"Couch", wiederhole ich und folge ihr zum Sofa.
Sie lässt sich darauf fallen und ich setze mich neben sie, damit sie ihren Kopf auf meinen Schoß legen kann.
Diese Couch scheint etwas Offenbarendes zu haben, denn hier kommen wohl die meisten Wahrheiten ans Licht.
"Ich sollte dir davon nicht erzählen", seufzt Raven und legt ihren Unterarm über ihre Augen.
Verwirrt runzle ich die Stirn. "Wieso solltest du mir nicht davon erzählen?"
"Weil du schon genug... Probleme hast. Ich will dich nicht noch mehr belasten mit irgendeinem Kleinkram von mir."
Ich nehme ihren Arm von ihrem Gesicht. "Baby, erzähl es mir, bitte."
Zwar trauere ich noch immer und mir geht es nach wie vor scheußlich, doch was wäre ich für ein schlechter Freund, wenn ich Raven jetzt nicht zuhören würde. Und ich will mindestens genau so viel, dass sie lachen kann, wie sie will, dass ich wieder lachen kann.
Sie ist erst unsicher, nickt aber dann. "Ich hab dir doch die Sache mit Danny erzählt, als ich vor einem Monat in Aldbury war... Na ja und wie du wahrscheinlich noch weißt, war ich an dem Samstagabend sehr erschlagen, als ich nach Hause kam und wir am Strand waren."
Ich sehe sie an, gebe ihr zu verstehen, dass ich es noch weiß. Wahrscheinlich werde ich nie vergessen, wie sie wie ein Bündel Elend auf mich zu gerannt kam.
"Auf jeden Fall... An dem Tag bin ich zu Scar gefahren, um ihr mein Geburtstagsgeschenk zu überreichen. Um es kurz zu fassen: Ich bin hingefahren, Danny und irgend so eine Amber haben ihr erzählt, dass ich mich an Danny rangemacht hätte und ihn küssen wollte. Daraufhin hat Scar mir gesagt, dass sie mich nicht mehr sehen will und hat mich rausgeschmissen. Ende des Dramas."
Baff blicke ich zu ihr hinab. "Wieso hast du mir das nicht erzählt?"
Sie zuckt mit den Schultern. "Ich wollte einfach nicht darüber reden."
"Okay." Ich streiche ihr durch das lange Haar, das über meine Beine liegt. "Und was ist eben in der Küche passiert? Ich hab euch nur heftig schreien gehört."
Sie seufzt. "Sie meinte erst, dass sie sich entschuldigen will, ist aber immer noch mit Danny zusammen. Das bedeutet, dass sie immer noch nicht die Wahrheit weiß und daraufhin habe ich ihr gesagt, dass ich finde, dass er ein Arsch ist - was er auch ist - und sie fing an mich zu beschimpfen. Na ja, und das hat mich halt irgendwie wütend gemacht."
"Wütend? Du hast dich angehört wie eine Furie", witzle ich, vergesse aber nicht den Ernst ihrer Aussage.
"Sie hatte es verdient... Wenn du nur gehört hättest, was sie gesagt hat. Ich erkenne sie gar nicht mehr wieder."
Nachdenklich reibe ich mir übers Kinn. "Vielleicht ist es ja tatsächlich dieser Danny. Er hat sie wahrscheinlich so mit Lügen gefüttert, dass sie gar nicht mehr weiß, was richtig und was falsch ist."
"Das habe ich auch gesagt, aber sie hat mich nur angebrüllt. Aber lass uns bitte über was anderes reden, ja? Meine Kopfschmerzen sind höllisch und ich bin total erschöpft. Ich will endlich aus diesem Kleid raus." Sie hebt ihren Kopf und ich stehe auf.
"Zieh du dich um, ich suche dir solange eine Kopfschmerztablette", sage ich und gehe in die Küche. Ich spüre klar und deutlich ihren lächelnden Blick in meinem Rücken.
"Ich liebe dich", höre ich sie sagen, als ich in der Küche stehe.
Mein Grinsen spricht Bände als ich die Schublade zu meiner Medizin aufziehe. "Ich liebe dich."
Raven
Erschöpft lasse ich mich in das weiche Kissen fallen, das so wunderbar nach Jasmin, Moschus und Aiden riecht und vergrabe mein Gesicht darin. Mein Blick fällt auf Aiden, der, nur mit Jogginghose bekleidet, den Fernseher einschaltet. Ich beobachte das Spiel seiner Muskeln auf dem Rücken, während er nach der Fernbedienung greift und wundere mich mal wieder aufs Neue, wie ich so einen heißen Freund bekommen konnte.
