Die silberne Stiefelschnalle. Sandra Dittrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Dittrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847633297
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eilte Wilhelm von Grumbach in den Stall, verlangte nach seinem Rappen und ritt zur Burg. Seine Hausfrau Anna erwartete ihn mit säuerlicher Miene. Das würde einen Spaß geben.

       Eva Picht lag weinend, tief vergraben, im Stroh der Scheune. Sie wartete bis alle Geräusche auf dem Niederhof verstumm-ten. Es war drei Stunden nach Mitternacht, als sie sich hervorwagte. Ein Ekelgefühl stieg in ihr auf. Das neue Festtagsgewand hing, in Fetzen, an ihr herab. Die Magd übergab sich ins Heu und hielt eine Hand auf den schmerzenden Unterleib. Vorsichtig schlich sie hinaus auf den Hof. Ihre Beine waren wacklig. Notdürftig säuberte sich Eva an der Pferdetränke. Sie war verzweifelt, schämte sich. Wo sollte sie nur hin? Eva wollte weg, einfach weg. Tränen liefen über ihre Wangen. Da fiel ihr Lisbeth ein und sie lief los Richtung Mühle. Lisbeth würde ihr helfen. Mit Gabriel wollte sie über das Ereignis nicht reden. Im Dunkeln stieß Eva gegen eine Person. Sie erschrak fürchterlich und fiel auf den staubigen Boden. Jetzt würde alles herauskommen. Eva wimmerte vor Schmerz und Angst. Die Verzweiflung nahm ihr die Luft zum Atmen. Melchior Glock, der unterwegs zu den Dürrwieser Höfen war, half der Magd auf und blickte sie entsetzt an. „Eva, was ist dir?“ Die Worte blieben ihm im Halse stecken. Er legte ihr seinen löchrigen Umhang über das ruinierte Gewand. Eva versagten die Beine. Melchior trug sie ein Stück und setzte sich mit ihr an einen versteckten Platz am Mühlbach. Eva weinte bitterlich. “Wo warst du? Der Gabriel hat dich überall gesucht“, fragte Melchior.

       Die Magd schluchzte auf. Zwei betrunkene Knechte fanden nicht nach Hause und zogen singend durch das Dorf: „Bist du voll so leg dich nieder, steh früh auf und füll dich wieder!“ Der Mühlbach gluckste. Die junge Frau beruhigte sich etwas. In der Ferne brüllten die Säufer ihr Lied: „Das ganze Jahr den Abend und den Morgen, all voll, all voll, all voll!“ Endlich fand Eva ihre Sprache wieder. „Unser Herr von Grumbach, mir war als schaute er mich seltsam an. Als ich auf den Gabriel an der Linde gewartet hab, hat mir jemand einen Sack über den Kopf getan, und mich gewaltsam in die Scheune vom Niederhof gebracht. Da hat er dann gewartet, der edle Herr“, stotterte Eva mühsam, „er hat, ich wollte das nicht, aber er.“ Eva verbarg ihr Gesicht vor Scham. „Brauchst nicht weiter reden“, unterbrach sie Melchior. „Wolltest zur Lisbeth du armes Ding?“

       „Ja“, hauchte Eva.

       „Es ist besser, du gehst erst morgen. Stell dir vor, der Bezolt oder ihre Brüder sehen dich, in diesem Zustand. Du weißt, dass jeder denken wird du wolltest dem Herrn von Grumbach einen Bastard schenken. Kennst doch die Leute“, zweifelte Melchior. Unbeholfen legte er eine Hand auf Evas Schulter. Die zuckte zusammen. „Das ist nicht wahr!“ Wut flammte in ihr auf. „Ich weiß das“, tröstete Melchior die Freundin seiner Verlobten. „Ich bring dich jetzt zum Niederhof zurück“, sagte er hartnäckig. „Nein, da will ich nie mehr hin. Was soll ich dem Gabriel sagen? Ich brauch mich dort nimmer blicken lassen.“

       „Gar nichts! Vielleicht, dass dir schlecht war.“

       „Ich kann da nicht mehr leben, Melchior. Wie soll ich Gabriel in die Augen sehen? Das kann ich nicht.“ Evas Unterlippe zitterte vor Aufregung. Ängstlich dachte sie an die muffige Scheune. „Schau Eva, wenn du heute aushalten tätest. Ich könnte meine Mutter fragen, ob der Jorg Trutmann eine helfende Hand auf dem Unterhof brauchen kann. Seine Frau, ist wieder guter Hoffnung. Zwei Kinder hat sie bereits verloren, nach der Lies. Außerdem geht meiner Mutter die Arbeit immer schwerer von der Hand“, überlegte Melchior laut. „Gut, da will ich warten bis ich Nachricht von dir hab. Das werd ich dir nie vergessen“, lenkte Eva ein. Melchior brachte die völlig verstörte Frau zurück auf das Rittergut. Eva lag wach bis es Zeit war die Hühner und Schweine zu versorgen.

       Am ersten Mai, dem Dienstag nach Walpurgi erwachte das Dorf schleppend. Laut schimpfend, zog die Theres bei Sonnenaufgang ihren Mann, den Hirten, unter der Dorflinde hervor, wo er seinen Rausch ausschlief. „Magst gar nimmer Heimkommen? Sollen wir dir dein Zeug bringen, dann kannst du da wohnen bleiben!“ Träge blinzelnd schlurfte Burkhardt Bastlein zu seinen Schafen. Sollte die Theres nur schimpfen. Sogar der Burgherr und seine Gemahlin ließen, zum Ärger von Pfarrer Ziegler, die Frühmesse ausfallen. Nachdem Wilhelm Anna mit einem wertvollen Fürspan zum neuen Gewand überrascht hatte, und sein Weib besänftigt war, hatte er sich dort geholt, was er bei der dummen Gans aus dem Dorf nicht bekommen hatte.

