Die silberne Stiefelschnalle. Sandra Dittrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Dittrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847633297
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verteidigte Lisbeth ihren Liebsten. „Ich weiß nicht was er will. Er läuft jedem Weiberrock hinterher. Ich möchte keinen Taugenichts, der seine meiste Zeit im Wirtshaus herum sitzt! Außerdem denkt er, weil mein Vater Burg-müller ist, erhält er eine fette Mitgift!“

       „Ach vergiss den Adrian. Weißt du was wirklich schade ist? Das ist für uns zwei der letzte Brunnengang, und du kannst nicht mit“, bedauerte Eva. „Ich komme später, wenn die Burschen den Maibaum aufstellen. Ich muss der Frau von Grumbach das Gewand fürs Fest aufhübschen. Der Ritter Wilhelm wird zurück erwartet. Bin gespannt, wer nachher zur Maigräfin ausgerufen wird. Unser Maigraf ist wohl derzeit der begehrteste Mann im Dorf“, plauderte Lisbeth drauf los. Eva errötete, und blieb ihrer besten Freundin die Antwort schuldig. Sie mochte Gabriel sehr gerne. Der Stallknecht arbeitete auf dem Rittergut der Grumbacher, dem Niederhof, wo sie sich als Küchenmagd verdingte.

       Plötzlich erklang von ferne Gesang: „Selig, selig sei die Freude, selig sei die wonnige Maienzeit ...“

       „Selig sei der Vögel singen, selig sei die Aue, selig sei der Wald“, fielen die beiden Frauen mit ein. Sie liefen zu dem kleinen Platz unterhalb der Burg, wo sich die Kinder und ledigen Frauen für das gemeinsame Reinigen und Schmücken der Brunnen versammelten. Eva reihte sich in die schnatternde Schar ein, die Richtung Dorfplatz davon-zog. Lisbeth winkte ihr und marschierte zur Burg hinauf, vorbei am Kalterhaus und am Hofhaus, welche der Burg vorgelagert waren. Die Dame Anna von Grumbach bediente sich ihrer Gabe, seit sie herausgefunden hatte, wie schön Elisabeth nähen konnte, obwohl sie eine Müllerstochter war.

       Die vier Wehrtürme des grumbachschen Wohnsitzes ragten in den Frühlingshimmel. Die Wohnräume der Burg lagen im Süden und Osten, wo sich der Eingang zur Burgkapelle befand. Die Pleichach teilte sich nordöstlich der Mauern, und floss durch einen tiefen Graben beiderseits um die Burg herum. Lisbeth stapfte den staubigen Weg am Hauptbach entlang, bis zur hölzernen Zugbrücke, die den Burggraben an der Westseite überspannte. Durch das geöffnete Tor gelangte Lisbeth auf den verdreckten Burghof. Ein blondgelockter Junge trieb die herrschaftlichen Gänse, zum Weiden auf den Mühlwiesen, vorüber. Der Torwächter grinste anzüglich und johlte der Müllerstochter hinterher. Lisbeth ignorierte ihn. Sollte der nur pfeifen. Das Mädchen hatte es eilig. Sie passierte den Burgfried und schritt dir Treppe zum Palas hinauf.

       Dort konnte sie den ganzen Hof überblicken. Auf der Wehrmauer im Norden drehten die Wachleute ihre Runden. Darunter befanden sich der Pferdestall, das Rüsthaus und ein kleiner Hühnerstall. Das Federvieh hüpfte zwischen den Menschen umher, die ihrem Tagwerk nachgingen. Hoffentlich war die Dame des Hauses guter Dinge. Anna von Grumbach, geborene von Hutten, war bekannt für ihre wechselhaften Stimmungen, ihr gutes Aussehen und ihre höfische Manier. Sie hielt sich für den Mittelpunkt des Universums, in dem alles nach ihrem Willen verlaufen musste. Die Edelfrau legte äußersten Wert auf neueste Mode. Für kleine Änderungen, die schnell geschehen sollten, reichten ihr Lisbeths Dienste aus. Vor der Kemenate angekommen, verharrte die Magd kurz. Lisbeth seufzte und atmete tief aus. Schließlich hob sie die Hand und klopfte an.

       „Trete sie ein“, ertönte eine kraftvolle Stimme. Die Müllerstochter drückte die Holztüre auf. Anna von Grumbach saß auf ihrem Bett. Ihre zierliche Gestalt wirkte verloren, neben der riesigen Kleidertruhe, die einen großen Teil ihrer Mitgift aus Hildburghausen enthielt. Zu Ehren des Festtages hatte die Burgherrin gebadet. Jetzt ließ sie die rotbraunen langen Haare in der Morgensonne trocknen. Spöttisch betrachtete die Edeldame Lisbeths ärmliche Kleidung. Das graubraune Gewand, die nackten Füße, die schwarzen lockigen Haare, welche das magere Gesicht umspielten und bis auf die Hüften hinab reichten. „Sie ist spät dran“, bemerkte Anna von Grumbach spitz. Lisbeth schlug die Augen nieder. „Verzeiht Herrin“, sagte sie und beugte sich zu der Kleidertruhe hinab. „Wage es nicht!“, keifte Anna von Grumbach. „Erst zeig mir deine Hände!“ Lisbeth zuckte zusammen und gehorchte. Sie hatte die Hände zehn Minuten im Mühlbach geschrubbt und mühsam die Fingernägel gereinigt. Die Burgherrin packte hart zu, drehte Lisbeths Hände hin und her. Schließlich nickte sie zustimmend.

