„Grüße auch Volker von mir. Ich wünsche euch einige wunderschöne Tage in Paris!“
„Dann sehen wir uns wirklich erst in zwei Monaten wieder?“
„Ja. Nach dem Praktikum werde ich gleich bei Wertkauf anfangen zu arbeiten. Diese Wochen wirst du sicherlich sehr genießen. Manchmal würde ich gerne mit dir tauschen.“
Darauf gab Steffi keine Antwort. Seit dem klärenden Gespräch mit ihren Eltern und der inzwischen doch ziemlich festen Beziehung mit Volker fühlte sie sich selbst manchmal privilegiert. Finanzielle Sorgen kannte sie überhaupt nicht, Volker gab ihr zusätzliche Sicherheit. Aber trotzdem stellte sie sich ab und zu die Frage, ob das nun alles war. War sie wirklich glücklich?
Das Praktikum gefiel Steffi sehr gut. Sie hatte einen jungen und sehr engagierten Mentor, der ihr das Gefühl vermittelte, es könnte keine schönere Arbeit als die eines Lehrers geben. Mit den Schülern zu arbeiten war eine große Herausforderung, doch es gelang ihr, interessante Lehrproben zu gestalten und ein vertrauensvolles Arbeitsklima zu schaffen. Ihre Unsicherheit, ob diese Arbeit für sie die richtige sei, war wie weggeblasen. Die vier Wochen vergingen unglaublich schnell. Volker war immer da, wenn sie ihn brauchte. Auch nahm er regen Anteil an ihrer Arbeit und erfreute sich an ihrer Begeisterung.
„Ich bin gespannt, ob ich auch so sprudle, wenn ich meine Praxiserfahrung mache“, lachte er.
Am letzten Praktikumstag packten sie dann alles für zu Hause zusammen und fuhren hintereinander, Steffi in ihrem Polo, Volker in seinem alten R4, Richtung Heimat. Dieses Mal freute sie sich richtig auf das Wiedersehen mit ihren Eltern.
Ihre Mutter hatte ihr schon signalisiert, dass ein größerer Kleidungseinkauf geplant war, sozusagen als Belohnung für das erfolgreiche Semester.
Die Abende waren ebenfalls verplant: Treffen mit ehemaligen Schulkameraden, die auch ihre Semesterferien zu Hause verbrachten, Verabredungen mit Volker, bei denen sie dann auch ihren Trip nach Paris planten.
Am 4. April zuckelten sie los in Volkers klapprigem R4, der mehr Platz bot als Steffis verkehrstüchtigerer Polo. Volker hatte ein kleines preisgünstiges Hotel in der Nähe des Montmartres schon vorgebucht. Als sie sich in den Straßen von Paris bewegten, war Steffi froh, dass sie nicht am Steuer saß. Der Fahrstil der Franzosen unterschied sich doch sehr von dem, was sie gewohnt war. Allerdings war es auch nicht einfach, Volker anhand der Straßenkarte den richtigen Weg zu weisen, und so kamen sie sehr spät und recht genervt nach einigen Umwegen und zusätzlichen Runden im Kreisverkehr bei ihrem Hotel an.
Für den Rest der Woche ließen sie das Auto stehen und nutzten die Metro. Volker hatte einen umfangreichen Reiseführer dabei und wollte möglichst viel sehen. Sie besichtigten Sacre Coeur, das Moulin Rouge von außen, Notre Dame, den Louvre, den Eiffelturm, die Katakomben, die Conciergerie, Versailles…. Volkers Wissensdurst war endlos. Steffi wäre lieber einfach mal an der Seine spazieren gegangen, wollte auch gerne auf der Champs-Elyssee bummeln, aber dann waren die Tage vorüber und die Heimreise musste angetreten werden.
Insgeheim erinnerte Steffi sich wehmütig an die Urlaubsreisen, die sie mit Birgit unternommen hatte, weil dabei auch der Spaß nicht zu kurz gekommen war. So war sie ziemlich schweigsam auf der Rücktour, während Volker noch immer ganz begeistert war, weil sie so viel „abhaken“ konnten.
Als sie vor ihrem Elternhaus anhielten, sagte sie unvermittelt: „Ich werde morgen schon fahren.“
„Morgen schon? Das Semester beginnt doch erst am Montag!“
„Egal. Ich möchte noch einiges vorbereiten. Du kannst dich ja melden, wenn du auch da bist.“
„Schade. Ich dachte, wir könnten uns noch einmal austauschen über unsere Erlebnisse.“
Er stieg aus, holte ihren Koffer aus dem Kofferraum und trug ihn zur Haustür, die schon geöffnet wurde von ihrer Mutter. „Da seid ihr ja! War es schön?“
Steffi ließ sich die Umarmung gefallen und sagte nur: „Ja, aber jetzt bin ich todmüde.“
Dann gab sie Volker einen Kuss zum Abschied.
