Ich such dich in Mallorca, Lara. Marga Vollen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marga Vollen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742732606
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der Kommissar die Gästeliste überfliegt, die ihm die Hübners überbracht haben, verzieht sich sein Gesicht zu einer finsteren Miene. Es sind alles deutsche und schweizerische Adressen. Die Ermittlungen werden kompliziert werden. Trotzdem wird er zuerst bei den Feriengästen der Insel nach dem Täter suchen. Die Mallorquiner kommen später dran. Die Einheimischen werden noch verschlossener sein, wenn sie bemerken, dass er keiner der ihren ist.

      Vielleicht bringt er doch noch etwas aus diesen Hübners heraus, denkt er und fragt sie nun nach Beobachtungen, die sie in der Nachbarschaft ihrer Finca gemacht hätten.

      „Vermieten die Nachbarn auch Ferienwohnungen?“, fragt er und fixiert die Beiden mit stechendem Blick.

      „Die Nachbarn auf der nördlichen Seite gelegentlich“, sagt Sabine eifrig, „da sehen wir manchmal Mietwagen bei der Einfahrt stehen.“

      Martin befürchtet, dass Sabine zu viel über die Nachbarn redet, die möglicherweise die Ferienwohnungen ausserhalb des Gesetzes vermieten, und springt ein. „Die Nachbarn auf den andern Seiten unseres Grundstückes haben auch Gäste, aber wir hören oft spanische Stimmen, so wissen wir nicht, ob es vielleicht Verwandte und Freunde sind und können deshalb keine näheren Angaben machen.“

      Oder wollen nicht, denkt Hernandez, aber immerhin stimmen ihre Aussagen mit denen der Nachbarn überein. Die waren zwar auch nicht auskunftsfreudig. Er fragt weiter nach allen Gästen in der Nachbarschaft, an die sie sich erinnern können, ob ihnen etwas aufgefallen wäre?

      „Bei den Nachbarn auf der nördlichen Seite unseres Grundstücks waren in den letzten Monaten sicher keine Feriengäste. Es blieb den ganzen Tag ruhig“, erinnert sich Sabine.

      „Und vorher?“, will der Kommissar wissen.

      „Vorher? Ja vorher, im letzten Oktober, da war es eine Woche lang recht laut, viel Gelächter war zu hören.“ Sabine brach ab und versuchte sich zu erinnern.

      „Haben Sie gesehen, wer gelacht hat?“, erkundigt sich Hernandez.

      Martin findet die Frage etwas merkwürdig. Er möchte bald aus dem muffigen Raum in der Polizeibasis herauskommen und sagt deshalb beflissen: „Es war eine deutsche Frau mit blonden Haaren. Sie fiel uns auf, weil sie in der Vorwoche nie laut gelacht hat. Wir tauschten noch Gedanken darüber aus, wie schnell das Klima hier die Menschen verändern kann, dass sich ruhige Personen in laute und lustige verwandeln.“

      Der Kommissar ist wie elektrisiert. Er springt auf und greift zum Telefonhörer. „Vielen Dank für Ihre Aussage, Sie können gehen“, sagt er und gibt Ihnen flüchtig die Hand zum Abschied.

      Die Hübners verlassen schnell das Kommissariat. „Das ist ja ein etwas merkwürdiger Ermittler“, kommentiert Martin.

      „Gut, wenn wir mit solchen Leuten sonst nichts zu tun haben“, fügt Sabine an.

      Kapitel 3

      Romeo Tenner blinzelt verschlafen aus dem Fenster seines Wohnwagens. Schönes Wetter! Er beschliesst, den Tag mit einer Runde entlang dem Hafen zu beginnen. Für Andere hat der Tag schon längst begonnen, aber Tenner findet es nutzlos, vor zehn Uhr bei den Kumpanen aufzutauchen, denn erst dann sind alle Neuigkeiten der vorangehenden Nacht bei ihnen angelangt.

      Schnell ist er angezogen, kurze Hose, Shirt und Sneakers genügen. Wären seine grauen Haare und sein Bart nicht etwas zerzaust gewesen, hätte man ihn, mit seiner randlosen Brille auf der Nase, gut und gern für einen vorzeitig pensionierten Lehrer halten können.

      Die Touristen, die in dem grossen Restaurant am Rande des Hafenviertels im Freien ihren zweiten Morgenkaffee trinken, können ihn nicht recht einordnen. Ist er einer der ihren, oder ein Ortsansässiger? Die kleine Gruppe, die in der Nähe der Bar sitzt und aus ziemlich heruntergekommenen Gestalten besteht, kennt ihn: „Hola Romeo, auch schon aufgestanden?“, rufen sie ihm entgegen.

