Anfang September kündigte sich endlich die langerwartete Krise an: General Dorsenne war von Astorga aus in Marsch gesetzt worden. Auf Bitten von König Joseph sollte er einen Versorgungskonvoi für Ciudad Rodrigo bei Salamanca übernehmen und als Verstärkung zu Marmont stoßen. Nur hatten die Adler nicht einkalkuliert, daß es ein schwieriges Unterfangen war, in der von ihnen so sorgfältig ausgeplünderten Provinz Leon, schnell Proviant zusammenzustellen. Dorsenne mußte warten. Zwei lange Wochen vergingen, in denen auch Marmont statisch in seiner Position verharrte. Ohne sich Dorsennes Unterstützung sicher zu sein, wagte er es nicht gegen die Alliierten zu ziehen. Am 15. September gaben die Franzosen endlich Truxillo auf und Montbruns Kavallerie überschritt zwei Tage später den Baños-Paß. El Minas ließ Lord Wellington ausrichten, daß die Partisanen versuchen würden, Dorsennes Versorgungskonvoi aufzuhalten. Am 21. September verließ dieser endlich Salamanca. Die Männer aus den Bergen wußten, daß sie gegen die Adler nicht kämpfen konnten, doch sie verfolgten den Konvoi, überfielen nachts Außenposten, schossen aus dem Hinterhalt und legten Hindernisse über den Weg. All dies machte den Marsch auf Ciudad Rodrigo zu einem schweren und gefährlichen Unterfangen. Dullmore gelang es – in einem Handstreich – mehrere Proviantwagen von Dorsenne abzuschneiden.
Arthur glaubte zu diesem Zeitpunkt, daß er etwas mehr als 60.000 Mann in der Beira unter Waffen hatte. Er war neugierig zu sehen, was geschah, wenn er sich eins zu eins mit den Adlern schlug und über ausreichend Artillerie und Reiter verfügen konnte. Doch am 23. September baten der Nachrichtendienst und der Sanitätsdienst um ein Gespräch mit dem Oberkommandierenden. Seine Spione zählten laut Franzosen. Bei jeder neuen Depesche, die Donna Ines entschlüsselte, pfiff Wellington durch die Zähne. Es wurden immer mehr. Der Teufel lag in der Anzahl dieser verdammten Adler: Die gesamte Nordarmee schien sich entschlossen zu haben, gemeinsam mit Marmont und seiner Portugalarmee Ciudad Rodrigo zu befreien. Seine Ärzte zählten genausolaut kranke Leoparden. Bei jeder Regimentsliste stöhnte Arthur auf: Das Guadiana-Fieber, Reste des Walcheren-Fiebers und Dysenterie dezimierten seine Soldaten. Es wurden immer weniger. Der Teufel saß in einer kleinen Stechfliege, zuviel unreifem Obst und schalem Wasser: Das gesamte alliierte Feldheer schien sich entschlossen zu haben, alle Franzosen ihrem tapferen Anführer ganz alleine zu überlassen. Am Ende der Volkszählung standen noch 29.000 Briten und 17.000 Portugiesen mehr als 60.000 Franzosen gegenüber. Der General gab zähneknirschend zu, daß er hoch gespielt und verloren hatte. Es war ihm nicht bewußt gewesen, daß die Stellungen, die er am Caia einen Monat lang gegen Soult und Marmont und dann gegen Marmont alleine gehalten hatte, Auswirkungen auf den Sommerfeldzug haben würden. Sir James McGrigor erklärte ihm, daß das Guadiana-Fieber, ähnlich der Malaria, eine Krankheit war, die mit Zeitverzögerung ausbrach. Die einzigen Regimenter, die von der verheerenden Epidemie verschont wurden, waren diejenigen, die zuvor in den Kolonien gekämpft hatten. Die 33. Infanterie und Lord Wellington selbst hatten durch zehn Jahre Dienst in Indien die Malaria im Blut. Die spanische Stechfliege machte ihnen nichts mehr aus. Die Scharfschützen des 60. Regiments hatten sich zuvor in den Sümpfen von Louisiana geschlagen. Auch sie schienen unempfindlich zu sein. Picton und sein Regiment waren fünf lange Jahre auf Trinidad und Tobago stationiert gewesen. Sie meldeten keinen einzigen Kranken. Doch alle anderen britischen Einheiten waren auf unter 50 Prozent ihrer Ist-Stärke geschrumpft. Besonders hart hatte es die Kavallerie getroffen. Nicht nur die Männer waren dienstunfähig. Auch ihre Pferde litten unter Schüttelfrost und Fieber. Lediglich der neue, bereits in Portugal requirierte Beritt konnte an die Front gebracht werden, und einige wenige Pferde, die schon seit 1808 im Land waren und bereits nach Talavera das Guadiana-Fieber eingefangen hatten. Der Sanitätsdienst bat, einen fachkundigen Veterinär zur Unterstützung aus Lissabon in die Beira zu kommen.
