Zu dumm zum Beten. Heiko Rosner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heiko Rosner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738037302
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      Heiko Rosner

      Zu dumm zum Beten

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1. Psalm: Viele aber werden die Letzten sein, die die Ersten sind und die Ersten sein, die die Letzten sind.

       2. Psalm: Und du hattest viele Jahre mit ihnen, doch sie nahmen’s nichts zu Ohren

       3. Psalm: Du sollst alle Völker verzehren, die der Herr, dein Gott, für dich bestimmt.

       4. Psalm: Hat nun mein Vater auf euch ein schweres Joch gelegt, so will ich euer Joch noch schwerer machen

       6. Psalm: Gebet acht, dass ihr nicht in die Irre geführt werdet

       7. Psalm: Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?

       Impressum neobooks

      1. Psalm: Viele aber werden die Letzten sein, die die Ersten sind und die Ersten sein, die die Letzten sind.

      Zu dumm zum Beten

      „Deus infallibilem“

       (Werbung einer Religion)

      „Dibadibadu“

       (Werbung einer Bank)

      Als das Tränengas in Schwaden über das Heiligengeistfeld wehte, krallte sich der Papst an Siebzehn fest. Schreie überall, Tumulte, die Massen stoben auseinander. Weiter hinten durchbrachen die Salafisten die Polizeisperren. Wahrscheinlich nicht, um Gratis-Korane zu verteilen. Der Papst in seinen Armen zitterte wie Espenlaub. Blutspritzer tupften sein pferdeähnliches Gesicht. Die Aufregung war sicher zu viel für ihn. Aber das konnte Siebzehn dem alten Mann nicht ersparen. Sollte er sich später bei Heinz Erhardt bedanken. Falls es ein später gab. Mindestens zehn, zwölf Automatic Weapons der Bullen zeigten auf ihn. Auf den gesuchten Mörder und Anführer der Christen des lebenden Wassers. Wenn er es rational betrachtete, kam er aus der Nummer nicht mehr raus. Ob er in den Himmel kommen würde? Die Frage hatte er sich noch nie gestellt. Obwohl er Komfort durchaus schätzte. Aber in dieser einen Sekunde, in der die Welt vor seinen Augen fast stehenblieb, rutschte ihm trotzdem der eine oder andere existentielle, womöglich Käßmann-mäßige Gedanke durch. War ja auch nicht normal, vor einem Riesenpublikum auf der Bühne zu stehen und dem Papst ein Messer an die Gurgel zu halten. Das konnten die Leute leicht falsch verstehen. Dabei wollte Siebzehn im Grunde nur seine Ruhe und Schlaf, sehr viel Schlaf. Genau damit hatte der Schlamassel angefangen. Mit...

      Zwei Tage vorher

      ...Krach! Was war das denn? Polizeisirenen! Lautsprechergequäke! Gehupe! Alles unter seinem Schlafzimmerfenster. Siebzehn zog verärgert die Decke über den Kopf. Das half nicht viel. Jetzt kamen mit viel Lalülala noch mehr Einsatzfahrzeuge angerauscht, Feuerwehr anscheinend. Hatten die Frühaufsteher wieder Scheiße gebaut. Dabei hatte er mindestens die Hälfte seines Zehnstundenschlafs geschafft. Die letzte Nacht in der Krähe steckte ihm noch in den Knochen, oder genauer die letzte grüne Fee, die so spät nicht mehr nach Hause gehen wollte. Wenigstens war es ihm gelungen, seinen Highscore gegen den Kapitän der Titanic zu verteidigen, obwohl der im letzten Freispiel fast den Jackpot geknackt hätte. Aber eben nur fast. Bester „Mars Attacks“-Ufokiller war immer noch „17“, dann erst kam „Schae“ mit weitem Abstand auf dem zweiten Platz. Ganz hinten „Gess“, der lernte es nie. Ein schönes Geräusch war das, wenn das Eisen auf das Holz klackte, das kannten die digitalen jungen Leute heute gar nicht mehr. Knud stellte dann immer die Absinth-Flasche auf den Tisch, mit den absehbaren Folgen. Wie Siebzehn nach Hause gekommen war, wusste er nicht mehr. Er konnte sich nur noch daran erinnern, dass sie darüber gestritten hatten, ob man einen Film, der „2001“ heißt, einen Science-Fiction-Film nennen kann oder nicht. Auf so eine blöde Frage konnte nur Gessler kommen. Da war es aber schon fast helldunkel gewesen draußen.