      Die Stimmung scheint an diesem Morgen besonders angeregt zu sein. „Hast du schon gehört?“ – „Wovon?“, antwortet der Angesprochene. „Von dem Leichenfund am cami de muro“, ruft der Anführer der Gruppe. Der Barmann schaut neugierig zu der Gruppe hinüber. Die Touristen verstehen die Sätze nicht, die in schnellem Mallorquinisch gesprochen werden, und fragen sich höchstens, weshalb die Gruppe wohl so aufgeregt redet. „Da werden wohl die Lokalereignisse besprochen“, meint einer der deutschen Touristen zu seinem Nachbarn und trinkt seinen Kaffee aus. „Komm, wir gehen weiter“, meint er, „hier ist es mir zu laut.“

      „Die Leiche soll eine Frau gewesen sein“, sagt Pedro, dessen gute Beziehungen zur Polizei den Andern immer etwas unheimlich sind, wichtigtuerisch. „Mit blonden Haaren“, fügt er an. „Du, Romeo, stehst doch auf Blondhaarige, hast du etwa dein Liebchen umgebracht?“. Alle lachen, nur Romeo nicht. „Wie kommst du bloss auf so etwas. Du hast eine schmutzige Fantasie“, murmelt er.

      Romeo Tenner, der Strassenmaler, bietet tatsächlich vor allem blonden Touristinnen an, ihr Porträt innerhalb einer halben Stunde auf die Leinwand zu zaubern. Ist es die heimliche Sehnsucht nach der hinter sich gelassenen Schweizer Heimat, wo es diesen zarten, blondlockigen Typ von Frauen gab, der ihm so gefiel, die ihn Blonde bevorzugt ansprechen lässt?

      Die Kumpane johlen. „Sogar ihr Bild hast du in deinem Wohnwagen aufgehängt“, ruft einer. „Und wolltest uns nie sagen, wer das ist.“

      „Das weiss ich doch auch nicht“, erwidert Tenner. „Meint ihr, ich führe ein Verzeichnis meiner Kunden? Das bringt ja nichts. die lassen sich in den Ferien von mir malen und dann bin ich vergessen“, fügt er an, mit einer gewissen Bitterkeit in der Stimme.

      Die Kumpane wenden sich, nach einigem Raten über die Leiche, andern Themen zu. Nur Pedro schaut ihn nachdenklich an. „Ich muss weiter“, sagt Tenner, und steht auf. „Willst du keinen Kaffee?“, ruft ihm der Barmann nach. „Heute nicht“, erwidert er, „ich muss noch Farben kaufen“, sagt er als Begründung für sein frühes Aufbrechen.

      Die Wahrheit ist jedoch, dass er allein sein will mit seinen aufkommenden Gedanken zur gefundenen Leiche. Er verschwindet in den dämmrigen Gassen des Hafenviertels und setzt sich dort vor eine kleine Cafeteria, wo ihn niemand kennt, und bestellt einen Kaffee.

      Er wird in Verdacht geraten, überlegt er sich, nicht nur wegen seiner Bilder von blonden Frauen, sondern auch, weil er sich manchmal in der Nähe des Tatorts aufgehalten hatte und sehr wohl hätte gesehen werden können.

      Er kennt die Hübners und ihre Finca. Er hatte ihre Bekanntschaft gemacht, als er Sabine malen wollte. Sie spazierte mit Martin zusammen am Hafen und kam an dem kleinen Platz vorbei, wo er seine Kunden einfing. Sie lachte freundlich über sein Angebot, sagte, sie male doch selber und wäre auch froh, ihre Bilder zu verkaufen. Sie plauderten über dies und jenes und waren bald gute Bekannte.

      Als Tenner einmal kein Geld hatte, bat er Martin, ihm auszuhelfen. Der bot ihm an, die Johannisbaumfrüchte auf der Finca zu ernten und sie auf eigene Kosten zu verkaufen. Die herabfallenden Früchte wurden von den zwei Pferden, die frei herumliefen, gefressen und verursachten ihnen Magenbeschwerden.

      Romeo Tenner erklärte sich, zwar ungern, dazu bereit und half in der Folge ab und zu in der Hübner–Finca bei kleinen Arbeiten aus und erhielt eine angemessene Bezahlung.

      Gerne machte er solche Einsätze nicht, er hasste körperliche Arbeit, fand sie seiner unwürdig. Er verstand sich als Künstler, hatte ja sogar einmal Kunst studiert. Dass er auf Andere eher wie ein Clochard wirkte, verdrängte er so gut wie möglich.

      Die Hübner-Finca lag drei Kilometer vom Städtchen entfernt, die legte er jeweils zu Fuss zurück, denn er war nicht motorisiert. Als Fussgänger auf dem cami de muro, der in der Nähe des Leichenfundorts durchführte, hätte er anderen Passanten auffallen können.

      Der eindringliche Blick, mit dem ihn Pedro betrachtet hat, hat ihm nicht gefallen. Wer weiss, was der der Polizei erzählen würde. Tenner beschliesst, proaktiv ( das Wort hat er kürzlich aufgeschnappt ) zu handeln.

      Er schlendert langsam zur