Gut Nass. Ulf Imwiehe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulf Imwiehe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738042719
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sich wohlig. Caruso zischt grinsend. Ich unterdrücke ein Würgen. Schnaps ist einfach nichts für mich. Normalerweise trinken wir ja keinen Hartalk, wenn wir uns mal wieder, wie so oft, nach Badeschluss in der verlassenen Sauna treffen, es sei denn, Walter und Saskia sind dabei, aber Caruso und Meredith haben, nachdem ich ihnen ausführlich von meinem plötzlichen Termin in der Verwaltung erzählt hatte, zur angeblichen Feier des Tages darauf bestanden. Alkohol in der Sauna, nach Dienstschluss nachts im Betrieb herumgeistern, wenn das Bürgermeister Marther wüsste. Ja, doch, es hat tatsächlich seine Vorteile, hinter den Kulissen zu arbeiten.

      »Das war jetzt aber echt der letzte«, versuche ich resolut zu klingen, wenig überzeugend. »Ich will morgen bei dieser bekackten Versammlung nicht in den Seilen hängen, an meinem ersten Tag als, als... Außerdem hab ich noch gar nichts gegessen heute Abend.«

      Caruso lacht schnaufend durch die Nase. »Kein Wunder, dass du aussiehst wie 'ne Teewurst für Veganer. Nicht immer nur Schwimmen und Radfahren wie ein Idiot, Flex, auch mal ordentlich was hinter die Kiemen stopfen.«

      Er löst seinen Zopf, schüttelt die geölte Wasserstoffperoxidmatte, dann sammelt er unsere Gläser ein, stellt sie vorsichtig in einem winzigen Türmchen neben sich auf den Boden und kichert erneut.

      »Das erinnert mich an den Spruch vom ollen Klamm, immer wenn wir mal am Grillen waren oder so und alle so richtig schmerzbefreit zugelangt haben.«

      »Fressen wie die Pferde und arbeiten wie die Ponys«, leiern Meredith und ich im Duett und wir lachen wie die Teenager. Älter geht’s ja nicht. Ich muss an die erste Begegnung zwischen Klamm und Meredith vor fünf Jahren denken, als sie die Gastronomie im Forstbad übernahm und erneut heulen wir durchs stille dunkle Bad, als ich nachmache, wie Meredith auf Klamms Spruch, dass sie ja super deutsch spräche, mit einem knochentrockenen »Sie aber auch« reagierte.

      Caruso setzt sich ans andere Ende von Merediths Bank, lehnt sich mit dem Rücken an die Wand und schließt die Augen. Stummes, wohliges Brüten. Neunzig Grad Celsius, Minutenfrieden. Meredith verschränkt die Beine im Lotussitz und streckt und biegt sich sehnig. Ich versuche, ihr nicht zu auffällig auf die Brüste zu glotzen. Wir sind hier schließlich unter Freunden. Da geiert man nicht. Da hab ich meine Prinzipien.

      »Mmmhhh...«, macht sie und gähnt genüsslich. »Mir reicht's jetzt allerdings auch. Ist bestimmt schon nach zehn. Ich geh mal rüber und helf Simon, klar Schiff zu machen und dann muss ich zu Hause bestimmt wieder Lily vom PC losmeißeln.«

      Die Kämpfe zwischen Meredith und ihrer dreizehnjährigen Inkarnation sind legendär. Wahrscheinlich sind sich die beiden einfach zu ähnlich und hängen zu sehr aneinander, um dauerhaft zur Ruhe zu kommen. Familien... Ich möchte Meredith umarmen und für alles danken. Dafür, wie bedingungslos und tief sie ihre Tochter liebt und wie die beiden alles füreinander tun. Dafür, wie klar sie ist und stark. Dass wir befreundet sind. Caruso kommt mir zuvor.

      »So einfach verdrückt ihr euch hier nicht, ihr Deserteure. Einen letzten Aufguss noch, für die nötige Bettschwere«, verfügt er mit erhobenem Zeigefinger und rauscht erneut aus dem Schwitzraum. Die Tür schließt sich schmatzend hinter ihm. Meredith stützt die Ellenbogen auf die Schenkel und ruht ihr Kinn in den Handflächen.

      »Meinst du, die machen das Bad dicht, Flex?« fragt sie leise. Im Gegensatz zu Caruso, der die Zusammenfassung meines Gesprächs mit Bürgermeister Marther und Tante Heidi mit der üblichen nonchalanten Flapsigkeit aufgenommen hat, wirkt Meredith weitaus grüblerischer. Sie hat zuviel erlebt, um sogenannten Autoritäten zu vertrauen. Vor allem hier in Schweigen.

      »Kann ich mir nicht vorstellen«, sage ich und weiß doch nicht, ob ich es wirklich so meine. Ich reibe mir den Nacken, verteile glitschigen frischen Schweiß der nach nichts riecht. »So eine Riesenkiste wie die hier, das wär ja totaler Wahnsinn. Das wird schon irgendwie weitergehen.«

      »Ja, aber was könnte ein privater Betreiber denn groß anders machen, als die Gemeinde? Das ergibt doch wirtschaftlich keinen Sinn, Flex.«

      Ich tue so, als würde ich nachdenken. Ich will aber gar nicht nachdenken. Ich will noch nicht mal über die ganze Scheiße reden. Weiß ich doch nicht. Weiß ich doch alles nicht!

