Sky-Navy 10 - Feind ohne Gesicht. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия: Sky-Navy
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742711694
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existierte keine der Raketen mehr.

      Die Europe kämpfte indessen gegen den drohenden Absturz an.

      Man konnte mit Jentao-Impulstriebwerken innerhalb einer Atmosphäre fliegen, das Problem war allerdings, dass der für den Raum konzipierte Antrieb im Schwerefeld eines Planeten keinen Schwebeflug zuließ.

      Während Rudergänger Lieutenant Geoffrey versuchte, das Schiff zu stabilisieren und in die Waagrechte zu bringen, bewies er zugleich seine Kaltblütigkeit. „Wie wollen Sie es haben, Captain? Rauf oder Runter?“

      Rufus waren die Konsequenzen bewusst. Geoffrey konnte mit dem Jentao durchstarten und das Schiff wieder in den Weltraum bringen oder mit gedrosselter Leistung eine Landung versuchen. Da ein Schwebeflug unmöglich war, musste der Rudergänger den Kreuzer innerhalb des riesigen Nebelkraters in einer langsamen Abwärtsspirale kreisen lassen, bis er zur Landung ansetzen konnte. Wenn das dem Piloten gelang, so war es fraglos eine Meisterleistung, denn er musste ohne Sicht und ohne exakte Daten fliegen. Geoffrey hatte nur die Angaben über Durchmesser und Tiefe des Kraters verfügbar, die er in Relation zu den Schiffsbewegungen bringen musste. Es würde dem Zufall überlassen sein, wo die Europe den Boden berührte.

      „Runter“, entschied Rufus. „Und wenn möglich, Geoffrey, in einem Stück.“

      „Aye, Sir“, bestätigte der junge Rudergänger. „Wenn es geht, in einem Stück.“

      Palmer aktivierte die Bordverständigung. „Achtung, hier spricht die Brücke. Wir setzen weiterhin zur Landung an. Wir wurden angegriffen und getroffen, haben das Schiff aber unter Kontrolle. Dennoch alles auf eine harte Landung vorbereiten.“ Er zögerte einen kurzen Augenblick. „Alles fixieren.“

      Der letzte Befehl des Eins-O war durchaus extrem und auf der Europe von Captain Rufus eingeführt worden. Captain „Kid“ hatte sich in der Vergangenheit sehr intensiv mit den Gefechts- und Schadensberichten befasst, die nach Kämpfen gegen Piraten oder Greens verfasst worden waren. Das Direktorat hatte, nach dem kolonialen Krieg zwischen dem alten Heimatsystem und einigen nach Unabhängigkeit strebenden Kolonialwelten, eine sehr lange Epoche des Friedens hinter sich. Ein Zeitraum, in dem man gelernt hatte, durch das Shriever-System künstliche Schwerkraft zu erzeugen und so den Andruck von Schiffsmanövern auszugleichen. Man hatte daraufhin auf einfache Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel Anschnallgurte, verzichtet und in den Gefechten gegen die neuen Feinde teuer dafür bezahlt. Die im Kampf auf ein Schiff ausgeübten Gewalten konnten nicht immer von der künstlichen Schwerkraft ausgeglichen werden und Menschen wurden dann zum Spielball von Kräften, die zu Verletzungen oder dem Tod führten. Als Konsequenz hatte die Sky-Navy wieder Anschnallgurte eingeführt. Rufus ging noch einen Schritt weiter, denn die Angehörigen der Schadenkontrollteams mussten bei drohender Gefahr ihre Positionen einnehmen und wurden bislang nicht durch Gurte geschützt. Er hatte daher auf der Europe entsprechende Vorrichtungen anbringen lassen, an denen die Männer und Frauen sich mit ihren Raumanzügen fixieren konnten.

      Überall im Schiff vergewisserten sich die Besatzungsmitglieder nun, dass ihre Gurte angelegt und gestrafft waren. Dies geschah ebenso auf der Brücke, wobei Pilot Geoffrey jedoch Probleme hatte, da er vollauf beschäftigt war, den Flug des Kreuzers zu stabilisieren.

      Palmer beobachtete dies, löste seine Gurte und tastete sich nach vorne, um zu helfen. Ein durchaus gefährliches Unterfangen, denn die Bewegungen der Europe waren ungleichmäßig.