       Eine dreiviertel Stunde später, stand die Burgherrin, in ein bodenlanges grün-goldenes Seidengewand gekleidet, am Fenster. Ihr Gemahl Wilhelm wollte zum Frühlingsfest zurück sein. Gestern hatte der Bote die Nachricht gebracht. Anna von Grumbach wusste nicht, ob sie sich freuen sollte. Seit ihrer Vermählung, vor zwei Jahren, war sie ihrem Gemahl nie wirklich nahe gewesen. Stolz hatten ihre Eltern sie, die damals siebzehn Jahre alte Tochter, in die Burg der Grumbacher gebracht. Seither zeigte Wilhelm wenig Inte-resse an ihren Gefühlen. Außer dem Bett, teilte er nichts mit ihr, weder seine Gedanken, noch sein Leben und schon gar nicht seine Gefühle. Lisbeth räusperte sich. Anna von Grumbach schaute auf. „Ich brauch dich nicht mehr. Lasse dem Pfarrer Ziegler wissen, dass ich ihn sehen möchte“, trug sie der Magd auf. Dann scheuchte sie die ärmliche Frau aus dem Raum.

       Auf dem schmalen Gang zog Lisbeth eine Grimasse. Sie stieg die Treppe zum Hof hinab. Hoffentlich würde sie bald mit Melchior auf die Dürrwiese ziehen, dann hätten die Dienste auf der Burg ein Ende. Veit der Stallbursche winkte fröhlich herüber. Er tratschte gerade mit Marquard, der vor dem Burgfried Wache hielt. „Beweg dich her, Veit, du fauler Kerl“, schimpfte der Stallmeister, der jeglichen Müßiggang verachtete. Sein brauner Hund Artus fletschte die Zähne, der Geruch von Hühnerkot vermischte sich in der Nase mit dem des Pferdemist. Lisbeth schlenderte am Brunnen vorbei, ließ die Pferdetränke links liegen und erreichte den Ostflügel. Dort vor der Burgkapelle, nahm Pfarrer Johann Ziegler gerade frische Blumen für seinen Altar in Empfang. „Herr Pfarrer, die Dame von Grumbach wünscht Euch zu sprech-en“, richtete sie dem Gottesmann aus. „Dank dir Lisbeth! Jetzt geh und freue dich an der Schöpfung Gottes.“

       „Gott zum Gruße!“, rief Lisbeth und wollte davon eilen, als Maria Kobs sie anstuppste. Neugierig, immer auf der Jagd nach Gerüchten, lag die Burgköchin, am Eingang zu ihrem Reich, auf der Lauer. Hier in der Nähe des Burgtores entging ihr nichts. „Na? Hast du unserer feinen Dame andere Ärmel ans Kleid genäht? Letzte Woche hat sie wieder drei neue Stoffe gekauft und uns reicht`s nicht zum Leben.“

       „Maria, was jammerst du? Freu dich lieber, dass die Sonne scheint. Wir sehen uns später, wenn das Maifeuer brennt“, versuchte Lisbeth die Frau abzuwimmeln. „Den alten Bastlein haben die Burschen gestern Nacht betrunken, wie er war, zu den Schafen gelegt. Hat mir unser Stallknecht, der Veit, erzählt. Das hätte ich gern gesehen, als ihn früh die Schafe, statt seinem Weib angeblökt haben“, lachte Maria und scheuchte ein vorwitziges Huhn davon. „Willst wohl in meinem Kochtopf landen?“, drohte sie dem Federvieh.

       Lienhart Kleiber der Gefängnismeister rauschte heran. „Weg da, wir müssen den Hof sauber machen, der Herr kommt bald nach Hause. Und du gehst jetzt in deine Küche!“, kläffte er Maria an. „Jawohl du Hofnarr“, feixte die dralle Köchin. Sie ging seelenruhig davon. Lisbeth kicherte. Eilig lief sie zurück in die Mühle. Heute würde sie Melchior wieder sehen. Die Bewohner der Dürrwieser Höfe machten sich, nach und nach, auf den Weg zur Maifeier ins Dorf. Nur der Knecht vom Unterhof musste warten, bis sein Herr, der Jorg Trutmann, mit Frau und Kind wiederkommen würde. Da ging sie hin seine Dorothee. Ausgerechnet der aufgeblasene Christoph aus dem Forsthaus begleitete sie zum Maifest nach Rimpar.

       Der Dorfplatz dort war mit schwatzenden Grüppchen übersät, die den Maibaum des Jahres 1525 bestaunten. Behangen mit Kränzchen und bunten Bändern ragte er in den blauen Himmel. Der unschuldige Baum ließ die Menschen einen Augenblick vergessen, dass der blutige Aufstand der Bauern das Land in Atem hielt. Würzig duftende Blumen schmückten den Dorfbrunnen. Der Wirt Cunz Leuboldt stand vor seiner Gaststube und schenkte Wein aus einem großen Fass aus. Marga, sein zänkisches Weib, beobachtete genau, dass er nicht zu viel eingoss. Unter der Dorflinde saß Burkhardt Bastlein. Der alte Schafhirte hörte sich das Gespött der Leute an. „Haste gut ge-schlafen?“, fragte ihn der Schmied schelmisch grinsend. „So ein Schaf ist von allen Seiten was Weiches, hm“,