      »Ach Merry, jetzt mach dir mal nicht so 'nen Kopf...« floskele ich als die Tür auffliegt und Caruso, beladen mit einem kleinen Bottich, Saunakelle, Plastikschüsselchen und einem um den Nacken gelegten Saunatuch hereinkommt.

      »Genau, Merry,« orgelt er und stellt seine Utensilien ab. »Immer geschmeidig bleiben und einfach mal abwarten. Amok laufen können wir immer noch.«

      Wie so oft, bin ich ein wenig unsicher, ob er scherzt oder nicht. Caruso greift den Bottich in eine Hand, tunkt die hölzerne Kelle hinein und rührt glücklich.

      »Jetzt gibt’s erstmal schick was auf die Drüsen. Anis!« intoniert er und gießt drei Kellen voll Wasser mit aromatisiertem Aufgusskonzentrat versetzt über die glühenden Steine. Der Dampf brüht über uns, verheißungsvoll nach Jahrmarkt duftend. Caruso stellt Bottich und Kelle beiseite und wedelt mit dem Saunatuch wie ein wahnsinnig gewordener Waldteufel über dem Ofen, über seinem Kopf, faltet dann den Stoff auf und schlägt die herrlich quälende Hitze vor uns ab. Ich schnappe vergeblich nach Luft. Mein linkes Ohrläppchen schmerzt, als der Ohrring darin zu schmelzen scheint. Meredith kauert sich zusammen, ihr Rücken zuckender Glanz. Wir wimmern ein wenig während Caruso die Prozedur zweimal wiederholt, dann das Schüsselchen ergreift und mit einer Hand darin gräbt. Salz. Der Kerl versteht sein Handwerk.

      »Und noch was feines für die Schwarte«, freut er sich und hält mir die Schüssel unter die Nase. »Das reißt nochmal so richtig die Poren auf und ist außerdem ein super Peeling.« Ich nehme mir eine Handvoll Salz und verteile es über meine Arme, meine Brust, meinen fischigen Bauch, nehme noch etwas und reibe es über meine Beine. Über meine Schultern und Nacken. Kleine Kristallblitze fressen sich in meine Haut, reinigen mich, salben mich mit klebrigem Biss.

      »Hast du da was reingemischt?« frage ich schnüffelnd.

      »Zitronenmelisse.« Er dehnt das Wort gourmant, klatscht mir eine Pranke seiner Rezeptur auf den Rücken und rubbelt auf mir herum, als wolle er mich gerben. »Und eine Winzigkeit Honig.«

      Meredith greift ebenfalls zu, reibt sich von oben bis unten ein, nur ihr Gesicht aussparend.

      »Riecht nach Halsbonbons für Senioren«, murrt sie halbherzig und neigt sich ein wenig vor, während Caruso ihr, über sie gebeugt, sorgfältig den Rücken einreibt. Und reibt. Und reibt.

      »Sag mal, werd ich hier jetzt gepökelt?« schimpft sie nach einer Weile und blinzelt unter ihren Dreadlocks hervor. »Und fahr gefälligst den Zauberstab ein, du pimmelgesteuerter Barbar!«

      Erstaunt stelle ich fest, dass Caruso zusammenzuckt und sich seiner verschämt im anschwellen begriffenen grobädrigen Erektion ein wenig zu genieren scheint.

      »Kannste ja als Kompliment auffassen«, murmelt er verlegen, rubbelt sich das Salz über die Brust und dreht sich hilflos hierhin und dorthin.

      Meredith schüttelt den Kopf, seufzt, steht auf und streckt sich.

      »Bis demnächst, Jungs. Ich geh duschen«, sagt sie und fügt im Vorbeigehen an Caruso hinzu. »Kalt! Solltest du vielleicht auch tun.« Caruso, die Schüssel in der Hand, blickt ihr unglücklich nach. Ob das zwischen den beiden irgendwann mal etwas wird? Ach, was weiß ich denn. Ist mir jetzt auch zu verstiegen. Ich denke an Maike. Maike geht nie mit mir in die Sauna. Maike mag keine Schwimmbäder.

      »Jetzt denkt sie wieder, ich will nur das Eine von ihr«, brummt Caruso und bläst verächtlich Zigarettenrauch durch die Nase in die Nacht.

      »Na ja«, sage ich vorsichtig. »Die Signale, die du da vorhin gesendet hast könnte man ja durchaus dementsprechend interpretieren.«

      Caruso legt den Kopf in den Nacken und sinnt stumm den Schweigener Sternenhimmel an, der sich über das Forstbad wirft. Wir sitzen auf der Bank beim Kinderplanschbecken und blicken über die Liegewiese. Die kleine Rutsche kauert wie ein verlassenes Dinosaurierbaby im flachen Wasser vor uns. Der Schiffchenkanal gurgelt leise. Der Matschspielplatz duftet schlammig. Nach der Hitzeorgie