      Es klöterte und rumpelte. Unaufhörlich. Siebzehn hätte am liebsten Ruhäää!!! gebrüllt, aber dazu war er viel zu schwach. Ähnlich wie Luistrenker, der neben ihm vorwurfsvoll gähnte und die Nase verzog, als es nach Rauch zu riechen begann. Siebzehn drehte sich um auf die andere Seite. Versuchte wieder einzuschlafen. Schafe zählen oder Wattewolken oder egal was. Aber die Frühaufsteher gaben keine Ruhe. Neu hinzugekommen war ein scheußlich rotierendes Geräusch wie von einer kaputten Waschmaschine. Es kam näher. Wurde röhrender und lauter. Stand wie ein monotoner, kurbelnder Dauerton in der Luft. Ein Hubschrauber. Siebzehn fühlte sich in seiner Wellness massiv eingeschränkt. Die meisten Herzinfarkte ereigneten sich statistisch gesehen vor zwölf Uhr mittags, wenn die Menschen noch nicht ausgeruht waren. Man musste verdammt aufpassen. Um kein gesundheitliches Risiko einzugehen, versuchte er, die Lärmterroristen zu ignorieren. Aber das ging nicht. Sein Bett vibrierte. Luistrenker vibrierte. Alles vibrierte. Die Welt, ein Dröhnen. Ruhäää!!!

      Es war noch nicht einmal elf. Eine Zumutung.

      Über ihm kreiselten Fliegen in der Luft. Die schoss er normalerweise mit Männerdeodorant ab. Damit rechneten die Mücken nicht und es roch gut in der Wohnung, doppelter Vorteil. Hubschrauber konnte man mit Mückenspray leider nicht abschiessen. Vielleicht sollte er bei Big G eine Panzerfaust bestellen.

      Siebzehn warf ächzend die Beine über das Matrazenlager und rieb sich den Schlaf aus den nachttrüben Augen. Was für ein Tag war heute? Montag? Freitag? Musste er wackern? Oder hatte er heute frei? Schwer zu sagen, sein Hirn war noch nicht betriebsbereit. Mit müden Augen durchflog er sein Schlafarbeitswohnzimmer, auf der Suche nach einem Wachmacher. Neben Luistrenkers Napf lag ein Feuerzeug und eine angebrochene Schachtel Zigaretten, das war schon mal ein Anfang. Er fingerte danach und steckte sich eine an. Zog den Rauch tief ein. Guut. Als er anfing Farben zu sehen, grüßte er den nackten Arsch von Nastassia Kinski, der eingerahmt an der Wand hing, ein altes Poster aus der Zeit, als noch Sexfilme gedreht wurden.

      Er sortierte sich. Mittwoch. Heute war Mittwoch, jetzt fiel es ihm ein. Sie hatten gestern die Mars-Meisterschaften ausgetragen, das machten sie immer dienstags, folglich musste heute Mittwoch sein. Doch ein Wackertag, Mist.

      Siebzehn warf die angerauchte Zigarette in den Napf. Er erhob sich gähnend und tappste schwerfällig ins Badezimmer. Der Mann im Spiegel sah ihn fragend an, als wollte er sagen: Was machst du denn schon hier? Für so dumme Fragen war so früh am Morgen sein Rechtsanwalt zuständig. Siebzehn klatschte sich etwas Wasser ins Gesicht, zupfte seine Rasta-Mähne breit und wankte in die Küche, wo es nicht ganz so laut war (sie ging nach hinten raus). Seinen Frühstückswhiskey fand er neben dem Tellerberg auf der Spüle. Lobenswert, dass in diesem Haushalt alles seine Ordnung hatte.

      Um ersten Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen oder auch nur aus Versehen, knippste er den NDR-Dudelfunk an. Der Whiskey sorgte dafür, dass auch in den entlegensten Regionen seiner Gehirnzellen langsam die Lichter angingen. Siebzehn zog einen alten, verrunkelten Plastikstuhl heran und ließ sich nieder. Bloß keinen Stress (es roch trotzdem verbrannt, sogar hier hinten).