      „Triebwerk Eins noch immer auf Rot“, kam es von Master-Chief Sung. „Einspritzung von Kühlflüssigkeit in Drei erfolgreich. Drei kommt und wechselt auf Gelb.“

      Sung, dessen Vorfahren aus China stammten, tat sein Möglichstes, um Geoffrey zu unterstützen. Schließlich beobachtete er die Situation nicht nur, sondern verfügte mittels der Systemkontrolle auch über zahlreiche Möglichkeiten, diese zu steuern. Sung war dabei auch der verlängerte Arm des leitenden Ingenieurs im Maschinenraum. Die Anzeigen verrieten ihm, das Atmosphäretriebwerk Eins nicht einfach überlastet war, sondern mehrere mechanische Schäden erlitten hatte. Mindestens eine der feindlichen Raketen musste es direkt getroffen haben. Zwar waren die Triebwerke gepanzert und ihre Ansaug- und Ausströmschächte konnten durch schwere Blenden geschützt werden, doch im Flugbetrieb waren diese geöffnet und eines der explodierenden Geschosse musste in einen dieser offenen Schächte eingedrungen sein, wo es eine der Turbinen zerstört hatte. Triebwerk Drei war hingegen lediglich überhitzt. Die Einspritzung zusätzlicher Kühlflüssigkeit, in einige seiner Komponenten, hatte die Situation verbessert. Geoffrey erhielt wieder mehr Leistung, dadurch allerdings auch ein weiteres Problem. Eins und Drei waren ausgerechnet jene Atmosphäretriebwerke, die sich unterhalb des Rumpfes befanden und ihren Ausstoß direkt nach unten leiten konnten. Die beiden auf der Oberschale angebrachten Treibwerke konnten ihren hingegen nur schräg zur Seite leiten und waren daher nicht dermaßen effektiv.

      Triebwerk Drei hob die Europe nun einseitig an und Geoffrey regelte seine Leistung herunter, damit er den Kreuzer wieder in die Waagrechte bekam.

      Lieutenant-Commander Garry Palmer bekam dies zu spüren und taumelte von rechts nach links über die Brücke und wieder zurück. Phil Rufus und Djemal konnten ihn nur mühsam vor einem Sturz bewahren, doch Palmer gelang es tatsächlich, den Sitz des Rudergängers zu erreichen. Der Eins-O klammerte sich an die Rückenlehne und legte Geoffrey die Gurte mit der freien Hand an.

      „Errechnete Höhe noch Eintausend“, meldete Nav. „Position unbekannt.“

      „Landescheinwerfer“, forderte Geoffrey. Unter dem Rumpf flammten die starken Scheinwerfer auf. „Verfluchter Dung, abschalten!“, rief er prompt und das Licht erlosch wieder. Die Reflektion des Lichtes durch den Nebel war einfach zu stark.

      Palmer gelang es irgendwie, sich zurück zu seinem Sitz zu begeben. Rufus hielt ihn fest, während der Eins-O seiner Gurte schloss. „Das war ziemlich mutig und ziemlich dumm“, meinte der Captain, „aber ich hätte an deiner Stelle nicht anders gehandelt.“

      Ohne Geoffreys Fähigkeiten würde der Kreuzer abstürzen und damit vernichtet oder zumindest schwer beschädigt werden. Der Rudergänger zwang das Schiff in eine enge Kurve von knapp zweihundert Kilometer Radius. Weniger war einfach nicht möglich, da er gezwungen war, eine gewisse Geschwindigkeit zu halten, während er zugleich nach einer Lösung für die Landung suchte.

      „Wer weiß, wo wir runterkommen“, seufzte Rufus.

      „Ich bin froh, wenn wir es in einem Stück schaffen“, fügte Palmer grimmig hinzu. „Keine Ahnung, wie Geoffrey das gelingen soll.“

      „Wenn es einem gelingt, dann ihm.“

      Äußerlich schien der Lieutenant ruhig. Der Kopf unter dem VR-Helm seines Raumanzuges bewegte sich kaum und dies galt auch für die Hand, die an der unsichtbaren Tastatur ruhte. Jene, die den Joystick der Steuerung bediente, war hingegen immer wieder in kurzer und hektischer Bewegung. „Tech, Landekufen!“

      „Landekufen werden ausgefahren.“ Sung betätigte die entsprechende Schaltung. Im vorderen Drittel fuhr eine der massiven Teleskopstützen aus, die in breiten Kufen endeten, die zweite und dritte schoben sich vor dem Pol der unteren Kuppel hervor. „Kufen sind ausgefahren und eingerastet.“

      „Rechnerische Höhe Zweihundert Meter!“, rief Nav warnend.

      „Auf Aufprall vorbereiten!“, forderte Palmer warnend über die Bordkommunikation.

      Geoffrey drosselte die Leistung von Triebwerk Drei noch stärker. Der Kreuzer bekam immer mehr Schlagseite.

      Captain Rufus lehnte sich instinktiv in die Gegenrichtung und seine Hände klammerten sich um die Armlehnen seines Sessels. Sein Lächeln wirkte verzerrt, doch er musste sich auf die Fähigkeiten des jungen Lieutenants verlassen.

      „Wir sind zu schnell und wir kippen“, dachte Master-Chief Sung, dem nun Schweißperlen auf die Stirn traten. „Wir schaffen es nicht. Wir schmieren ab.“

      Sung bereitete sich auf die Notabschaltung der Systeme vor und hoffte, dass er noch dazu kam, diese auszulösen.

      Die Kameras unter dem Schiff übertrugen nichts anderes als grauweißes