Also sprach er seine Worte so laut, dass er sicher sein konnte, dass alle ihn hören würden. Zeitgleich machte er einen Schritt nach vorn und setzte dabei seine ihm innewohnenden Fähigkeiten ein. Innerhalb eines Wimpernschlages überbrückte sein Körper die Entfernung zu Christopher und schoss quer durch die Halle direkt hinter den Dämon hinter ihm. Seine Silhouette wurde dabei extrem verzerrt und ein kurzes Zischen war zu hören. Dann stand der Alte direkt hinter dem Dämon, der nicht einmal ansatzweise wusste, was gerade geschah, formte seine rechte Hand zu einer Kralle und hämmerte sie der Bestie in ihren Rücken. Der Dämon stöhnte mehr erschrocken, als alles andere auf, doch als Francesco seine Hand spielend leicht schloss und seine Finger dabei die dicke, knorpelige Wirbelsäule umfassten, wurde daraus echter Schmerz, den die Kreatur quiekend hinausschrie. Der Alte aber war gnadenlos, drückte seine linke Hand gegen den Rücken und riss die rechte dann mit einem kurzen Ruck beinahe mühelos zu sich. Ein ekelhaftes Reißen ertönte, ein letzter Schrei des Dämons, dann sackte er seitlich weg und klatschte als unförmiger Fleischberg zu Boden. Hinter ihm stand Francesco und hatte seine feuchte, von grünem Blut triefende Wirbelsäule, samt kleineren Fleischbrocken in der Hand und blickte ausdruckslos auf den Toten.
Im nächsten Moment ertönte ein höchst überraschtes und bösartiges Fauchen und als Francesco seinen Blick wieder anhob, erkannte er, dass es von der Fratze in der Rauchblase kam. Der Anflug eines Lächelns huschte über seine Lippen, dass aber sogleich einem angeekelten Gesichtsausdruck wich. „Verschwinde!“ zischte der Alte und riss seine Unterarme in die Höhe und nach außen, wie ein Exhibitionist, der ruckartig seinen Mantel öffnete. Doch hier kam kein nacktes Fleisch zum Vorschein, sondern die Luft vor Francescos Körper wurde wie bei einer kugelförmigen Druckwelle von ihm geschleudert. Als sie auf die Fratze traf, zerstob die Rauchblase augenblicklich und wurde bis zur Nebelwand am Ende der Halle zerfetzt.
Während von dort ein tiefes, zorniges Brüllen zu hören war und der Nebel sichtbar in Wallung geriet, ließ Francesco die Wirbelsäule des Dämons achtlos zu Boden fallen, machte einen Schritt auf Christopher zu und riss den jungen Mann, der von den jüngsten Geschehnissen kaum etwas mitbekommen hatte, weil er noch immer vordringlich um seine Besinnung kämpfte, zurück auf dessen wackelige Beine. Francesco warf einen kurzen Seitenblick auf ihn und obwohl er ein absolut erbärmliches, bemitleidenswertes Bild abgab, verzog der Alte keine Miene. Ganz im Gegenteil. „Halten sie sich senkrecht, Mann!“ raunte er ihm zu und während Christopher ihn total planlos anschaute zog Francesco ihn mit einem weiteren kräftigen Ruck so vor sich, dass sein Körper ihn schützte. Dabei schaute er sich kurz um. Die Dämonen an der rechten Seite waren stinksauer, doch vermochten auch sie seine Aura nicht zu durchbrechen und mussten zwangsläufig Abstand halten, wenngleich sie begannen, ihn zu umkreisen. Dann hob er seinen Blick an und schaute hinauf zur Decke. Als er erkannte, was er dort zu sehen hoffte, wandte er sich zufrieden wieder nach vorn.
*
Douglas hatte sich anfangs gefühlt, als würde er durch eine nicht wirklich reale Welt schweben, weil allein schon die Tatsache, dass er sich in der Hölle befand, in seinem Gehirn wohl als derart irrsinnig eingestuft wurde, dass es sich irgendwie zu weigern schien, es als Realität zu akzeptieren.
Wenn er seine Frau Cynthia ansah, dann konnte er eigentlich nur den Kopf schütteln, denn im Gegensatz zu ihm, schien sie voll auf der Höhe, sehr entschlossen und extrem energiegeladen zu sein; ja, es schien ihm fast so, als würde sie ihren Aufenthalt hier gar genießen!
Weil er selbst sich jedoch noch nicht richtig auf diese extreme Situation einstellen konnte, überließ er zunächst anderen die Führung.
Allmählich aber änderte sich seine Einstellung und ihm wurde bewusst, was vor sich ging. Er erkannte, was mit Christopher geschehen war und ihm war klar, dass sie ihn retten mussten.
Die Sache mit Francesco war dabei echt krass und verrückt, aber er wäre ein wahrer Narr gewesen, wenn er sich hier noch über irgendetwas gewundert hätte.