"Normalerweise würde ich jetzt einen sarkastischen Spruch raushauen, darüber, dass du mich anstarrst, aber bei dir stört es mich nicht", sagt er, als er auf das große Bett zugeht.
"Ich habe nicht gestarrt", sage ich und spüre die Röte in meinem Kopf.
Natürlich habe ich gestarrt.
Seine Mundwinkel zucken und er zieht sich die Hose aus, krabbelt zu mir unter die Decke. "Was auch immer du sagst, Baby." Er schaltet an einem Lichtschalter, der über uns ist, das Licht aus und das Zimmer wird nur noch von den Farben des Fernsehers beleuchtet.
Ich rutsche näher zu ihm heran und lege meinen Kopf auf seine warme Brust, verknote unsere Beine, um ihm noch näher sein können.
Ich bin unheimlich froh, dass dieser Tag endlich vorbei ist. Tammys Beerdigung und der Streit mit Scar haben mir den ganzen Nachmittag heftige Kopfschmerzen bereitet. Doch ich bin froh, dass ich anscheinend nicht die einzige bin, die das Gefühl hat, das einiges ein bisschen leichter ist. Jetzt wo Tammy unter der Erde liegt, scheint Aiden wieder langsam zum Alltag zurück zu kehren. Natürlich sehe ich ihn noch oft einfach irgendwo hinstarren und dann weiß ich, wo seine Gedanken sind, doch sein Lächeln ist wieder zurück und das habe ich am meisten vermisst.
"Wie fühlst du dich heute, Aiden?", frage ich ihn leise, während wir beide eine Folge Dr. House schauen.
"Was meinst du?"
Ich lege mein Kinn auf seine Brust, um ihn ansehen zu können. "Ich meine die Sache mit Tammy ... Immerhin war heute ihre Beerdigung."
Bei dem Namen Tammy sehe ich kurz einen kleinen Schmerz in seinen Augen aufleuchten.
Er sieht von mir weg, wieder zum Fernseher. "Es geht mir immer noch beschissen, falls du das meinst", sagt er monoton. "Es ist gerade mal elf Tage her, als sie gestorben ist. Relativ kurze Zeit, um jemanden vergessen zu können oder?"
Vor seiner Kälte schrecke ich ein wenig zurück. Ich fühle mich sofort schlecht ihn gefragt zu haben und lege meinen Kopf wieder schuldbewusst auf seine Brust. "Es tut mir leid, ich wollte nicht -“
"Es tut immer noch weh", unterbricht mich Aiden mit gebrochener Stimme. "Es bringt mich nicht mehr um, doch es tut immer noch weh. Ich denke, dass es jetzt, nach ihrer Beerdigung ein wenig einfacher ist, weil sie... weg ist. Doch sie schwirrt immer noch ständig in meinem Kopf umher."
Als ich ihn leise schniefen höre, sehe ich wieder zu ihm auf und beobachte, wie er sich schnell eine kleine Träne aus dem Augenwinkel wischt.
Oh du armer, kleiner Aiden...
"Es tut mir leid", wiederhole ich meine Worte und sehe ihn traurig an. "Ich wollte nicht, dass du weinst."
"Schon okay." Ein kleines Lächeln bildet sich wieder auf seinen Lippen und er sieht mich an. "Ist selbst für mich noch ungewohnt."
Ich lächele ihn an und lege meinen Kopf wieder auf seine Brust. Ich frage mich, wie Aiden es schafft trotz alldem noch zu lächeln. Aber ich denke, so ist Aiden einfach, er ist so stark.
"Was glaubst du, macht Scar gerade?", frage ich mit dem Blick zum Fernseher.
Nicht mal eine Sekunde später klingelt mein Handy auf dem Nachttisch. Ich seufze, als ich danach greife und nachsehe, wer anruft. "Scar."
"Ich schätze, da hast du deine Antwort."
"Hallo", sage ich ins Telefon. Meine Stimme ist entschlossen und fest, bereit zu einem Disput.
"Ravely", sagt Scar unsicher in die Leitung. "Kann ich... Kann ich möglicherweise bei euch übernachten? I-Ich bin auch morgen früh sofort wieder weg, versprochen! Ich brauche nur einen Schlafplatz..."
"Ja", antworte ich, ohne viel nachzudenken. Sie ist meine beste Freundin, ich würde ihr niemals einen Schlafplatz verwehren, und außerdem bot ihr Aiden das heute Mittag sowieso