Annunfala sog den Duft des Getränks ein und machte ein gurgelndes Geräusch. Es klang irgendwie neugierig und wohlwollend.
Ferry nahm einen Schluck aus seiner Tasse und schlürfte dabei, wofür er einen tadelnden Blick von Laura erntete.
"Was?", fragte er. "Ich will nur zeigen, dass der Kaffee heiss ist! Sonst verbrennt sie sich womöglich!"
Lauras Blick signalisierte, dass sie es trotzdem unnötig fand. Sie pustete auf ihren Kaffee und nahm dann einen geräuscharmen, kleinen Schluck.
Ihr Gast blickte von Ferry zu Laura und dann wieder zurück. Sie betrachtete die Tasse, blähte erneut die Nüstern und pustete dann auf das heisse Getränk. Laura strahlte. Triumphierend blickte sie zu ihrem Mann hoch. "Geht doch!", sollte dieser Blick vermutlich heissen. Dann schlürfte Annunfala geräuschvoll einen Schluck des bittersüssen Getränks. Nun war es an Ferry, übers ganze Gesicht zu grinsen. Die Königin hatte den diplomatischen Weg gewählt und beide Ratschläge beherzigt.
Gespannt lagen die Blicke von Laura und Ferry auf ihrem Gast. Sie waren gespannt, ob sie Kaffee mochte. Annunfala hatte die Augen geschlossen und die Lüftungsschlitze weit gebläht. Sie machte ein kehliges Geräusch, das dem Schnurren einer Katze glich. Dann öffnete sie die grossen Augen und gönnte sich noch einen geräuschvollen Schluck. Anschliessend klackerte sie einige Male kurz mit ihren beiden hornähnlichen Zahnplatten aufeinander und gab schliesslich eine Art Schnauben von sich.
"Ah-nanah!", seufzte die Königin aus einer anderen Welt. Ferry hob erstaunt die Augenbrauen. Er hatte keine Ahnung, was sie gesagt hatte, doch es hatte wohlwollend und anerkennend geklungen, fast schon glücklich. Annunfala schien Kaffee zu mögen. Definitiv ein Pluspunkt für die Grauen in der Verständigungsstatistik. Wer Kaffee mochte, konnte Ferrys Freund werden. Von Laura ganz zu schweigen: ihre Familie in P0 lebte davon, dass Leute Kaffee mochten. Und vermutlich war es ihnen egal, woher die Leute kamen, die ihren Kaffee tranken.
Schweigend genossen die drei den starken Kaffee, Marke La Negrita. Aus El Salvador, natürlich, Lauras Heimat.
"Ist dir aufgefallen, dass ihre Sprache viele As und Ns hat?", fragte Laura.
"Hm.", grunzte Ferry bestätigend, der gerade die Tasse an den Lippen hatte.
"Was das wohl zu bedeuten hat? Wir müssen ihre Sprache lernen, so schnell wie möglich!", spann Laura den Gedanken weiter. Ferry nickte zustimmend.
"Um-hm.", gab er zurückhaltend von sich. Das sollte "ja" bedeuten. Darauf war er auch schon gekommen. Doch vielleicht stellte sich Laura das etwas zu einfach vor?
Ferry fand die Gelegenheit günstig, nach all der Aufregung eine Zigarette zu rauchen. Das Adrenalin in seinem Körper war dabei, abzubauen und er fühlte sich erschöpft, wie nach einer grossen Kraftanstrengung. Er holte seine Parisienne aus der Brusttasche und zündete sich eine an. Er inhalierte tief, kniff die Augen dabei zusammen und liess den Kopf nach links und nach rechts fallen. Die Halswirbel knackten geräuschvoll. Laura verzog angewidert das Gesicht. Sie mochte das Geräusch nicht. Die Königin schaute erstaunt auf, jedenfalls interpretierte Ferry ihren Gesichtsausdruck so.
Wieder blähte Annunfala ihre Nasenschlitze und sog den Rauch ein, der zu ihr hinüberwaberte. Sie musste fast augenblicklich niesen. Oder husten, es war schwer zu sagen. Auf jeden Fall stiess sie lautstark die Luft aus, so dass die kleinen Hautlappen an den Nüstern flatterten. Sie wedelte mit der Hand den Rauch weg, die Nasenschlitze fest zusammengepresst.
"Pch-ch-ch!", zischte sie und es klang, als ob sie schimpfte.
Erschrocken liess Ferry die Zigarette fallen und trat sie aus. Er begann ebenfalls mit den Armen zu rudern, um den Rauch wegzuwedeln. Laura machte ein säuerliches Gesicht.
"Na toll. Willst du sie vergiften? Was denkst du dir dabei? Dazu noch direkt neben den Kindern!", fauchte sie Ferry vorwurfsvoll an.
