich zum Gruß die Hände auf die Schultern legen konnten. „Sei auch du gegrüßt und willkommen, Pernat, und auch du, Steuermann Dormos.“ Theon winkte dem grinsenden Seemann. „Dein Anlegemanöver war gekonnt wie immer.“

      Dormos strich sich erfreut über den Vollbart. Er hatte schon manchen Becher mit dem freundlichen Herrn Theon Klugweil geleert und freute sich auf den kommenden Abend, denn die Ankunft des Schiffes war stets ein Grund für ein kleines Fest des Zwergenclans.

      „Ich vermute, du hast wieder Gelbfrüchte für uns?“ Theon strich eine Falte aus seiner Jacke und warf einen Blick auf das Schiff, der gleichgültig wirkte. Aber Herios-Lar wusste, dass der Handelsherr den Tiefgang und die Zuladung der Beovanaal einschätzte. „Wir haben immer Bedarf an Gelbfrüchten, wie du weißt.“

      „Und das Handelshaus Tar hat immer Bedarf an Metallen und Kristallen.“

      Theon schlug dem Kapitän freundschaftlich an die Hüfte. „Wir werden uns schon einig werden.“

      „Und wie üblich“, seufzte Herios-Lar, „wird der Handel nicht ganz fair sein.“