Der Trupp um Razor schien schon länger an diesem idyllischen Ort des Grauens zu sein und obwohl er den Schwarzen nicht besonders mochte (weil er mit Silvia gebumst und damit Christopher ja eigentlich erst in diese vertrackte Situation gebracht hatte – eigentlich), vertraute er darauf, dass er wusste, was er tat und folgte ihm stumm.
Schnell erkannte er dabei, dass der Schwarze sich auf die rechte Seite der Burg schlug. Sie hetzten die teilweise sehr steile Bergflanke hinauf und standen dann vor der Längsseite einer ziemlich gewaltigen Halle. Am linken Ende erhob sich der Berg bis an ihr Dach und Razor flitzte ohne zu zögern dort hinauf.
Als sie ihr Ziel erreicht hatten, hatte Douglas das Gefühl, seine Lungen würden gleich platzen und er musste, wie alle anderen aber auch, erst einmal heftig verschnaufen. Dabei jedoch erkannte er sehr schnell, dass Razor für sie einen beinahe perfekten Platz gefunden hatte. Das Dach der Halle war nämlich kein gewöhnliches Dach, sondern schien eine undefinierbare Masse aus einem matt glänzendem schwarz-rotem Material zu sein, das halb durchsichtig war und einen ganz ordentlichen Blick auf das Innere des Gebäudes freigab.
Dort konnte er sofort Christopher ausmachen, der gerade vornüberkippte und sich heftig erbrach. Irgendeine Art Rauchsäule befand sich direkt vor ihm und er konnte eine mächtige, dröhnende Stimme hören. Ziemlich direkt unter ihnen saßen um die zwanzig Dämonen. An der Stirnwand waberte wie dicke Rauschwaden auf ihrer gesamten Fläche ein dichter blutrot-schwarzer Nebel. Douglas war sich nicht sicher, ob er sich vor der eigentlichen Wand befand oder aber die Wand selber war.
Plötzlich vernahm er die Stimme Francescos und schon einen Augenblick später war der Alte – wie auch immer – mit einer deutlichen Leuchtspur direkt hinter den Dämon gewuscht, der wiederum direkt hinter Christopher stand. Einen Augenblick später tötete er die Bestie, wie diese sonst Menschen töten und wieder nur eine Sekunde später schoss eine deutlich sichtbare Druckwelle von dem Alten quer durch die Halle und zerstob die Rauchsäule vor Christopher bis an die wabernde Nebelwand.
Douglas war irgendwie beeindruckt und fasziniert. Schon konnte er sehen, wie Francesco Christopher mit einem Ruck auf die Füße brachte, sich dann hinter ihn stellte, seinen Blick zu ihnen anhob, sie offensichtlich erkannte und sich dann mit einem sanften Lächeln wieder umwandte.
Douglas fiel mit einem Male ein, dass er gar nicht wirklich wusste, was der Alte nun vorhatte, um seinen Freund zu befreien, doch angesichts der eben gezeigten Kräfte war er fast guten Mutes und beschloss, sich überraschen zu lassen.
*
Francesco wartete und er musste nicht lange warten.
Der Nebel an der Stirnwand verdunkelte sich zusehends und wallte immer mehr auf. Dem Alten war klar, dass gleich etwas geschehen würde.
Tatsächlich zuckte nur einen Augenblick später eine riesige Qualmhand mit vier dicken, wulstigen Fingern aus dem Nebel hervor, schoss quer durch die Halle und wollte die beiden Personen dort ergreifen, doch rund drei Meter bevor sie sie erreicht hatte, stieß sie gegen eine scheinbar unsichtbare Wand und kam nicht weiter.
Bei genauerem Hinsehen war es jedoch keine Wand, sondern eine in einem sanften, schwachen Gelb schimmernde Kugel, die Francesco um sich und Christopher als Schutzhülle aufgebaut hatte.
Ein überraschtes, missgelauntes Brummen war zu hören und die Hand versuchte noch einmal, vorwärtszukommen. Als auch dieser Versuch misslang, wurde aus dem Brummen ein bereits äußerst zorniges Brüllen, die Hand wurde zur Faust geballt, sie zuckte noch weiter nach vorn und dann krachte sie mit schier unbändiger Wucht von oben auf die Schutzhülle um Francesco und Christopher. Die Kugel erzitterte sichtlich, ihre schwache gelbe Färbung wechselte in deutlicheres Rot. Schon donnerte die Faust ein zweites Mal, ein drittes Mal darauf. Schwarze Linien zuckten wie Blitze auf der Außenhülle der Kugel entlang, die von einem harten Knistern begleitet wurden, die Färbung der Schutzhülle wurde nochmals dunkler und kräftiger. Doch noch hielt sie der brutalen Wucht der Schläge Stand.
„Hör