TANZFLUR MASTER. Mave O'Rick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mave O'Rick
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738044638
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Muschi nicht zu schätzen wüssten, aber keiner von uns käme auf die Idee, so prollverseucht dämliche Sprüche oder Aktionen zu bringen. Wir fingern, genießen und schweigen.

      Ich folge den Swaggers aus der Toilette durch den Gang in den Club, und natürlich stellen die beiden sich an den Rand des Tanzflurs mit einem Bier in der Hand und fangen an, sich mehr oder weniger auffällig über Boritz zu amüsieren.

      Boritz tanzt wirklich gut, nichts wirkt wie aufgesetzt, durchdacht oder gar einstudiert. Ich würde sagen, Boritz schöpft aus einem Fundus von 30 Dance-Styles, hunderten von Moves und Schritten, er hat eine enorme Koordinationsfähigkeit, seinen Oberkörper kann er losgelöst von Unterkörper und Beinen grooven lassen, und dabei hat sein Gesicht eine Ausstrahlung, die ihn zu einem echten Star machen könnte. Ich bin ein bisschen stolz, sein bester Freund zu sein, und erinnere mich daran, wie alles vor knapp vier Jahren angefangen hat.

      Wie bei vielen großen Freundschaften oder Lieben begann alles mit purem Hass. Und das nur, weil jeder im jeweils anderen eine Bedrohung sah, die eigentlich nur das eigene Spiegelbild bedeutete. Wir haben uns bis aufs Blut gehasst, auch wenn wir nie ein einziges Wort miteinander geredet hatten. Es war nicht so, dass der eine fand, der andere sähe besser aus, es war auch nie so, dass der eine besser tanzte als der andere.

      Bitches haben wir beide abgeschleppt, nie kamen wir uns in die Quere. Wir wurden beide von den Bitches im Club gleichermaßen angehimmelt, und die Typen haben uns beide gleichermaßen dafür beneidet. Aber wir waren uns, und sind es auch heute noch, zu ähnlich, um über den Schatten zu springen und um aus den Gemeinsamkeiten heraus zusammen eine kraftvolle Front gegen das böse Swaggertum zu bilden.

      Nachdem dieser Hass über ein paar Wochen in uns beiden wuchs, kam es zu einem Moment hier im „Ing! Ong!“, der alles änderte und der die eigentlich unbegründete Abneigung in die beste Freundschaft umschlagen ließ, die ich mir vorstellen kann.

      Boritz saß an der heilbringenden Aquarium-Bar und trank seinen Wodka Red-Bull. Ich hatte ihn gar nicht gesehen und stellte mich direkt rechts neben ihn an das Fischbecken, um mir einen Drink zu bestellen. Genau in diesem Moment drängelte sich ein Swagger zwischen uns an den Tresen und rämpelte uns beide an. Boritz schaute leicht irritiert schnell nach rechts, sah erst mich an und guckte dann dem Swagger nur kurz in die Augen, woraufhin dieser das Wort ergriff und sagte: „Sag mal Alter, hast du ein Problem? Was geht?“

      Boritz, verkokst bis unter die Schädeldecke, nahm mit einer unfassbaren Gelassenheit einen großen Schluck Wodka Red-Bull durch seinen Strohhalm. Sein Blick, der die Augen des Swaggers fixierte, ließ keine Zweifel darüber aufkommen, dass diese Konversation noch in vollem Gange war, und so antwortete er nach einem andächtigen Schlucken ganz ruhig und entspannt im O-Ton: „Würde die von dir repräsentierte Dummheit exponentiell so schnell anwachsen wie die Inflation in Deutschland im Jahr 1923, dann führten schon morgen Island und Sri Lanka miteinander Krieg.“

      Bäbämmm. What the fuck? Mein bisheriger Hass schlug in kaiserliche Hochachtung um. Der Swagger hatte kein Wort verstanden, drehte sich um und ging zu seinen Proletenfreunden. Boritz lächelte mich an, ich lächelte zurück und wir fingen beide an zu lachen.

      Was wie der Beginn eines schwulen Pornos klingt, war einfach nur der Beginn einer Freundschaft zweier gut situierter Drogenfreaks, die den komplett identischen Film fahren, dieselben Leute verachten und sich sowieso für etwas Besseres halten. Wie so oft musste erst einmal das Eis brechen, bevor der Wodka fließen kann. Wir verbrachten die restliche Nacht an der Bar und kauten uns gegenseitig das Ohr ab, denn da wir ja keine Sandkastenkumpels waren, hatten wir ein paar Jahre nachzuholen. Die dazu passenden Drogen erleichterten das Kennenlernen der Tanzflur-Master logischerweise erheblich.