       Das alltägliche Geschehen nahm seinen Lauf. Nur Eva Picht war eine andere. Sie dachte ständig an ihre Schmach. Es war ein Skandal, dass sie die Verlobung mit Gabriel Rücker auflöste, über den das ganze Dorf klatschte. Lisbeth wollte vergeblich mit Eva reden. Sie machte sich große Sorgen. Was war geschehen, dass sie plötzlich die Verlobung mit dem Mann löste, den sie so sehr liebte? Eva jedoch ging ihr aus dem Weg. Es kostete die Magd das letzte Bisschen Kraft ihr Tagwerk zu verrichten, zu tun als wäre nichts vorgefallen in jener Nacht. Wer würde ihr glauben? Stur verrichtete die Magd ihre Arbeit auf dem Rittergut und ließ Gabriels Beschimpfungen über sich ergehen. Dessen verletzter Stolz beschäftigte ihn am meisten. Als Eva bereit war mit Lisbeth zu reden, war diese gerade auf der Burg. Traurig bestellte sie der Freundin Grüße. Abends wagte Eva einen letzten Versuch mit Gabriel zu sprechen. Sie schlich sich zum Wirtshaus, dem Wilden Eber, und wartete auf Gabriel.

      

       Der Knecht erschien und schlug den Weg zum Niederhof ein. Eva rief ihn leise. Gabriel drehte sich um. Seine Augen blitzten wütend, als er Eva erblickte. Reichte ihr seine öffentliche Demütigung nicht? „Was willst du noch von mir? Langt es nicht, dass ich zum Gespött der Leute geworden bin?“, fauchte er. Eva fuhren seine Worte wie ein Messer ins Herz. „Der Herr von Grumbach, er hat mir meine Ehre genommen, Gabriel! In der Mainacht, ist er im Stall über mich hergefallen. Ich habe solche Angst. Ich dachte du würdest mich nicht mehr lieb haben, wenn du davon erfährst.“ Gabriel stand wie versteinert vor Eva. „So eine bist du“, flüsterte er tonlos. „Willst wohl Mitleid für dein sündiges Treiben!“, brüllte er laut in die Nacht. „Ich kann nichts dafür, Gabriel du musst mir glauben, bitte!“, flehte Eva. Der Stallknecht packte das verzweifelte Mädchen an der Schulter und schleifte sie mit sich. „Das wirst du mir bezahlen“, drang seine kalte Stimme an ihr Ohr. „Gabriel, ich dachte du liebst mich? Wieso glaubst du mir nicht?“ Eva bemerkte, dass sie Gabriel geliebt hatte, aber er ein hübsches Beiwerk, ohne Seele, suchte. Mit letzter Kraft riss Eva sich los. Zornig schrie Gabriel ihr wüste Beschimpfungen hinterher. Sie musste mit Lisbeth reden. Verzweifelt rannte Eva zur Burgmühle. Sie warf Steine an Lisbeths Fenster. Ihre Freundin schlief tief und fest. Unverrichteter Dinge schlich Eva zurück. Sie fühlte sich unendlich alleine. Wie hatte Gabriel sie derart täuschen können?

       Am nächsten Morgen, holte Melchiors Mutter die neue Hilfe für den Dürrwieser Unterhof ab. Lisbeth sah, wie die zwei auf dem Wagen der Trutmanns davon fuhren. Als hätte sie es gespürt, drehte sich Eva um. Zaghaft winkte sie der Freundin zum Abschied. Es lag wie ein Schatten auf ihrem Herzen, dass sie sich Lisbeth nicht hatte anvertrauen können. Sie musste hier weg, bevor Gabriel sie im ganzen Dorf unmöglich machte. Lisbeth hob kurz die Hand. „Seit Tagen geht Eva mir aus dem Weg“, murmelte sie. „Den Gabriel schaut sie nicht mehr an. Hast am Ende du etwas mit ihm gehabt?“, fragte die neugierige Maria Kobs, die sich unbe-merkt herangepirscht hatte. „Ich weiß nichts, Maria. Bist wohl verrückt geworden. Meinen Melchior würde ich nie betrügen!“, empörte sich Lisbeth. „Hör nicht auf das Geschwätz der alten Tratsche“, unterbrach eine Stimme das Gespräch der Frauen. „Melchior!“, freute sich Lisbeth. Sie fiel ihrem Verlobten um den Hals. Maria Kobs trollte sich, und lief hinauf in ihre Burgküche. Sie würde herausfinden, was da passiert war.

       „Was macht die Eva bei deiner Mutter?“, fragte Lisbeth, als Maria Kobs außer Hörweite war. Der Forstgehilfe zögerte. „Sie soll die Anna Trutmann unterstützen, wegen der schwierigen Schwangerschaft.“

       „Reicht die Dorothee als Magd nimmer aus?“, fragte Lisbeth misstrauisch. „Das hat der Valtin vom Niederhof mit dem Trutmann so vereinbart. Außerdem, meine Mutter ist auch nicht mehr die Jüngste“,


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