Meine Nacht endete mit zwei portugiesischen Latinas namens Carmen und Olivera, die ich nach nicht zu verachtenden Mengen an Crystal Meth und zwei bis drei Viagras mit einer immer wunder werdenden Eichel acht Stunden in den Himmel vögelte.
Boritz hat seit diesem Abend nie wieder versucht, mein Durch-die-Beine-Springen zu toppen, und wo ich gerade vom Teufel spreche, steht er auf einmal vor mir mit einem Glas Wodka Red-Bull in der Hand. Ich begrüße ihn mit: „Ey, dislike Alter, da bist du ja endlich.“
03 MOTHER SUPERIOR (ICH BRAUCH’ DEN BEAT)
live Samstagabend, 22.11.2014 – 23:55 Uhr
Ich gucke Boritz in die Augen und sehe den Abgrund der Menschheit. Ich hatte ihm gestern zwei Gramm Koks, zehn Pillen Ecstasy und ein bisschen „G“ geschenkt und ich habe das dumme Gefühl, er hat all das schon intus und es wirkt bereits. Prost Mahlzeit, lieber Boritz; es ist 23:55 Uhr und du bist drauf, als wäre es drei Uhr morgens.
Er hat bis jetzt gar nicht erst ernsthaft gefragt, woher genau ich das Zeug habe und warum ich es ihm schenke, er ist halt wohlerzogen und weiß, dass es bei so außerordentlich großzügigen Geschenken außerhalb von Geburtstagen, Weihnachten oder Namenstagen keine guten Antworten gibt. Ehrlich gesagt weiß ich ja selbst nicht ganz genau, woher das Zeug stammt; es ist vom Sanyo, wie ich die Quelle nenne, um dem Kind wenigstens einen Namen zu geben. Meine Gedankenstrukturen verlaufen quadratisch, eine Schublade oder Kategorisierung ist mir wichtig.
Letztendlich ist es aber auch scheißegal, das Zeug knallt offenbar wie die Hölle oder wie meine linke Faust damals in Veras Visage, und bei einer richtig guten Männerfreundschaft ist es eh nicht zwingend notwendig, jedes Detail des anderen zu erfahren.
Der Club ist belebter als noch vor 20 Minuten, als mich Piotr mit einem Griff an die Klötze hinein ließ, meine drei Pillen, die ich mir beim Verlassen meiner Wohnung schon genehmigt habe, zeigen noch keine Wirkung.
Ich bin da aber abgesehen von den drei Lines Koks, die ich schon gezogen habe und die natürlich alle Synapsen auf Vollgas gestellt haben, sehr entspannt, denn sollten die Pillen nicht knallen, habe ich in meinen Hosentaschen noch folgendes: Koks für mindestens sechs großzügige Lines, zehn weitere Pillen Ecstasy, eine ordentliche Ration „G“, mit der ich sämtliche Fische des Atlantiks schneller schwimmen lassen könnte, eine ganz kleine Dosis „Tina“, unter Kirchgängern auch Crsytal Meth genannt, dazu ein bisschen „Special K“ und Rohypnol zum locker machen, und zum Verticken ein paar Pappen und drei Gramm Hasch, nach welchem mittlerweile meine ganze Hose stinkt.
Mit den Einnahmen vom Verkauf des LSDs und des Haschs finanziere ich mir heute Nacht die Getränke. Den Rest mache ich selber platt bzw. teile ich brüderlich mit Boritz. Dieser sieht zwar derzeit wirklich nicht so aus, als ob er davon noch irgendetwas bräuchte, aber ich kenne das, die Nacht ist noch lang und spätestens in einer Stunde lutscht der Alte hier, wenn es sein muss, jedem für irgendetwas, das knallt, den Schwanz, und Boritz steht nun wirklich nicht in Verdacht, ein Schwanzlutscher zu sein.
Und während mir dieser Gedanke durch den verkoksten Kopf schießt, verabschiedet sich Boritz auch schon auf den Tanzflur, denn die Musik ist besser geworden, die Stimmung hat sich aufgehellt, der Club ist merklich voller.
Vergessen in meiner Aufzählung an spaßigen Lebensergänzungsmitteln habe ich ein bereits angebrochenes Fläschchen Poppers. Dieses bringe ich jetzt Piotr, denn es ist seines. Poppers sind typisch schwule Drogen, die man direkt aus dem Fläschchen schnüffelt. Es macht dich für ein paar Sekunden oder Minuten extrem locker und entspannt, was offenbar von Vorteil ist, wenn man kurz davor steht, sich einen riesigen Schwanz in den Arsch zu schieben. Auf der anderen Seite gibt die Droge einem das Gefühl, selber einen riesigen Schwanz zu haben, mir zumindest. Wie gesagt, nach ein paar Sekunden oder Minuten lässt die Wirkung komplett nach, es bleibt ein leichter Kopfschmerz, und für den Akteur mit dem Schwanz im Arsch anscheinend eine dann doch brennende Rosette, was dazu führt, dass man sich das Fläschchen gleich wieder unter die Nase hält.