„Also, wir sehen uns – spätestens am Montag.“
Kapitel 8
Am Spätnachmittag kam sie bei ihrer Studentenbude an. Volker hatte sie noch einmal angerufen, um sie zu überreden, wenigstens einen Tag später zu fahren, aber sie hatte sich nicht umstimmen lassen. Ihre Mutter hatte sie gelöchert, ob alles in Ordnung sei, aber auch da hatte sie sich kaum geäußert. Sie sprach von wichtigen Vorbereitungen, die sich nicht aufschieben ließen, wenn sie nicht gleich zu Beginn des Semesters in Stress kommen wolle. Und nun war sie also hier.
Nachdem sie einen ganz guten Parkplatz gefunden hatte, blieb sie erst einmal ein Weilchen sitzen und atmete tief durch. Sie musste einfach ein bisschen Abstand gewinnen.
Schließlich packte sie aus und trug alles in ihr Zimmer.
Birgit war natürlich noch nicht da, sie würde wohl bis 18.30 Uhr an der Kasse sitzen. Dann der Nachhauseweg mit der Straßenbahn… vor 20.00 Uhr kam sie sicher nicht.
Steffi legte sich aufs Bett und schloss die Augen. Sie hatte ein so großes Bedürfnis sich mit ihr auszutauschen. Innerlich unzufrieden mit der augenblicklichen Situation war sie auch unglücklich über ihr eigenes Verhalten und sie hoffte, dass ein Gespräch mit Birgit ihr weiterhelfen würde. Am liebsten hätte sie sie abgeholt, aber ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass die Zeit zu knapp war und sie sie wahrscheinlich eher verpassen würde.
Sie musste eingeschlafen sein, denn als sie das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es schon halb neun. Rasch sprang sie auf und lief zu Birgits Zimmer, aber es war noch immer abgeschlossen.
Seufzend ging Steffi zurück und suchte sich ein Buch zum Lesen. Allerdings fiel es ihr sehr schwer sich zu konzentrieren. Nachdem sie sich zum dritten Mal fragte, was sie eigentlich gelesen habe, gab sie es auf und zog sich ihre Jacke an. Sie wollte einen kurzen Blick in die Studiosusklause werfen. Vielleicht war da jemand, mit dem sie sich unterhalten könnte.
Genau in diesem Augenblick wurde die Haustür aufgeschlossen und Birgit kam summend herein. Überrascht blieb sie stehen. „Hallo, Steffi! Du bist schon da?“
„Schon eine ganze Weile. Ich hatte sogar mit dem Gedanken gespielt dich abzuholen, aber ich hatte Angst dich zu verpassen.“
Birgit ging an ihre Zimmertür und schloss auf. „Ja, das wäre gut möglich gewesen. Ich war noch zum Essen verabredet. Willst du kurz mit rein kommen?“
„Ja, gerne. Du bist aber sicher müde.“
„Ach, es geht. Du hast sicher eine Menge zu erzählen und ich bin wie immer neugierig“, lachte sie. „ Wenn es mir zu viel wird, schmeiße ich dich raus.“
„Sie ist ziemlich aufgekratzt“, dachte Steffi, „so kenne ich sie eigentlich gar nicht.“
Sie folgte Birgit und ließ sich auf dem einzigen Stuhl nieder, der im Zimmer war. Birgit ließ sich auf ihr Bett fallen. „Nun erzähl mal, wie war Paris?“
„Sehr interessant. Wir sind von einem Höhepunkt zum nächsten gehastet.“
Birgit runzelte die Stirn. „Wie, nur interessant? Nicht romantisch?“
Steffi seufzte, dann berichtete sie etwas genauer. Als sie geendet hatte, meinte Birgit: „Du hast Volker doch hoffentlich gesagt, dass dir das nicht so gefallen hat.“
„Ich habe es ihn spüren lassen!“
„Und – hat er es gespürt?“
„Ja, also … Ich weiß es nicht.“
„Mensch, Steffi, wann redest du endlich mit den Leuten, wenn dir etwas nicht passt! Du musst deine Interessen artikulieren und nicht still vor dich hin leiden. Ich bin überzeugt davon, dass Volker auf dich eingegangen wäre, wenn du ihm gesagt hättest, was