      Und so kann ein einziger Satz halt über Krieg oder Frieden entscheiden, denn hätte der Swagger mich blöd angemacht, würde ich wahrscheinlich gesagt haben: „Dei Mudda is dei Vadda, und die hängt jetzt in meinem Keller im Sling und lutscht deinem Bruda den Schwanz.“

      Ob daraus dann die große Freundschaft mit Boritz das Licht des Lebens erblickt hätte, bleibt unbeantwortet, mit Sicherheit aber hätte Piotr mir an dem Abend das erste Mal das Leben retten müssen, und ich hätte schon etwas früher erfahren, wie es sich anfühlt, sich als Gegenleistung von einer Schwuchtel einen blasen zu lassen.

      Und zack, da bin ich schon wieder vollkommen in Anekdoten abgedriftet. Boritz gibt auf dem Tanzflur echt alles, meine Stimmung ist noch immer bombastisch, aber die Schadenfreude über meinen Sieg bei der Tanzflur-Master-Dance-Battle ist ein wenig einer wohligen Melancholie über die gerade erzählte Geschichte gewichen. Eigentlich möchte ich gerade lieber als Zeichen meiner Freundschaft mit Schmackes gegen die Betonwand rechts neben dem Eingang zum Höllengang springen, als Boritz für sein Nachmachen meines Durch-die-Beine-Springen Dance-Moves auszulachen.

      Ich entscheide mich für eine dritte Option, nämlich dafür, einen Drink zu mir zu nehmen, und lasse Boritz in seiner Tanzwut allein. Seine Gedanken kreisen wahrscheinlich gerade eh wieder um den Merkur oder die Venus, und ich möchte ihn dabei nur ungern stören.

      Ich merke, wie die Pillen langsam die Macht über mich ergreifen, und stütze mich vorsichtig auf die Fischtheke. Der Knall kommt mit schnellen Schritten auf meine Synapsen zu, doch bevor es endgültig zum großen Showdown in meinem Hirn kommt, drängelt sich Swagger A von links an die Bar. Er guckt mich scheiße von der Seite an, doch bevor er auch nur ein Wort von sich geben kann, halte ich ihm den Mittelfinger meiner linken Hand unter die Nase und sage: „Hier, riech mal, diesen Finger hatte ich gerade im Arsch meines besten Freundes Boritz.“

      

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      05 TANGO 3000

       live Sonntagmorgen, 23.11.2014 – 00:13 Uhr

      Die wahrscheinlich nicht sehr nette Antwort vom Swagger habe ich in dem Moment wieder vergessen, als er sie mir gegeben hat. Das liegt wahrscheinlich keine fünf Sekunden zurück, aber es kommt mir wie eine halbe Ewigkeit vor.

      Ich betrete die Pforten des Himmels, ich stürme die Türen der Liebe und breche die Tore der vollkommenen Reinheit auf, während sich von hinten über meine Schultern hinweg ein glockenreiner Engelschor ins Ohr schleicht, der mit sanften Stimmen die Village-People-Hymne „YMCA“ mit den ausgetauschten Buchstaben MDMA singt.

      Das passiert natürlich nicht wirklich, denn ich verspüre keine Halluzinationen, aber anders kann ich das wunderschöne Gefühl nicht beschreiben, das gerade Besitz von meinem ganzen Körper ergreift. Dabei fällt mir ein, dass „Halluzination“ ein fast poetisches Wort ist, und sollte ich jemals eine Vereinigung des Friedens und der Liebe nach Vorbild der UN gründen, dann werde ich sie die Halluzi-Nationen nennen.

      Ich fühle mich wohlig warm, mein Körper hat die optimale Temperatur angenommen, und ich möchte mich selber umarmen und mit mir kuscheln. Ich streichele meine weiche, zarte Haut am Arm und fühle mich wie in eine warme Decke am Kamin eingehüllt, während draußen der Sturm tobt. Die Lichtquellen im Club, die meine Haut streifen, fühlen sich wie Sonnenstrahlen an. Wie Sonnenstrahlen des ersten schönen Frühlingstages, an dem man nach einem langen Winter das erste Mal mit T-Shirt in der noch schwachen Aprilsonne sitzt. Die Grenze des Frierens ist genau überschritten und der weiche Strahl auf der Haut hält das Gefühl aufrecht, vor jeglicher Kälte geschützt zu sein.

      Ich bin der glücklichste Mensch auf Erden, ich liebe die Welt, das Leben und meine Mitmenschen. Ich schaue mich um und weine fast vor Glück. Ich möchte jedem hier sagen, wie dankbar ich bin, dankbar für diese Nacht, dankbar für Wasser, dankbar für Luft, dankbar für Energie und dankbar, dass jemand diesen bunten und friedlichen Planeten mit mir teilt. Ich stelle fest, dass auch „dankbar“ ein so kraftvolles und emotional tiefes Wort ist, dass ich die Aquarium-Theke kurzerhand in Dank-Bar umbenenne.

      Ich möchte meine Wärme und all die Geborgenheit, die ich verspüre, mit der Welt teilen und betrete den Tanzflur. Trotz des mittlerweile gut besuchten Clubs finden