"'Tschuldigung! Ich habe nicht nachgedacht… Ich dachte nicht, dass sie so sensibel darauf reagiert! Tut mir leid.", gab er kleinlaut zurück. "Wenigstens hast du jetzt ein Wort, das keine As und Ns hat…" Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. Dann begann er spitzbübisch zu grinsen. "Lieselotte würde sie mögen!" Er musste bei dem Gedanken laut auflachen. Seine Schwiegermutter lag ihm ständig in den Ohren, dass er das Rauchen aufgeben sollte. Lauras nicht amüsierter Gesichtsausdruck liess Ferry verstummen. Der Witz war nicht gut angekommen, also versuchte er, das Thema zu wechseln.
"Und wie stellst du dir vor, dass wir die Sprache lernen?", fragte er. Laura schien gewillt, sich ablenken zu lassen. Sie stieg sofort auf sein Manöver ein.
"Vielleicht mit Bilderbüchern? Oder diesen bebilderten Wörterbüchern? Wir zeigen auf ein Bild, sagen unser Wort und sie sagt ihr Wort. Dann schreiben wir es auf und machen ein Wörterbuch: Grau-Mensch / Mensch-Grau." Sie strahlte. Sie schien überzeugt davon, dass sie so die fremde Sprache lernen konnte. Ferry nicht.
"Das wird Jahre dauern. Ausserdem gibt es in unseren Wörterbüchern vielleicht Objekte, die sie gar nicht kennt? Ein Fahrrad, zum Beispiel. Wie soll sie dafür ein Wort sagen, wenn sie das Ding nicht kennt? Ich glaube nicht, dass wir so weiterkommen. Es muss einen anderen Weg geben…", gab er nachdenklich zurück.
Annunfala war aufgestanden. Besorgt schauten Laura und Ferry sie an. Ob sie vielleicht verärgert war wegen der Raucherei? Das wäre ein schwerwiegender Rückschlag in ihren noch jungen diplomatischen Bemühungen! Doch die Königin schien ganz ruhig und kramte in einem ihrer weichen Beutel, die an ihrem Gürtel hingen. Sie schien etwas zu suchen.
Langsam brachte sie einen kleinen Gegenstand heraus und beäugte ihn kritisch. Es war ein metallisch glänzendes, anthrazitfarbenes Klötzchen, etwa so gross wie eine Streichholzschachtel. Es erinnerte Ferry unangenehm an die Sprenggranaten des Corps, die ähnlich aussahen und in etwa die gleiche Grösse hatten. Sein Körper spannte sich an und seine Nackenhaare stellten sich auf. Er witterte Gefahr! Mit einem kurzen Seitenblick lokalisierte er seine Waffe, die immer noch dort am Boden lag, wo er sie hatte fallenlassen. Keine drei Meter von ihm entfernt.
"¡Cálmate!", zischte Laura. Beruhige dich!
Sie hatte seinen Blick gesehen und richtig interpretiert. Sie kannte ihren Mann. Er war ein ausgebildeter Kampfpilot und Soldat. Ein gut trainierter Killer. Seit seiner frühen Jugend gewesen. Eine vermeintliche Gefahrensituation löste in Ferry Black einen konditionierten Reflex aus. Wenn er angegriffen wurde, verhielt er sich nach einem antrainierten Schema: ausweichen, abwehren, erfassen, angreifen, töten. Er war mit seinen fünfundvierzig Jahren nicht mehr so schnell wie früher, aber er würde dem Schema folgen. Das konnte verheerend sein in der aktuellen Situation. Wenn man ihn nicht stoppte. Doch Laura konnte ihn stoppen, und das wusste sie.
"Cálmate!", wiederholte sie eindringlich. Ferry begann, sich zu entspannen. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Er wusste, er wollte das nicht. Doch ein Reflex war ein Reflex. Er würde daran arbeiten müssen, seine Konditionierung zu brechen. Er würde Hilfe brauchen. Er machte sich eine geistige Notiz dazu.
Er spürte Lauras Finger auf seiner Stirn, nahe den Schläfen, gleich oberhalb der äusseren Enden seiner Augenbrauen. Laura strahlte positive Energie aus, die in ihn floss und ihn zusätzlich beruhigte. Ferry öffnete die Augen und schaute in die schwarz glänzenden Augen seiner Frau, die ihn eindringlich musterten. Sie wusste, dass sie ihn mit dieser Berührung herunterholen konnte, von was auch immer. Ferry war wieder ganz ruhig. Laura löste den Druck ihrer Finger auf sein Stirnbein und zog die Hand schliesslich ganz zurück.
"Geht es?", fragte sie besorgt. Ferry nickte langsam.
"Ja. Alles in Ordnung.", sagte er. "Danke."
Sein