Der Himmel hatte sich gegen die Alliierten verschworen: Zum ersten Mal seit 1808 waren sie stark genug, um offensiv und in Spanien zu operieren. Einzige Voraussetzung hierfür war es noch, den Rückzugsweg nach Portugal zu sichern. Dies war aber nur möglich, wenn Lord Wellington den Franzosen die beiden Grenzfestungen Badajoz und Ciudad Rodrigo abrang. Bei Badajoz hatte sein Belagerungsapparat versagt. Vor Ciudad Rodrigo ließ ihn die Gesundheit seiner Soldaten im Stich. Der Ire befahl, die Blockade um die Stadt aufzuheben. Doch er wollte versuchen, die Franzosen zu zwingen, ihre Truppen konzentriert zu halten. Marmont, wie auch Massena zuvor, kämpfte mit den Problemen im französischen Nachschubwesen. Der Ire wollte seinen Gegner wenigstens damit zermürben, daß er ihn zwang, in einer unwirtlichen Gegend auszuharren. Seit der Erfahrung von Torres Vedras wußte er, wie verheerend sich Hunger auf die Moral und die Kampfkraft der Adler auswirkte.
Er schickte den größten Teil seines Feldheeres südwärts in die Berge. Das gesunde Klima und die kalte, frische Luft würden den Opfern der Fieberepidemie helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Sobald McGrigor und seine Assistenten das Guadiana-Fieber unter Kontrolle hatten, wollte er sein Feldheer gegen einen geschwächten Herzog von Ragusa führen. Die Zeit reichte. Vor Einbruch der Schlechtwetterperiode blieben ihm noch fast vier Wochen Zeit, um eine Entscheidungsschlacht um die Grenzfestung zu provozieren.
Lediglich Teilen der Dritten Division unter Sir Thomas Picton und der Leichten Division unter Robert Craufurd gestattete er, in ihren Stellungen zu verharren. Die Männer schickten nur ihre dienstunfähigen Kameraden in die Berge. Die gesunden Überreste der Vierten Division begannen mit Erdarbeiten in der Ebene vor Fuenteguinaldo. Wellington wollte sich rückversichern, falls Marmont sich nicht mit dem Entsatz von Ciudad Rodrigo zufrieden gab, sondern selbst eine Schlacht mit den Alliierten provozieren wollte. Picton und Craufurd, die die Verbindungsstraße zwischen Ciudad Rodrigo und Salamanca blockierten, wurden angehalten, den Weg freizugeben, falls die Franzosen aggressiv auftraten. Im schlimmsten Fall empfahl Arthur seinen beiden Generälen, auch die direkte Umgebung der Festung aufzugeben und Dorsennes Versorgungskonvoi in die Stadt zu lassen. Picton sollte sich bei El Bodon verschanzen, Craufurd hinter den Vadillo, einem reißenden Nebenarm des Agueda, knapp fünf Meilen hinter Ciudad Rodrigo.
Je näher die Franzosen kamen, um so unwohler fühlte Wellington sich in seiner Haut. Er hatte zwei sichere Stellungen für eine defensive Aktion im Rücken, doch seine Armee war nicht mehr ausreichend konzentriert, um schnell zu reagieren. Er benötigte mindesten 24 Stunden Galgenfrist, um eine vernünftige Frontlinie zu besetzen. In den frühen Morgenstunden des 25. September hatte er plötzlich das Gefühl, die Zeit würde ihm zwischen den Fingern zerrinnen: Zwei Kavalleriebrigaden der Nordarmee galoppierten die Straßen von Carpio und Espeja entlang. General Wathier führte sie an. Gleichzeitig setzte Montbrun den Hauptteil der französischen Kavallerie in Bewegung. Zwei Brigaden Dragoner und zwei Brigaden Husaren schlugen die südliche Straße nach Fuenteguinaldo ein. Auf ihrem Weg befand sich auch El Bodon. Eine Infanteriebrigade unter General Thiebault folgte ihnen dicht auf. Die Soldaten durchquerten den Agueda. Damit bedrohten sie alternativ Thomas Picton und Robert Craufurd. Zahlenmäßig waren die beiden ihrem potentiellen Gegner unterlegen. Wellington beobachtete die feindlichen Truppenbewegungen von einem Hügel aus durch sein Fernrohr. Sollte er Picton oder Craufurd zur Hilfe eilen? Einen Augenblick lang zögerte der Ire und lenkte seinen Hengst erst nach links auf die Leichte Division zu, nur um im nächsten Moment die Zügel nach rechts zu reißen und auf Pictons Stellung zuzugaloppieren. Seine Entscheidung hatte wenig mit Logik oder einem Plan zu tun. An der einen, wie auch der anderen Front standen zwei fähige Kommandeure. Sie würden jeden Inch ihres Bodens bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Was dem Oberkommandierenden in diesem Augenblick die größte Sorge bereitete, war, daß Marmont erkennen konnte, wie schwach die Alliierten waren und daß er es nicht mit einer Vorhut und einem Schützenschleier zu tun hatte, sondern mit einer Nachhut. Damit stand den Adlern der Weg offen, dem britischen Gegner in den Rücken zu fallen, noch bevor dieser sein Hauptheer bei Fuenteguinaldo in Stellung bringen konnte. Während Kopenhagen durch die Hügel auf El Bodon zu galoppierte, hoffte sein Reiter auf Picton und betete für Craufurd! Die Aufklärer der 14. Husaren konnten bereits früh um acht Uhr morgens durch den Nebel am Azava eine starke Kolonne französischer Kavallerie ausmachen, die sich anschickte, Ciudad Rodrigo zu verlassen. Oberst Ponsonby befahl allen Männern seines Regiments, sich von Carpio und ihren anderen Stellungen über den Fluß in die Hügel zurückzuziehen und die Adler, die