Piotr hatte sein Fläschchen letzte Woche bei mir vergessen. Er hatte mir zuvor wieder einmal das Leben gerettet hier im „Ing! Ong!“, und ich war ihm ein weiteres Mal einen Gefallen schuldig. Ich erspare uns allen die Details.
Im Gang kommt mir gerade Pax entgegen. „Hey Dicker, brauchst du was?“, fragt er mich mit viel zu stierigen Augen und abartig großen Pupillen. Ich entgegne: „Hey Pax, alter Dealer, was geht?“
Ich versuche, der Situation aus dem Weg zu gehen, denn Pax ist tatsächlich mein Dealer und ich kaufe bei ihm wöchentlich ein, entweder schon mittwochs zu seiner Sprechstunde, wie er es nennt, oder halt samstags direkt im Club. Aber diese Woche ist die Lage ja etwas anders, meine Taschen sind bereits gefüllt mit fast jeder gängigen Partydroge dieser Welt und ich will Pax nicht enttäuschen oder gar heraufbeschwören, dass er unangenehme Fragen stellt. Also nicht, dass ich Angst vor ihm habe, er ist auch mittlerweile eine Art Freund von Boritz und mir, aber ich fühle mich so, als hätte ich ihn verraten und wäre ihm nicht loyal gegenüber gewesen.
Ich lüge: „Du wirst es nicht glauben, am Donnerstag hat mich mein Cousin besucht. Den habe ich ewig nicht gesehen, ich wusste gar nicht, dass er auch feiert. Er hat mir einfach Pep, Pillen und etwas ‚G‘ geschenkt, weil wir uns so ewig nicht gesehen haben und er ein schlechtes Gewissen hatte, dass er sich so lange nicht gemeldet hat.“ Meine Fresse, wie kann man nur so schlecht lügen – und ich habe keine Ahnung, wie Pax diesen erfundenen Scheiß glauben kann. Aber er grinst, nickt, gibt mir einen brüderlichen Handshake und läuft weiter in den Club. Geschafft.
Ich bin gespannt, welches Märchen Boritz ihm gleich auftischt, warum er heute keine Drogen von ihm kauft, denn die Beziehung zwischen den beiden verhält sich eigentlich identisch wie jene zwischen Pax und mir. Ich sehe die zwei gerade vor meinem geistigen Auge auf dem Tanzflur, einer breiter als der andere, der eine erfindet gerade irgendeinen Stuss und der andere versteht kein Wort mehr.
Pax und Boritz. Das muss man sich mal reinziehen: Pax und Boritz. Die Geschichte, warum Boritz so heißt, wie er nun einmal heißt, ist ja schon im wahrsten Sinne des Wortes nicht von schlechten Eltern, die Geschichte von Pax steht dieser allerdings in nichts nach.
Die Eltern von Pax kommen ursprünglich aus Serbien und wanderten Anfang der 70er Jahre nach Deutschland aus. Ein paar Jahre später wurde Pax geboren, der mit vollem bürgerlichen Namen Peter Alexander Djonkic heißt. Jetzt möchte man meinen, ein Vorname wie Goran wäre angebracht gewesen, aber ähnlich wie Mama Schultze ein Fan von Boris Becker war, verfiel Mama Djonkic dem Charme des legendären Entertainers Peter Alexander. Es gibt keine TV-Shows, keine Spielfilme und keine Gassenhauer von Herrn Alexander, die sich nicht auf irgendeiner Vinylplatte oder VHS-Kassette im Besitz von Mama Djonkic befinden. Papa Djonkic hatte bei der Namensfindung des Sohnemanns nichts zu melden, und so fiel die Entscheidung von Mama Djonkic nicht sonderlich schwer.
Natürlich hätte sich die Mutter von Pax für ihren einzigen Sohn eine ähnliche TV-Karriere wie jene von Peter Alexander gewünscht, aber da Pax weder tanzen noch singen oder schauspielern kann, vertickt er halt gestohlene Autos aus Deutschland auf dem Balkan und dealt sehr erfolgreich mit Drogen.
So haben wir auch Pax vor drei Jahren hier kennengelernt. Piotr hatte ihn uns als neuen lizensierten „Fun Provider“ des Clubs vorgestellt, und Pax hatte uns gleich zum Einstand den wohl krassesten Trip unseres Lebens besorgt.
Boritz und ich nennen Pax ab und zu auch „Mother Superior“, nur falls der Name hier nochmal auftaucht. „Mother Superior“ war nämlich auch der Spitzname des Drogendealers in dem Roman „Trainspotting“, den Boritz und ich uns mal auf einer Zugreise nach Moskau gegenseitig laut vorgelesen haben, sehr zur Belustigung der anderen Reisenden in unserem Abteil.
Wie dem auch sei, Pax hatte uns beiden probeweise, quasi als Einstandsgeschenk, eine Ecstasy mit leichter LSD-Glasur geschenkt. Bäbämmm.